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Kompaktlexikon der Biologie: Tiere

Tiere, Animalia, die zum Tierreich („regnum animalium“) gehörigen Organismen. Alle Tiere sind, wie die Pflanzen, Eukaryoten (Eucarya) und ihre Zellen, die in Ein- oder Vielzahl ihren Körper aufbauen, daher Eucyten. Tiere und Pflanzen gehen stammesgeschichtlich auf gemeinsame einzellige Ahnenformen vom Lebensformtyp der Flagellaten zurück. Tiere sind für ihren Stoffwechsel auf das von den Pflanzen produzierte Material angewiesen, sie sind heterotroph. Während die Pflanzenzelle i.d.R. von einer Zellwand aus Cellulose umgeben ist, fehlt den tierischen Zellen eine solche (eine Cellulose-ähnliche Substanz kommt als Cuticula bei den Seescheiden vor). Die Stabilität vielzelliger Tiere wird im Wesentlichen durch Bindegewebe mit mehr oder weniger gallertiger Grundsubstanz (Interzellularsubstanz) erreicht und/oder durch kollagene und elastische Fasern. Grundsubstanzreiches Bindegewebe kann (vor allem bei den Chordata) auch als Knorpel bzw. Knochen entwickelt sein und ein Innenskelett (Endoskelett) bilden. Manche Stämme entwickeln ein Außenskelett (Exoskelett) in Form einer Cuticula, in die Chitin eingelagert sein kann (wie bei den Arthropoda) oder aber auch Kalk (wie z.B. bei den Schalen der Mollusca). Der Stoffaustausch findet bei vielzelligen Tieren im Innern des Körpers statt, weshalb Tiere eine reichere innere Gliederung aufweisen als Pflanzen (Darm, Lungen, Tracheen). In der Individualentwicklung ist das Wachstum der Tiere nach Ende einer Wachstumsphase stark eingeschränkt (z.B. bei Weichtieren) oder abgeschlossen, die Tiere sind dann „ausgewachsen“. Dieser Abschluss des Wachstums tritt häufig mit dem Erreichen der Geschlechtsreife ein. Lebenslang aktiv bleibende Wachstumszonen, wie sie die Pflanzen haben, fehlen den vielzelligen Tieren. Die Fortpflanzungsorgane (Gonaden, Geschlechtsorgane) werden bei Tieren i.d.R. im Körperinnern geborgen, bei Pflanzen dagegen liegen sie an der Oberfläche. Die Fortpflanzung kann sowohl geschlechtlich als auch ungeschlechtlich erfolgen; auch können beide Formen sich in einem als Metagenese bezeichneten Generationswechsel abwechseln. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der vielzelligen Tiere geht stets von einem Zellverband aus. Einzige Ausnahme könnte die ungeschlechtliche Fortpflanzung der „Larvenstadien“ (Sporocysten, Redien) der Saugwürmer (Trematoda) sein. Im Unterschied zu den vielzelligen Pflanzen, die i.d.R. ortsfest „verwurzelt“ sind, leben vielzellige Tiere primär freibeweglich (Fortbewegung), können jedoch sekundär zu einer festsitzenden (sessilen) Lebensweise übergehen. Diese ist jedoch nur wasserlebenden Formen möglich, da nur dort entweder eine äußere Besamung der in das Wasser abgegebenen Eier oder ein Herbeistrudeln der Spermien möglich ist. Auch planktontische Nahrung kann im Wasser herbeigestrudelt werden; viele sessile Tiere sind daher Strudler (z.B. Schwämme, Kamptozoa, Tentaculata; Ernährung). Im Zusammenhang mit der (zumindest primären) freien Beweglichkeit der Tiere steht, dass diese im Gegensatz zu den Pflanzen Muskelzellen besitzen, die sich zu Muskelgewebe verbinden können (Muskel) und eine rasche Kontraktion ermöglichen. Auch die Erregungsleitung erfolgt bei Tieren über spezialisierte Nervenzellen (Neuron), die zu einem Nervensystem verbunden und zu Sinnesorganen differenziert sein können und so den Tieren eine rasche und bei höherer Organisation auch komplexe Reaktion (ein Verhalten) ermöglichen. Im Zusammenhang mit den aus Beweglichkeit und komplexer Nervenleitung sich bei Tieren ergebenden höheren Anforderungen an den Stoffwechsel steht bei vielzelligen Tieren das verbreitete Vorkommen eines Kreislaufsystems (Blutkreislauf) und eines Exkretionssystems (Exkretion, Exkretionsorgane), die in dieser Form den Pflanzen fehlen.

Systematisch gliedert man das Tierreich in die beiden Großgruppen einzellige Eukaryota oder Einzeller und Metazoa oder vielzellige Tiere, und letztere in die Subtaxa Parazoa, Placozoa, diploblastische Eumetazoa, triploblastische Eumetazoa, wobei deren weitere Untergliederung je nach Auffassung unterschiedlich ausfällt.

Für den Menschen sind Tiere in vielfacher Hinsicht von großer Bedeutung. Vor allem in höher organisierten Tieren (Wirbel-Tieren) erkennt der Mensch verwandte Geschöpfe, denen gegenüber er eine „Tierliebe“ empfinden kann. Viele Haustiere werden aus diesem Grund gehalten und gezüchtet. Daneben hat das Tier dem Menschen von Beginn seiner stammesgeschichtlichen Entwicklung an Nahrung, Kleidung und Werkzeuge (aus Knochen und Zähnen) geliefert. Mit der Übernahme von Wild-Tieren in den Hausstand (Haustierwerdung oder Domestikation) begann die Viehzucht, die den Menschen (ähnlich wie der Ackerbau) im Hinblick auf seine Ernährung unabhängiger gemacht hat. Tiere können auch Arzneimittel (z.B. Schlangengifte; Tiergifte) liefern, aber auch als Produzenten von Immunseren dienen. (Bioethik, Leben, Tierschutz, Tierversuche und zugehöriges Essay: Alternativen zu Tierversuchen)

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  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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