Lexikon der Geowissenschaften: allgemeine atmosphärische Zirkulation
allgemeine atmosphärische Zirkulation, Beschreibung der globalen Druck- und Temperaturverhältnisse und der dadurch bedingten Luftströmungen. Dabei geht es in der Hauptsache um solche Strömungen, die nicht nur gelegentlich an bestimmten Orten auftreten, sondern vielmehr um beständige, großräumige Windsysteme. Die Beschreibung der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation würde im Prinzip die gesamte Atmosphäre, von der Troposphäre über die Stratosphäre bis hin zur Mesosphäre, umfassen. Es hat sich jedoch, zum Teil aus historischen Gründen, eingebürgert, die Verhältnisse der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation nur in dem Teil der Atmosphäre zu beschreiben, in dem sich das Wetter abspielt, d.h. in der Troposphäre. Die stratosphärische Zirkulation ist davon ausgenommen, es handelt sich also um die troposphärische Zirkulation.
Die auf der Erde beobachtete allgemeine atmosphärische Zirkulation wird prinzipiell durch die globale Strahlungsbilanz (Strahlungshaushalt) und die Erdrotation sowie durch die Verteilung von Wasser- und Landmassen bestimmt. Die mit der geographischen Breite variable Strahlungsbilanz bewirkt ein permanentes Temperaturgefälle zwischen den äquatorialen und den polaren Gebieten der Erde. Dies führt wiederum zu horizontalen Druckgegensätzen, welche ihrerseits die Luft in Bewegung setzen. Die Erdrotation beeinflußt die Luftströmungen über die Corioliskraft, wobei weitere Modifikationen durch die Land-Meer-Verteilung verursacht werden.
Die Hauptenergiequelle für die Atmosphäre ist die kurzwellige solare Einstrahlung (Sonnenstrahlung). Am Rande der Erdatmosphäre hat diese im Mittel eine Energiestromdichte von etwa 1350 W/m2 (Solarkonstante). Wegen der Kugelgestalt der Erde trifft davon in den äquatornahen Gebieten mehr Energie pro Flächeneinheit auf die Erdoberfläche als in den polaren Gebieten. Dies ist in Abb. 1 dargestellt. Dem Energiegewinn durch Solarstrahlung steht ein Energieverlust in Form der Schwarzkörperstrahlung gegenüber, die von der Erdoberfläche sowie von der Atmosphäre selber ausgeht. Da diese zur vierten Potenz der absoluten Temperatur proportional ist, erreicht auch die langwellige Ausstrahlung im Äquatorbereich höhere Werte als in den Polargebieten. Das entscheidende für die Energiebilanz des Systems Erde-Atmosphäre ist jedoch die Nettostrahlung (Strahlungsbilanz). Diese ist zwischen Äquator und etwa 40º Breite positiv, bedeutet also für die Erde einen Strahlungsüberschuß, und zwischen 40º Breite und den Polen negativ, d.h. es herrscht ein Strahlungsdefizit. Entsprechend den Gesetzmäßigkeiten der Thermodynamik würden diese Strahlungsverhältnisse zu einer ständigen Erwärmung im Äquatorbereich und zu einer ständigen Abkühlung in den Polargebieten führen. Dies wird jedoch nicht beobachtet. Der Grund dafür sind die durch die meridionalen Temperaturgegensätze angetriebenen Luft- und Meeresströmungen, die einen Energieausgleich zwischen dem Äquatorbereich und den Polgebieten herbeiführen. Dadurch stellt sich eine mittlere Verteilung der Lufttemperatur ein, wie sie in einem Meridionalschnitt in Abb. 2 dargestellt ist. Die im Mittel beobachteten Luftströmungen sind einerseits eine Folge der großräumigen Temperaturverteilung, andererseits beeinflussen sie dieselbe über ihre Eigenschaft, Wärme zu transportieren. Zur Darstellung der generellen Windverhältnisse verwendet man häufig zonale Mittelwerte, d.h. die Windgeschwindigkeit wird über einen Breitenkreis gemittelt. Da aber nur solche Strukturen zur allgemeinen atmosphärischen Zirkulation gerechnet werden, die auch über längere Zeiträume hinweg vorhanden sind, werden die Windgeschwindigkeiten auch über gewisse Zeiträume gemittelt. Üblich sind dabei Monatsmittel, Jahreszeitenmittel (z.B. Winter = Mittel über Dezember, Januar, Februar) oder Jahresmittel. Hinsichtlich des Windvektors erfolgt üblicherweise eine Zerlegung in eine zonale Komponente (West-Ost-Richtung), eine meridionale Komponente (Süd-Nord-Richtung) und eine vertikale Komponente. Die Darstellung der einzelnen Windkomponenten erfolgt dabei in einem Meridionalschnitt, wie im Beispiel der zonalen Windkomponente in Abb. 3 für das Jahresmittel auf der Nordhemisphäre dargestellt ist. Man erkennt, daß etwa nördlich des 30. Breitengrades in allen Höhen ein Westwind vorhanden ist (Westwinddrift), während südlich davon, besonders im unteren Teil der Troposphäre, Ostwinde vorherrschen. Die maximalen Geschwindigkeiten (etwa 25 m/s) findet man im Bereich des Strahlstroms, der sich als abgeschlossenes Windmaximum zeigt. Die prinzipielle Verteilung der zonalen Windgeschwindigkeit ändert sich nur wenig im Verlauf des Jahres. Es treten in den Wintermonaten aber höhere maximale Windgeschwindigkeiten auf (40 m/s) als in den Sommermonaten (20 m/s). Die beobachtete Verteilung der Zonalwinde läßt sich mit der mittleren Temperaturverteilung und der typischen Bodendruckverteilung über die Beziehung für den thermischen Wind und den geostrophischen Wind erklären. Im Vergleich zur zonalen Windgeschwindigkeit, die 10 m/s und mehr beträgt ( Abb. 3 ), sind die meridionale und die vertikale Windkomponente wesentlich schwächer ausgeprägt. So betragen die meridionalen Windgeschwindigkeiten im zonalen Mittel weniger als 2 m/s, während die Vertikalgeschwindigkeiten meist nur im Bereich von wenigen cm/s liegen. Die Darstellung der letztgenannten Windkomponenten erfolgt häufig in Form einer Meridionalzirkulation, wie in Abb. 4 am Beispiel der Nordhemisphäre dargestellt. Man beobachtet dabei eine dreizellige Struktur. Zwischen den äquatornahen Gebieten und dem Subtropenhoch stellt sich eine Vertikalzirkulation ein, mit aufsteigender Luft am Äquator und absinkender Luft im Bereich des Subtropenhochs bei etwa 30º Breite. Im unteren Teil der Atmosphäre ist die meridionale Strömung zum Äquator hin gerichtet. Zusammen mit der zonalen Windkomponente ( Abb. 3 ) bildet diese die Passate, eines der beständigsten Windsysteme der Atmosphäre. Im Bereich der Tropopause erfolgt eine Meridionalströmung in Richtung der mittleren Breiten. Die Meridonalzirkulation zwischen Äquator und Subtropenhoch wird nach dem englischen Meteorologen G. Hadley heute als Hadley-Zirkulation bezeichnet. Wie aus Abb. 4 ersichtlich, existiert eine Zirkulation mit gleichem Drehsinn auch zwischen etwa 60º Breite und den Polgebieten. Diese ist allerdings wesentlich schwächer ausgeprägt als die Hadley-Zirkulation und macht sich im Mittel durch die polaren Ostwinde im unteren Bereich der Atmosphäre bemerkbar. Zwischen diesen beiden Zirkulationen liegt eine Meridionalzirkulation mit umgekehrtem Drehsinn, d.h. im unteren Bereich erfolgt eine Meridionalströmung Richtung Pol und im Tropopausenbereich in Richtung Äquator. Diese Zirkulation zwischen dem Subtropenhoch und der polaren Tiefdruckrinne ist nur sehr schwach ausgeprägt und wird gelegentlich nach dem britischen Meteorologen Ferrel auch als Ferrel-Zelle (Ferrell-Zirkulation) bezeichnet. Die Dominanz von zonalen Windkomponenten läßt sich auf den Einfluß der Erdrotation über die Corioliskraft zurückführen. Prinzipiell würde die durch die Nettostrahlungsbilanz ( Abb. 1 ) hervorgerufene meridionale Temperatur- und Druckverteilung eine Art globale Hadley-Zelle erzeugen, mit überwiegend meridionalen Strömungskomponenten. Durch die Corioliskraft werden die Luftströmungen aber nach rechts von der Bewegungsrichtung abgelenkt (Nordhemisphäre, auf der Südhemisphäre nach links), so daß schließlich eine überwiegend in zonale Richtung orientierte Luftströmung erzwungen wird (geostrophischer Wind, thermischer Wind). Diese führt allerdings nur in den Gebieten zwischen Äquator und dem Subtropenhoch zu einer mehr oder weniger beständigen zonalen Strömung, den Passaten. In den mittleren Breiten findet man stattdessen zwar eine vorherrschende Westwindzone, die jedoch durch permanent entstehende und vergehende großräumige Tiefdruckwirbel und Hochdruckgebiete geprägt wird. Die Ursache dieser Wirbelbildung liegt in der baroklinen Instabilität in Folge starker meridionaler Temperaturgegensätze im Bereich der Polarfront, die zur Zyklogenese führt. Diese Zyklonen und Antizyklonen bewirken in den mittleren Breiten den zum Ausgleich der Strahlungsbilanz notwendigen polwärts gerichteten Wärmestrom. In den mittleren Breiten treten außerdem noch die planetarischen Wellen auf, die hauptsächlich durch die sich in Nord-Süd-Richtung erstreckenden Gebirgszüge wie Rocky Mountains oder Anden angeregt werden. In Abb. 5 und 6 (im Farbtafelteil) sind globale Luftdruck und Windverhältnisse dargestellt. Zonal gemittelte Temperatur- und Windgradienten der Abbildungen 2-4 werden hauptsächlich durch den Äquator-Pol-Kontrast der in Abb. 1 dargestellten Strahlungsbilanz bewirkt. Der Einfluß der geographischen Verteilung der Land und Wassermassen auf die allgemeine atmosphärische Zirkulation führt als eher sekundärer Effekt zu gewissen Modifikationen, z.B. in der Verteilung von Luftdruck und Lufttemperatur in Bodennähe. Als markante Abweichung von den bisher dargestellten Windverhältnissen ist der Monsun zu nennen, der durch die jahreszeitlich bedingte unterschiedliche Erwärmung der Luftmassen über dem asiatischen Kontinent verursacht wird. Als weitere markante Einzelerscheinung seien die tropischen Wirbelstürme (Hurrikan, Taifun) genannt, die in den Sommermonaten der jeweiligen Hemisphäre im Bereich der Tropen und Subtropen entstehen. Zu den großräumigen Windsystemen zählt auch die im Bereich der tropischen Ozeane auftretende Walker-Zirkulation, die im Gegensatz zur Hadley-Zirkulation eine Zonalzirkulation darstellt. Diese wird auch als southern oscillation bezeichnet und steht in engem Zusammenhang mit dem in den letzten Jahren hochaktuellen Phänomen El-Niño. [DE]
Literatur: [1] GROTJAHN, R. (1993): Global Atmospheric Circulations: Observations and Theory. Oxford University Press. – Oxford. [2] JAMES, J. (1994): Introduction to Circulating Atmospheres. Cambridge University Press. – Cambridge. [3] PEIXOTO, J. P. & OORT, A. H. (1992): Physics of Climate. American Institute of Physics. – New York.
allgemeine atmosphärische Zirkulation 1: Mittlere jährliche Strahlungsverhältnisse in Abhängigkeit von der geographischen Breite. KW = kurzwellige solare Einstrahlung in W/m2, LW = langwellige Ausstrahlung in W/m2, + = Strahlungsüberschuß, – = Strahlungsdefizit. allgemeine atmosphärische Zirkulation 1:
allgemeine atmosphärische Zirkulation 2: Jahresmittel der Lufttemperatur in ºC für die Nordhemisphäre in einem Meridionalschnitt. allgemeine atmosphärische Zirkulation 2:
allgemeine atmosphärische Zirkulation 3: Jahresmittel der zonalen Windgeschwindigkeit in m/s in einem Meridionalschnitt für die Nordhemisphäre. Positive Werte = Westwinde; negative Werte = Ostwinde. allgemeine atmosphärische Zirkulation 3:
allgemeine atmosphärische Zirkulation 4: Mittlere jährliche Meridionalzirkulation (relative Einheiten) auf der Nordhemisphäre. Die Pfeile geben die Richtung der Zirkulation an. Die ausgeprägte Zirkulation zwischen dem Äquator und 25ºN wird als Hadley-Zelle bezeichnet. allgemeine atmosphärische Zirkulation 4:
allgemeine atmosphärische Zirkulation 5: Verteilung von Luftdruck und Windverhältnissen im Januar. allgemeine atmosphärische Zirkulation 5:
allgemeine atmosphärische Zirkulation 6: Verteilung von Luftdruck und Windverhältnissen im Juli. allgemeine atmosphärische Zirkulation 6:
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