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Kompaktlexikon der Biologie: Muskulatur

Muskulatur, System kontraktiler Zellen bei allen Eumetazoa, welches diesen aktive Körperbewegungen (Fortbewegung) ermöglicht. Bei Hohltieren (Coelenterata) noch aus multifunktionellen kontraktilen Epithelzellen (Epithelmuskelzellen) bestehend, bildet die Muskulatur bei allen höher organisierten Tieren einen eigenen Gewebetyp (Gewebe) aus spindel- oder faserförmigen, seltener verzweigten Zellen, die ontogenetisch meist dem Mesoderm entstammen. Sie können sich zu einzelnen Muskelsträngen, räumlichen Muskelnetzen, massiven epithelähnlichen Muskelschichten (Hautmuskelschlauch) oder – namentlich bei Weichtieren, Gliederfüßern und Wirbeltieren – kompliziert gebauten Muskeln als einzelnen Organen des Bewegungsapparates zusammenschließen. Muskulatur kann sich aktiv kontrahieren, nie jedoch aktiv dilatieren (Muskelerschlaffung), sodass sie nur im Wechselspiel mit antagonistisch wirkenden Zugkräften zu arbeiten vermag, entweder gegen den elastischen Binnendruck (Hydroskelett) einer turgeszent flüssigkeitserfüllten Körperhöhle (Hautmuskelschlauch, Myoepithel der Hohltiere) oder als antagonistische Muskelpaare, die an einem Exo- oder Endoskelett ansetzen. Nach ihrer zellulären Struktur unterscheidet man mehrere Muskulaturtypen: Am einfachsten gebaut ist die – bis auf wenige Fälle bei Tieren mit syncytialen Geweben (z.B. Rädertierchen) – gewöhnlich zellulär gegliederte glatte Muskulatur. Sie ist bei Wirbellosen weit verbreitet und findet sich bei Wirbeltieren besonders in den vom vegetativen Nervensystem innervierten und unwillkürlich arbeitenden Muskelwandungen von Hohlorganen (Darm, Atemtrakt, Gefäßwände, Uterus, Harntrakt), ebenso im Auge als Ciliar-Muskulatur und als ektodermale Haarbalg- (Musculi arrectores pilorum, Haare) und Pupillenmuskeln (Sphinkter und Dilatator pupillae). In der Uteruswand der Säuger können glatte Muskelzellen eine Länge von mehreren Millimetern erreichen.

Fließende Übergänge in der Anordnung der kontraktilen Elemente (Myofibrillen, Actin- und Myosinfilamente) bestehen zwischen der schräg gestreiften (helikalen) M. vieler Wirbelloser und der quer gestreiften M., wie sie vereinzelt bei Wirbellosen (Kinorhyncha, Kamptozoa, Bryozoa u.a.), generell aber als Körpermuskulatur der Gliederfüßer sowie als Skelett- und Herzmuskulatur der Wirbeltiere ausgebildet ist. Die quergestreifte Muskulatur stellt das höchstgeordnete kontraktile System unter allen Muskeltypen dar und vermag sich am raschesten zu kontrahieren, bei allerdings geringerem Verkürzungsgrad und i.d.R. geringerer Dauerbelastbarkeit als glatte und helikale Muskulatur. Bei Gliederfüßern und Wirbeltieren setzt sie sich nicht aus Einzelzellen, sondern aus zelläquivalenten, plasmodialen Muskelfasern zusammen. Diese entstehen als Verschmelzungsprodukte zahlreicher embryonaler Muskelzellen (Myotuben), die jedoch in der Folge erst nach weiteren inneren Kernteilungen zu ihrer endgültigen Größe heranwachsen. Jede dieser spindelförmigen Fasern ist von einem Netzgeflecht von kollagenen Fasern umhüllt, welche der Zugübertragung auf die Sehnen dienen. Bündel solcher Muskelfasern sind von Gefäß führenden Bindegewebsscheiden (Endomysium) umgeben, zahlreiche dieser Primärbündel wiederum durch eine gemeinsame derbe Bindegewebshülle (Perimysium und Faszie) zu einem Muskel zusammengefaßt (Enkapsisbauweise). Die Faszie geht an beiden Enden des Muskels in die zugübertragenden Sehnen über, die den Kontakt zum Skelett herstellen. (Herz, Muskel, Muskelspindeln, Reflex)

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Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
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Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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