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Lexikon der Neurowissenschaft: Lernen

Lernen s, E learning, das Speichern von individuell und selektiv erworbenen Informationen aus der Umwelt im Gedächtnis in abrufbarer Form ( siehe Zusatzinfo 1 ); zeigt sich in einem mehr oder weniger lange anhaltenden, veränderten Verhalten, abhängig von früheren Erfahrungen. Lernen basiert auf einer spezifischen Verstärkung bestimmter Nervenzellen im Zentralnervensystem, und zwar einer erleichterten Signalübertragung an den Synapsen durch biochemische und strukturelle Modifikationen (Langzeitpotenzierung, synaptische Plastizität). Details dieser Vorgänge sind bei unterschiedlichen Organismen zwar verschieden, auf der molekularen und cytologischen Ebene besteht jedoch große Einheitlichkeit. Lernen ist sowohl ein Prozeß (Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung), als auch ein Produkt (die Disposition, künftiges Verhalten an den gemachten Erfahrungen zu orientieren und evtl. zu modifizieren oder zu unterlassen). Dies ermöglicht eine flexiblere Reaktion auf Umweltreize und -veränderungen (Adaptation) sowie eine aktive Einflußnahme – sowohl in der Individualgeschichte als auch im Lauf der Evolution. Der Abruf der gelernten Informationen wird auch als Leistung (Performance) bezeichnet. Sie kann mit Hilfe von Lernkurven gemessen werden. Lernen steht im Kontrast zu einer Reifung des Verhaltens, das durch Änderungen von Organen oder der inneren (z.B. hormonellen) und äußeren Bedingungen determiniert wird. Es wird unterschieden zwischen dem obligatorischen Lernen, das zur Ausbildung arttypischer Verhaltensmerkmale nötig ist (z.B. die Sexualprägung bei vielen Vögeln), und dem fakultativen Lernen, das abhängig von den Randbedingungen fallweise auftritt (z.B. das Erkennen des eigenen Geschlechtspartners). Angeborene Dispositionen stehen nicht im völligen Gegensatz zum Lernen bzw. dem Einfluß der Umwelt, sondern sind deren Voraussetzung. Bei höheren Säugetieren werden die Möglichkeiten des Lernens durch Spiel-, Erkundungs- und Neugierverhalten insbesondere vor der Adoleszenz gefördert. Besonders beim Spielen werden Verhaltensweisen eingübt, die erst viel später relevant und realisiert werden (latentes Lernen). – Lernen wurde zunächst als Ausbildung von Reiz-Reaktions-Verbindungen beschrieben, später wurden auch positive und negative Auswirkungen des Verhaltens und deren Rückwirkung auf künftiges Verhalten berücksichtigt, also ein Lernen am Erfolg (Thorndike) bzw. instrumentelles Lernen (Skinner). Im Rahmen der kognitiven Lerntheorien wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jh. neben den äußeren Bedingungen auch die inneren Repräsentationen der Umwelt sowie weitere kognitive Operationen berücksichtigt, d.h. Wahrnehmung, Denken, Vorstellung, Sprache, Bewußtsein usw. (Kognition).
Formen des Lernens: 1) Prägung ist ein artspezifisch bedeutsamer Informationserwerb während einer sensiblen Entwicklungsphase. Er bedingt irreversible Reaktionen, die z.B. das Individuum befähigen, sehr ähnliche Merkmalsgestaltungen dauerhaft wiederzuerkennen und darauf mit gleichartigem Verhalten zu reagieren. Grundlage für Prägungsvorgänge sind die Ausbildung fester neuronaler Verschaltungen im noch nicht ausgereiften Gehirn (Plastizität im Nervensystem). 2) Habituation (Gewöhnung, Ermüdung, negatives Lernen, afferente Drosselung) besteht im langsamen Nachlassen einer durch einen Reiz ausgelösten Reaktion. Bei dieser einfachsten Form des Lernens können harmlose, stereotype Reize ohne Neuigkeitswert ignoriert werden. Habituation führt auf zellulärer Ebene zu einer verringerten Effektivität synaptischer Verbindungen: Die Aktionspotentiale in den sensorischen Neuronen setzen aufgrund eines reduzierten präsynaptischen Calcium-Einstroms immer weniger Neurotransmitter frei, so daß das synaptische Potential der nachgeschalteten Zelle, ein Maß für die synaptische Stärke, abnimmt. 3) Sensitivierung (Sensibilisierung) besteht in einer Verstärkung der Reaktion auf stereotype schädliche oder bedrohliche, aber auch auf viele andere, neutrale Reize. Dadurch kann z.B. die Alarmbereitschaft gegenüber Gefahrenquellen erhöht werden. Die Sensitivierung ist komplexer als die Habituation und kann diese auch außer Kraft setzen (Dishabituation, Extinktion). Bei der Sensitivierung können Synapsen, die bei der Habituation geschwächt werden, in ihrer Effektivität verstärkt werden. Dabei werden erregende Interneurone dazu veranlaßt, die Transmitterausschüttung sensorischer Neuronen zu erhöhen (Kurzzeitverstärkung). Dies geschieht auf verschiedene Weisen, z.B. durch Aktivierung von Proteinkinase A (die den präsynaptischen Kalium-Einstrom verringert und den Calcium-Einstrom erhöht), Proteinkinase C sowie Interaktionen mit MAP-Kinasen (Signaltransduktion). Die Langzeitverstärkung (Langzeitgedächtnis) wirkt über mehrere Tage und länger. Sie beruht auf der Aktivierung von Genen, der Synthese neuer Proteine und der Ausbildung neuer Synapsen. Langzeithabituation führt dagegen zum Verlust (E pruning) von Synapsen, pro Neuron um bis zu einem Drittel. 4) Klassische Konditionierung (Signallernen, reaktives Lernen, Reiz-Reaktions-Lernen) besteht im Gegensatz zur Habituation und Sensitivierung, bei der das Individuum nur etwas über die Eigenschaften eines einzigen Reizes lernt, in der Verknüpfung zweier Reize (Assoziation). Dabei wird ein zunächst neutraler, d.h. bedingter oder konditionierter Reiz (KS), z.B. ein Glockenton, mit einem zweiten, einige Zeit lang regelmäßig nachfolgenden, natürlichen unbedingten oder unkonditionierten Reiz (UKS) assoziiert, der eine bedingte Reaktion auslöst (die ein bedingter Reflex sein kann, z.B. ein angeborener Schutzmechanismus wie der Lidschlußreflex, aber nicht muß). Z.B. erfolgt auf die Darbietung von Nahrung bei Hunden eine Speichelsekretion, nach Konditionierung löst der bedingte Reiz allein die Reaktion aus, d.h., der Hund reagiert schon auf den Glockenton mit Speichelfluß, weil er gelernt hat, daß er demnächst Nahrung erhält. Je nach Versuchsbedingungen (z.B. Tonhöhen, differenzielle Belohnungen) geht die Konditionierung mit einer Reiz-Generalisierung oder einer Reiz-Differenzierung (Diskrimination) einher. Die wiederholte Assoziation heißt Bekräftigung (zuweilen auch Verstärkung). Bleibt der UKS längere Zeit aus, verschwindet die bedingte Reaktion wieder (Löschung, Extinktion). Inzwischen ist der streng behavioristische Ansatz insofern erweitert worden, als unter Reizen nicht mehr nur physiko-chemische Außenweltereignisse, sondern auch Vorstellungen verstanden werden, und Reaktionen nicht nur ein Verhalten, sondern auch ein inneres Erleben umfassen. So kann z.B. schon die Vorstellung einer (zuvor erfahrenen) Gefahr Angst auslösen. Die neuronalen Mechanismen der Konditionierung sind bereits recht gut verstanden ( siehe Zusatzinfo 2 ). Als paradigmatisch hat sich bei Säugetieren die Langzeitpotenzierung erwiesen. 5) Instrumentelles Lernen (operante Konditionierung,Lernen durch Versuch und Irrtum) besteht in der Assoziation bestimmter Reize mit einer Reaktion, d.h. einem instrumentellen Verhalten, dessen Auswirkungen (Konsequenzen) die Wahrscheinlichkeit seines künftigen Auftretens bestimmen. Das Verhalten ist also ein Mittel (Instrument), das eine bestimmte Konsequenz hervorruft. Werden Tiere in eine Problemsituation gebracht, die sie zufällig oder durch Ausprobieren lösen, wird die erfolgreiche Verhaltensweise in denselben oder ähnlichen Problemsituationen beibehalten bzw. bald prompt erneut angewandt (Lernen am Erfolg). Wird nicht abgewartet, bis die Versuchstiere zufällig eine gewünschte Verhaltensweise zeigen, sondern jede minimale Verhaltensänderung in Richtung auf das gewünschte Endverhalten gleich verstärkt, z.B. in einer Skinner-Box, erfolgt das Lernen wesentlich schneller (instrumentelle bzw. operante Konditionierung). Nach diesem Prinzip erfolgen auch viele Tierdressuren. Hier wird nicht das Antwortverhalten wie beim Reiz-Reaktions-Lernen, sondern das Wirkverhalten konditioniert, bei dem das Tier von sich aus die Umwelt zu beeinflussen versucht. Instrumentelles Lernen führt zur Ausbildung von Gewohnheiten. Es ist routinemäßig, motiviert und zielgerichtet, aber eng an bestimmte Situationen gebunden und deswegen relativ starr. Je nach Konsequenz werden verschiedene Formen des instrumentellen Lernens unterschieden: positive und negative Verstärkung, die zum Aufbau des Verhaltens führen, sowie Bestrafung und Löschung, die zum Abbau des Verhaltens führen ( siehe Zusatzinfo 3siehe Tab. . Strafen haben Verbotscharakter: Sie sind repressiv und zielen vorrangig auf das Unterlassen eines Verhaltens, nicht auf eine Verstärkung, die Gebotscharakter hat. Verhalten wird durch Strafe oder deren Androhung nicht aufgebaut, da man für etwas, das man nicht tut, auch nicht bestraft werden kann. Man kann aber unter bestimmten Bedingungen gezwungen werden, z.B. ein Verhalten zu unterlassen. Allerdings sind Strafen häufig nicht effektiv, da sie das Verhalten meistens nur unterdrücken. Es tritt wieder auf, wenn es ungestraft ausgeführt werden kann (von unerwünschten Nebenwirkungen bis hin zu Angststörungen ganz abgesehen): "Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch." Komplexe Lernsituationen sind häufig von Konflikten geprägt. Unterschieden wird zwischen Appetenz-Appetenz-Konflikten (z.B. der Wahl zwischen einem guten Buch und einem guten Kinofilm), Appetenz-Aversions-Konflikten (z.B. wird für die Ausführung einer unangenehmen Tätigkeit eine Belohnung versprochen) und Aversions-Aversions-Konflikten (unangenehme Tätigkeiten werden durch Androhung noch unangenehmere Maßnahmen erzwungen).

; siehe Tab. ). 6) Nachahmungslernen (Imitationslernen, Beobachtungslernen, Modell-Lernen) basiert auf der Beobachtung des Verhaltens anderer Individuen. Sind dessen Konsequenzen vorteilhaft (stellvertretende Verstärkung), wird es teilweise ins eigene Verhaltensrepertoire aufgenommen oder führt zu dessen Modifikation. Als Grundlage für soziales Lernen ist Nachahmungslernen eine essentielle Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung von Kultur. 7) Kognitives Lernen ( siehe Zusatzinfo 4 ) basiert auf Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstverstärkung, einem gedanklichen Durchspielen von Verhaltensformen und der Einsicht in Funktionszusammenhänge, Mechanismen, Gesetzmäßigkeiten, Konsequenzen usw. Charakteristisch dafür ist eine zielgerichtete Neukombination von Verhaltenselementen ohne vorherige Erfahrung. 8) Implizites Lernenvollzieht sich ohne Bewußtsein und wird auch bei Defekten des expliziten Gedächtnisses (anterograde Amnesie) nicht beeinträchtigt. Beispiele hierfür sind Priming, Wahrnehmungslernen, motorisches Lernen und Gewohnheiten. 9) Maschinelles Lernen: Mit Computermodellen (neuronale Netze, künstliche Intelligenz) können Teile der zentralnervösen Leistungen simuliert werden. Dabei lassen sich verschiedene Lernregeln und Verschaltungs-Architekturen studieren sowie emergente Eigenschaften von Nervengewebe demonstrieren, die sich trotz einer genauen Kenntnis von Schaltplänen und Lernregeln nicht voraussagen oder in allen Einzelheiten nachvollziehen lassen.

R.V.

Lit.: Alkon, D.: Memory Traces in the Brain. Cambridge 1987. Bandura, A.: Sozial-kognitive Lerntheorie. Stuttgart 1979. Bower, G.H., Hilgard, E.R.: Theories of learning. Englewood Cliffs 1981, 5. Aufl. Edelmann, W.: Lernpsychologie. Weinheim 1996, 5. Aufl. Gallistel, C.R.: The Organization of Learning. Cambridge 1990. Hassenstein, B.: Instinkt, Lernen, Spielen, Einsicht. München 1980. Rahmann, H. u. M.: Das Gedächtnis. München 1988. Rensch, B.: Gedächtnis, Begriffsbildung und Planhandlungen bei Tieren. Berlin, Hamburg 1973. Squire, L.R., Kandel, E.R.: Gedächtnis. Heidelberg, Berlin 1999. Vaas, R.: Neurobiologische Grundlagen des Gedächtnisses. Futura 9, 196-209 (1994). Zeiler, M.D., Harzem, P. (Hrsg.): Biological factors in learning. Chichester 1983.

Lernen

1 Gehirnaktivitäten bei Lernen und Gedächtnis:
Beim Lernen neuer Informationen sind jeweils andere Hirnregionen als beim späteren Abruf aktiv, was durch PET-Studien (Positronenemissionstomographie) gezeigt wurde. Beim Einprägen unbekannter Porträts wird bei Versuchspersonen der rechte mittlere Schläfenlappen aktiv, insbesondere der Hippocampus und die anliegenden Strukturen. Außerdem erhöht sich der Stoffwechsel in der mittleren und unteren Windung des linken Frontallappens sowie im darunter liegenden vorderen Gyrus cinguli. Als die Versuchspersonen frühestens 15 Minuten nach den jeweils einmal gezeigten Fotos entscheiden mußten, welche der Gesichter sie von einer neuen Porträtserie wiedererkannten, war der rechte Hippocampus nicht mehr aktiv. Daher dient er beim Menschen nicht als Ort der Zwischenspeicherung und ist für den Abruf bekannter Informationen nicht notwendig, sondern scheint vielmehr eine Art Tor zum Langzeitgedächtnis darzustellen, das beim Einprägen neuer Informationen in der Großhirnrinde und den nachfolgenden Stabilisierungsprozessen eine Rolle spielt. Bei dem Wiedererkennungstest zeigten die PET-Scans außerdem erhöhte Aktivitäten in der mittleren und unteren Windung des rechten Frontallappens, im vorderen Gyrus cinguli und in beiden unteren Regionen des Hinterhauptslappens sowie im Kleinhirn. Viele Regionen, die bei dem Lernvorgang beteiligt sind, werden bei der Wiedererkennung also nicht aktiviert. Erinnerungsvorgänge rekapitulieren demnach nicht einfach die Encodierung, sondern sind überwiegend an andere Hirnregionen gebunden. Außerdem zeigte sich, daß der linke Frontallappen überwiegend an der Speicherung neuer Informationen, das rechte jedoch an ihrem Abruf beteiligt ist.

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2 Bei Aplysia konnte gezeigt werden, daß nach einer Konditionierung (schwacher elektrischer Schlag auf den Siphon oder Berührung als bedingter Reiz [KS], stärkerer Elektroschock auf den Schwanz als unbedingter Reiz [UKS], so daß der Schwanz bald eingezogen wird, wenn die Schnecke nur den KS spürt) die sensorischen Neurone noch mehr Transmitter freisetzen als nach einer Sensitivierung. Diese aktivitätsabhängige Verstärkung vollzieht sich über die Erregung von Interneuronen und eine erhöhte Ausschüttung von Serotonin. Dabei sind eine prä- und eine postsynaptische Komponente zu unterscheiden: 1) Die in die Präsynapse nach dem KS einströmenden Calciumionen wirken nicht nur direkt auf die Transmitterausschüttung, sondern binden auch an Calmodulin, das sich an die Adenylatcyclase anlagert. Diese ist dann über Serotonin, das durch den UKS ausgeschüttet wird, leichter aktivierbar. Dadurch wird bei der Konditionierung mehr cAMP erzeugt als bei der Sensitivierung. Es kommt zu einer Aktivierung der Proteinkinase A (PKA) und einem Verschluß der Kaliumkanäle, so daß die Depolarisation durch eintreffende Aktionspotentiale verlängert wird, mehr Calcium in die Zelle einströmt und sich die Transmitterfreisetzung erhöht. 2) Der von der Präsynapse freigesetzte Transmitter Glutamat kann zwei Typen von ionotropen Rezeptoren aktivieren: unter normalen Umständen nur einen konventionellen, Calcium-undurchlässigen Glutamatrezeptor, aber bei einer Kopplung von KS und UKS auch einen NMDA-Rezeptorkanal. Dann nämlich ist die postsynaptische Membran durch die Aktionspotentiale schon depolarisiert. Dadurch wird der NMDA-Rezeptor bei Glutamat-Bindung durchlässig für Natrium- und Calciumionen, weil das Magnesiumion, das den Kanal blockiert, freigesetzt wird (vgl. Langzeitpotenzierung, Abb.). Der Calcium-Einstrom setzt in der postsynaptischen Zelle mehrere molekulare Schritte in Gang, wodurch unter anderem ein retrograder Botenstoff erzeugt wird, der auf die präsynaptische Zelle zurückwirkt und deren Transmitterausschüttung erhöht. Die Assoziation erfolgt also durch zwei Mechanismen: präsynaptisch über die leichtere Aktivierung der Adenylatcyclase, postsynaptisch über die Öffnung der NMDA-Kanäle. Diese Mechanismen sind nicht auf Aplysia beschränkt, sondern auch bei Insekten und Wirbeltieren nachgewiesen. Der Übergang vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis (Konsolidierung) erfolgt über Genaktivierung. Dies ist bei wiederholten Serotonin-Impulsen der Fall, was erklärt, warum längerfristiges Lernen wiederholtes Training erfordert. Bei Aplysia ist die Phosphorylierung des Transkriptionsfaktors CREB-1, der Gene anschaltet, für die Langzeitverstärkung hinreichend. Über MAP-Kinasen kommt es zu einer Aktivierung von CREB-2, das CREB-1 hemmt und die Langzeitverstärkung unterbindet. Dies ermöglicht eine zusätzliche Regulation der Gedächtnisbildung. – Ein anderer biochemischer Mechanismus der assoziativen Gedächtnisbildung, der bei Konditionierungsexperimenten sowohl bei Schnecken als auch bei Säugetieren wirksam ist, besteht in der Diacylglycerol-abhängigen Aktivierung von Proteinkinasen, wodurch bei der Verknüpfung zweier Reize die entsprechende Zelle leichter erregbar wird. Längerfristig zieht dies ebenfalls morphologische Änderungen nach sich.

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3 Eine positive Verstärkung kann kontinuierlich oder intermittierend (gelegentlich) erfolgen. Sie besteht in der Darbietung einer angenehmen Konsequenz und erhöht die Häufigkeit oder Intensität eines Verhaltens. Ist die Zeit zwischen Verhalten und Verstärkung zu lang (z.B. über 5-30 Sekunden), kann der Lerneffekt im Tierversuch unterbleiben. Durch Verstärkung lassen sich ganze Verhaltensketten konditionieren (Verhaltensformung). Die negative Verstärkung besteht im Entzug einer aversiven Konsequenz (z.B. Lärm, Kälte, Angst, Schmerz; Aversion). Dieses instrumentelle Lernen äußert sich als Fluchtlernen (Flucht- und Abschaltverhalten) oder als Vermeidungslernen (Ausweich- und Vorbeugungsverhalten). Negative Verstärkung ist von der Bestrafung zu unterschieden, die immer zu einer Schwächung oder Unterdrückung eines Verhaltens führt. Dies geschieht durch Darbietung unangenehmer Konsequenzen (positive Bestrafung) oder den Entzug angenehmer Ereignisse (negative Bestrafung). Hierzu siehe Tab. . Strafen haben Verbotscharakter: Sie sind repressiv und zielen vorrangig auf das Unterlassen eines Verhaltens, nicht auf eine Verstärkung, die Gebotscharakter hat. Verhalten wird durch Strafe oder deren Androhung nicht aufgebaut, da man für etwas, das man nicht tut, auch nicht bestraft werden kann. Man kann aber unter bestimmten Bedingungen gezwungen werden, z.B. ein Verhalten zu unterlassen. Allerdings sind Strafen häufig nicht effektiv, da sie das Verhalten meistens nur unterdrücken. Es tritt wieder auf, wenn es ungestraft ausgeführt werden kann (von unerwünschten Nebenwirkungen bis hin zu Angststörungen ganz abgesehen): "Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch." Komplexe Lernsituationen sind häufig von Konflikten geprägt. Unterschieden wird zwischen Appetenz-Appetenz-Konflikten (z.B. der Wahl zwischen einem guten Buch und einem guten Kinofilm), Appetenz-Aversions-Konflikten (z.B. wird für die Ausführung einer unangenehmen Tätigkeit eine Belohnung versprochen) und Aversions-Aversions-Konflikten (unangenehme Tätigkeiten werden durch Androhung noch unangenehmere Maßnahmen erzwungen).

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Konsequenzen des instrumentellen Lernens
( siehe Zusatzinfo 3siehe Tab. . Strafen haben Verbotscharakter: Sie sind repressiv und zielen vorrangig auf das Unterlassen eines Verhaltens, nicht auf eine Verstärkung, die Gebotscharakter hat. Verhalten wird durch Strafe oder deren Androhung nicht aufgebaut, da man für etwas, das man nicht tut, auch nicht bestraft werden kann. Man kann aber unter bestimmten Bedingungen gezwungen werden, z.B. ein Verhalten zu unterlassen. Allerdings sind Strafen häufig nicht effektiv, da sie das Verhalten meistens nur unterdrücken. Es tritt wieder auf, wenn es ungestraft ausgeführt werden kann (von unerwünschten Nebenwirkungen bis hin zu Angststörungen ganz abgesehen): "Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch." Komplexe Lernsituationen sind häufig von Konflikten geprägt. Unterschieden wird zwischen Appetenz-Appetenz-Konflikten (z.B. der Wahl zwischen einem guten Buch und einem guten Kinofilm), Appetenz-Aversions-Konflikten (z.B. wird für die Ausführung einer unangenehmen Tätigkeit eine Belohnung versprochen) und Aversions-Aversions-Konflikten (unangenehme Tätigkeiten werden durch Androhung noch unangenehmere Maßnahmen erzwungen).

; hierbei spielen auch Motivation und Situation eine Rolle)

Konsequenz Darbietung Entzug
angenehm positive Verstärkung negative Bestrafung
unangenehm positive Bestrafung negative Verstärkung
keine Extinktion Extinktion

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4 Kognitives Lernen(einsichtiges Lernen, E cognitive learning) ist ein Sammelbegriff für Lernvorgänge, die nicht nur auf der klassischen Konditionierung, dem instrumentellen Lernen und Nachahmungslernen basieren sowie von Motivation und Situation abhängen, sondern auch kognitive Komponenten (Denken) enthalten. Dies überschreitet den eingeschränkten Gültigkeitsbereich des Behaviorismus. Zentrale Elemente sind Selbstbeobachtung, Selbstbewertung, Selbstverstärkung, gedankliches Durchspielen von Verhaltensformen ("inneres Versuch-und-Irrtum-Lernen") und die Einsicht in Funktionszusammenhänge, Mechanismen, Gesetzmäßigkeiten, Konsequenzen usw. So können z.B. Schimpansen Kisten aufeinanderstapeln oder Stöcke zusammenstecken, um an eine anderweitig nicht erreichbare Banane zu gelangen, gedanklich Labyrinth-Aufgaben lösen oder eine Kette mehrerer sich gegenseitig ausschließender Wahlentscheidungen treffen, um zu einem Ziel zu gelangen. Charakteristisch für ein solches einsichtiges Lernen ist eine zielgerichtete Neukombination von Verhaltenselementen ohne vorherige Erfahrung. Je nachdem, wie explizit die Intentionen sind, kann hier bereits von Aktion gesprochen werden. – Sprachliches Lernen ist ein zentraler Bereich des kognitiven Lernens. Dazu gehört Wissen über Fertigkeiten (prozedurales Wissen), die mit zunehmender Übung immer weniger bewußt ablaufen (Automatisierung), z.B. multiplizieren zu können, aber hauptsächlich Wissen über Sachverhalte (deklaratives Wissen). Da Begriffe als wesentliche Bausteine des Wissens gelten, sind die Grenzen zwischen Begriffsbildung und Wissenserwerb fließend. Wissen besteht u.a. aus der Kombination von Begriffen sowie im Regellernen durch das Erfassen der Beziehung zwischen einzelnen Begriffen (z.B. "runde Dinge können rollen"). Dazu gehören auch kognitive Leistungen wie Transfer, Induktion und Deduktion. Zu unterscheiden ist zwischen Eigenschaftsbegriffen (Kategorien, Klassen), die über die Kombination kritischer, d.h. bedeutsamer Attribute oder über "ideale Vertreter" (Prototypen) subjektiv oder über Konventionen identifiziert werden, und Erklärungsbegriffen, die außer einer Kategorie noch eine Theorie im weitesten Sinn enthalten. Beispielsweise beschreibt "totale Mondfinsternis" als Eigenschaftsbegriff das Phänomen, während beim gleichnamigen Erklärungsbegriff im Hintergrund steht, daß der Mond sich durch den Kernschatten der Erde bewegt, die zwischen Mond und Sonne steht. – Durch Mehrfachcodierung und spezielle Lerntechniken kann der Lernerfolg gesteigert werden. Experimente mit höheren Wirbeltieren wiesen nach, daß sich diese beim Lernen, ähnlich wie der Mensch, nicht jedes einzelne Detail der präsentierten Charakteristika merken (Absolutlernen), sondern sich auf wesentliche Merkmale beschränken. Diese können sie selbst dann noch wiedererkennen, wenn nur einzelne markante Komponenten gezeigt werden. Auch Tiere besitzen demnach die Fähigkeit zur Abstraktion (von den Besonderheiten der Einzelfälle), Generalisation (Verallgemeinerung gemeinsamer Eigenschaften) und Extrapolation (Folgerungen bezogen auf ähnliche Fälle und künftige Situationen). Für solche kognitiven Leistungen sind Begriffe wesentlich. So können z.B. Affen und Tauben Begriffe wie Gleichheit, Ungleichheit und Zahlen erlernen bzw. in Experimenten demonstrieren. Die Begriffe müssen nicht notwendig an Sprache gebunden sein und einen Namen haben; Tieren werden averbale Begriffe zugestanden. Zum kognitiven Lernen gehören auch analoge (bildhafte) und handlungsmäßige Repräsentationen von Wissen, die nicht sprachlich organisiert sind.

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