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Lexikon der Neurowissenschaft: Kaliumkanäle

Kaliumkanäle, K+-Kanäle, Kaliumionenkanäle, E potassium channels, Transmembran-Glykoproteine, deren wäßrige Poren für K+ (Kalium), aber auch für andere kleine Kationen permeabel sind (Tl+ > K+ > Rb+ > NH4+ >> Na+). Kaliumkanäle bilden die komplexeste Gruppe der Ionenkanäle ( siehe Tab. ). Sie können entweder spannungsabhängig, über freie cytosolische Ca2+-Ionen oder über einen Liganden aktiviert werden. Dadurch kommt es zu einem Kaliumstrom entlang des Kaliumkonzentrationsgradienten, d.h. meistens zu einem Ausstrom von K+ aus der Zelle und damit zu einer Hyperpolarisation der Membran. – Die ausschließlich spannungsabhängigen Kaliumionenkanäle (Kv-Kanäle) werden gemäß ihrer biophysikalischen Eigenschaften in drei Gruppen unterteilt: 1) Der sogenannte A-Kanal wird vorübergehend aktiviert und ist auswärts gleichrichtend. Dies bedeutet, daß unter physiologischen Bedingungen K+ nur von innen nach außen fließen kann. In erregbaren Zellen (Nervenzellen, Muskel- und sekretorische Zellen) wird durch die Aktivierung der A-Kanäle die Dauer eines Aktionspotentials limitiert und die Membran repolarisiert. Auf diese Weise tragen die Kanäle zur Kontrolle der Frequenz der Aktionspotentiale bei. Da ihre Aktivierungsschwelle nahe dem Ruhepotential der meisten Zellen liegt, werden sie bereits bei kleinen Depolarisationen aktiviert, jedoch ebenfalls sehr schnell deaktiviert (Öffnungszeit < 100 ms). 2) Bei einer stärkeren Depolarisation der Zellmembran werden zudem die verzögert gleichrichtenden K+-Kanäle (E delayed rectifiers) aktiviert. Die Aktivierung tritt im Vergleich zum A-Kanal verzögert auf, und auch bei langanhaltenden Depolarisationen wird nur eine langsame Inaktivierung beobachtet. Diese Kanaltypen tragen zur Repolarisation bei und inaktivieren erst bei Erreichen des Ruhemembranpotentials. Man unterscheidet den schnellen verzögert gleichrichtenden K+-Kanal (E rapid delayed rectifier) und den langsamen verzögert gleichrichtenden K+-Kanal (E slow delayed rectifier), wobei letzterer eine besonders langsame Aktivierung und Inaktivierung sowie eine sehr geringe Leitfähigkeit aufweist. 3) Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Klassen wird der einwärts gleichrichtende K+-Kanal (E inward rectifier, anomalous rectifier) bei einem Membranpotential, das negativer als das Kalium-Gleichgewichtspotential (ca. -90 mV) ist, aktiviert, was zu einem K+-Einstrom führt. Sobald das Membranpotential positivere Werte annimmt, wird der Auswärtsstrom über intrazelluläre Mg2+-Ionen unidirektional blockiert. Die Funktion dieser K+-Kanäle ist die Stabilisierung des Ruhemembranpotentials nahe dem K+-Gleichgewichtspotential. Eine Untergruppe wird zusätzlich über ATP bzw. ein G-Protein kontrolliert. Neben diesen drei Hauptgruppen existiert im sarkoplasmatischen Reticulum des Muskels (Muskulatur) ein stark spannungsabhängiger K+-Kanal, der jedoch nur eine geringe Selektivität für K+- bzw. Na+-Ionen aufweist. – Die Klasse der Ca2+-abhängigen Kaliumionenkanäle wird über freie, intrazelluläre Ca2+-Ionen bei Konzentrationen im millimolaren Bereich aktiviert. Diese Kanäle sind zusätzlich spannungsabhängig und haben eine den verzögert gleichrichtenden K+-Kanälen entsprechende Kinetik. Sie treten vor allem in erregbaren Zellen mit vorübergehend hohen intrazellulären Ca2+-Konzentrationen auf und tragen in Neuronen zur Nachhyperpolarisation bei. Gemäß ihrer Leitfähigkeit werden sie in drei Gruppen (high, intermediate und small conductance Ca2+-sensitive K+-channels) unterteilt. – Zur Klasse der ligandengesteuerten Kaliumionenkanäle gehören die sogenannten M-Kanäle, welche von intrazellulären Liganden über second messenger-gekoppelte Rezeptoren via G-Proteine aktiviert werden (second messenger-gesteuerte Ionenkanäle). Sie weisen zusätzlich eine Spannungsabhängigkeit sowie eine langsame Aktivierung und eine geringe Inaktivierungsrate auf. Über ihre Regulation ist bisher wenig bekannt. Daneben existiert ein über muscarinische Acetylcholinrezeptoren aktivierter, einwärts gleichrichtender K+-Kanal am Atrium des Herzens, der direkt über PIP2 (ein Produkt des Inositoltriphosphatzyklus) aktiviert wird. ATP-abhängige K+-Kanäle werden durch ATP inaktiviert, wohingegen Dinucleotide fazilitierend wirken. Sie sind einwärts gleichrichtend und pH-sensitiv. Ihre Dichte in der Zellmembran ist vergleichsweise hoch, wobei der größte Teil stets inaktiviert vorliegt. Als Funktion wird die Aufrechterhaltung der tonischen K+-Leitfähigkeit nahe des Ruhemembranpotentials postuliert. Das bekannteste Beispiel für ihr Vorkommen ist die Kontrolle der Insulinfreisetzung in den β-Zellen der Bauchspeicheldrüse (Insulin). In den letzten Jahren wurden zudem am Herzmuskel ein Na+-aktivierter, spannungsunabhängiger Kanal sowie ein Zellvolumen-sensitiver K+-Kanal beschrieben. – K+-Kanäle bestehen aus jeweils einer transmembranständigen α-Untereinheit und einer zur cytosolischen Seite gelegenen β-Untereinheit. Bei A-, verzögert gleichrichtenden und Ca2+-abhängigen K+-Kanälen besteht die α-Untereinheit aus vier weiteren, unabhängigen Untereinheiten, die sich zu einem ringförmig angeordneten Homo- oder Heteromer zusammenschließen können. Die Aminosäuresequenzanalyse läßt auf sechs α-helikale transmembranäre Abschnitte (TM) schließen. Man geht davon aus, daß alle vier Untereinheiten mit dem Abschnitt zwischen TM 5 und 6 zur Bildung der Kanalpore beitragen. In diesem Bereich findet sich zudem eine Glykosylierungsstelle. Der Spannungssensor (E gating charge), dessen Konformationsänderung bei entsprechender Änderung des elektrischen Feldes über die Zellmembran zur Kanalöffnung führt, ist in TM 4 angesiedelt. Die Struktur dieser Kanäle ist analog zu spannungsabhängigen Natriumkanälen und Calciumkanälen, deren α-Untereinheiten allerdings nur aus einem Protein mit vier identischen internen Wiederholungen bestehen. Aufgrund der großen Anzahl beschriebener Untereinheiten ergeben sich bei K+-Kanälen theoretisch Tausende von Kombinationsmöglichkeiten. Die molekularbiologische Klassifizierung der Proteine der α-Untereinheit erfolgt in Analogie für die bei Drosophila melanogaster beschriebenen Genfamilien Shaker, Shawl, Shal, Shab und Slowpoke. Bei den A-Kanälen befindet sich am N-terminalen Ende der Proteinsequenz eine zusätzliche, intrazellulär gelegene Domäne mit positiv geladenen Aminosäureresten. Im Offen-Zustand (E open state) des Kanals kann diese Domäne in die innere Kanalöffnung hineinklappen und wie mit einem Korken verschließen. Dies führt zur Inaktivierung, nicht aber zum Schließen des Kanals. Beim Verlassen der Öffnung geht der Kanal in den Offen-Zustand über und wird wieder permeabel. In Xenopus-Oocyten führt eine Expression ausschließlich von α-Untereinheiten des A-Kanal-Typs zu funktionsfähigen K+-Kanälen. Im Gegensatz zur unveränderten Aktivierungskinetik ist hier die Inaktivierung jedoch über 100fach verlangsamt. Bei einer Co-Expression mit der entsprechenden β-Untereinheit entstehen andererseits K+-Kanäle mit einer für den A-Strom typischen Kinetik. Bei den bisher identifizierten β-Untereinheiten bestimmt die Länge des N-terminalen Endes die Geschwindigkeit der Inaktivierung des K+-Kanals. Daher scheint die β-Untereinheit für die Kinetik eines Kanals entscheidend zu sein. Eine Ausnahmestellung nimmt der high conductance Ca2+-sensitive K+-channel ein, der über sieben transmembranäre Abschnitte der α-Untereinheiten und eine transmembranäre β-Untereinheit verfügt. Bei ligandenaktivierten K+-Kanälen besteht die α-Untereinheit, soweit bekannt, aus einem Heteromultimer von Untereinheiten. Eine eigene Familie bilden die einwärts gleichrichtenden und ATP-abhängigen K+-Kanäle, bei denen die α-Untereinheit aus einem Homo- oder Heteromultimer mit nur jeweils zwei transmembranären Abschnitten besteht.

D.S./J.W.

Sogenannte K(h)-Kanäle (h = Abk. von Hyperpolarisations-aktiviert) leiten Na+ ebenso gut wie K+, sind also eigentlich eher unselektiv kationische Kanäle. Beschrieben wurden sie in Photorezeptoren, zentralen Neuronen und Schrittmacherzellen des Herzens. Ströme durch diese Kanäle (Ih) aktivieren langsam und lassen sich durch extrazelluläres Cs+ blockieren. Da K(h)-Kanäle einen kationischen Einwärtsstrom zulassen, vermittelt ihr Öffnen einen excitatorischen Effekt. In Photorezeptoren wirken sie z.B. dem stark hyperpolarisierenden Einfluß von hellem Licht entgegen. In Schrittmacherzellen des Herzens werden sie durch die Nachhyperpolarisation des Aktionspotentials aktiviert und tragen zur anschließenden langsamen Depolarisation der Zellmembran bei, die dann, nach Erreichen des Schwellenpotentials für spannungssensitive Na+-Kanäle (Natriumkanäle), in ein neues Aktionspotential mündet.

Kaliumkanäle

K+-Kanal-Klasse Abk. Blocker identifizierte Genfamilien der α-Untereinheit
A-Kanal KA α-Dendrotoxin Kv1, Kv2, Kv3, Kv4
verzögert gleichrichtender K+-Kanal KV β-Dendrotoxin Kv1, Kv2, Kv3, Kv4
schneller verzögert gleichrichtender K+-Kanal KV(r) Dofetilid Kv1, Kv2, Kv3, Kv4
langsamer verzögert gleichrichtender K+-Kanal KV(s) LY97241
Kv1, Kv2, Kv3, Kv4
Kanal im sarkoplasmatischen
Reticulum
KSR Decamethonium Kv1, Kv2, Kv3, Kv4
high conductance Ca2+-sensitive channel BKCA Iberiotoxin SK
intermediate conductance Ca2+-
sensitive channel
IKCA Ceteidil SK
small conductance Ca2+-sensitive channel SKCA UCL1684 SK
M-Kanal KM Linopirdin KCNQ2, KCNQ3
atrialer Muscarin-aktivierter Kanal KACh Ba2+ Kir3
einwärts gleichrichtender Kanal KIR Gift der Gabunviper Kir1, Kir2
ATP-sensitiver Kanal KATP Glibenclamid Kir6, SUR
Na+-aktivierter Kanal KNA Ba2+ unbekannt
Zellvolumen-sensitiver Kanal KVol Chinidin unbekannt

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