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Kompaktlexikon der Biologie: Porifera

Porifera, Schwämme, zu den ältesten Metazoa gehörendes Taxon mit ca. 8000 rezenten Arten mit einer Größe von wenigen mm bis zu 2 m Durchmesser (Spheciospongia vesparia) oder 3 m Länge (Monoraphis chuni) und auffallend gelber, roter oder violetter, durch Pigmente verursachter, nicht selten auch grellweißer Farbe. Ferner kommt Grünfärbung vor, die meist auf Zoochlorellen oder Zooxanthellen zurückzuführen ist. Als reine Wasserbewohner, die meisten leben marin, nicht wenige in der Tiefsee und nur etwa 120 Arten im Süßwasser, sind Schwämme sessil und nur ihre Larven frei beweglich. Die Körpergestalt ist nur in weiten Grenzen art- und individuenspezifisch festgelegt; i.Allg. wird sie von den ökologischen Bedingungen am Ort mitbestimmt. Der Süßwasserschwamm Spongilla lacustris bildet z.B. in strömendem Wasser Krusten, in stehendem geweihartige Verzweigungssysteme.

Schwämme haben weder ein Atmungs- noch ein Exkretionssystem, weder ein Muskel- noch ein Nervensystem. Obgleich Kontraktilität und auch Reizleitung an vielen Schwämmen zu beobachten sind und bei einigen Arten Transmitter (Adrenalin, Noradrenalin, 5-Hydroxytryptamin) und Neurosekrete gefunden wurden, sind weder Nerven-, Sinnes- noch echte Muskelzellen nachgewiesen. Hinsichtlich Ernährung, Stoffwechsel, Exkretion, Osmo- und Ionenregulation ist jede Zelle nahezu autark. Diese für Metazoen ungewöhnliche Eigenheit ist in dem auf Hydrodynamik angelegten Bauplan der Schwämme begründet, der jeder Zelle den unmittelbaren Zugang zum Wasserstrom ermöglicht. Erzeugt wird der Wasserstrom von einer Vielzahl von Kragengeißelzellen (Choanocyten). Sie dienen dem Nahrungserwerb, der Atmung und dem Abtransport von Exkreten und Exkrementen. Als Reusengeißelzelle (Cyrtocyte) strudeln sie durch den Schlag ihrer Geißel sauerstoffreiches Wasser herbei und fangen die in ihm suspendierten winzigen Detritusteilchen, Mikrophytoplankter und vor allem Bakterien mit ihrem Kragen ab. Der Kragen einer Choanocyte besteht aus etwa 35 palisadenartig angeordneten Mikrovilli, die von einem Mucopolysaccharidfilm als Filter belegt sind.

Alle Schwämme sind aus drei Schichten aufgebaut. Äußere Begrenzung ist ein ektodermales Pinakoderm aus polygonalen Pinakocyten, die von blendenartig verschließbaren Ostien, früher als Dermalporen oder schlicht Poren bezeichnet (Name Porifera!), durchbrochen sind. Wesentlicher Bestandteil des Kanalsystems im Innern ist ein entodermales Choanoderm aus Choanocyten. Zwischen Pinakoderm und Choanoderm liegt eine Mesohyl (entspricht der Mesogloea der Coelenterata) genannte Zwischenschicht, welche die Hauptmasse des Schwammkörpers ausmacht. Sie besteht aus einer gallertigen Grundsubstanz mit Kollagenfasern und enthält die übrigen Zelltypen.

Mit Ausnahme der Hexactinellida folgen die Schwämme einem Bauplan, bei dem aufgrund von Zahl und Anordnung der Choanocyten drei deutlich voneinander abgegrenzte Typen zu unterscheiden sind. Beim Ascontyp (nur bei zwei Gatt.) ist das Kanalsystem ein Schlauch mit distaler Ausströmöffnung (Osculum). Sein Inneres, der Zentralraum (Spongocoel, Atrium), ist von Choanocyten ausgekleidet. Beim Sycontyp sind die Choanocyten stark vermehrt und in becherförmigen Ausbuchtungen des Zentralraums (Radialtuben) angeordnet. Das Kanalsystem mit Geißelkammern aller anderen Schwämme wird als Leucontyp bezeichnet, wobei es innerhalb dieser Gruppe große Unterschiede gibt.

I.Allg. sind die Schwämme Hermaphroditen, die Süßwasserschwämme sind meist getrenntgeschlechtlich. Die Furchung ist total und äqual und führt zu einer Amphiblastula als Larve. Diese verlässt mit dem Wasserstrom den Schwamm und schwimmt ca. zwei bis drei Tage umher. Dann beginnt die Gastrulation, bei der die Geißelzellen ins Innere verlagert werden und die Larve sessil wird. Auch bei den Demospongiae ist die Furchung total und äqual, als Larve jedoch bilden sie eine Parenchymula. – Ungeschlechtliche Fortpflanzung kommt als Fragmentation, innere und äußere Knospung sowie im Zusammenhang mit dem Überdauern ungünstiger Perioden in Form der Bildung von Gemmulae vor. Die Regenerationsfähigkeit der P. übertrifft diejenige fast aller anderen Metazoengruppen.

Drei Subtaxa werden unterschieden, die Demospongiae, die Calcarea oder Kalkschwämme und die Hexactinellida oder Glasschwämme.

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Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

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Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
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Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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