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Als Naturwissenschaftler halte ich es für eine Zumutung, dass dem genannten Artikel, der in einer wissenschaftlichen Zeitschrift ohnehin keinen Platz hat (Theologie betrachte ich als keine Wissenschaft, sondern als ein pseudowissenschaftliches Konstrukt), nicht wenigstens ein ebenso ausführlicher Aufsatz eines religionskritischen Wissenschaftlers gegenübergestellt wird. Das abgedruckte so genannte Streitgespräch der Herren Voland und Löffler kann einen solchen nicht ersetzen, da darin die grundsätzliche Unvereinbarkeit der beiden Weltanschauungen allenfalls gestreift, aber nicht ausdiskutiert wird.
Frau Aigner wird mit ihren neuen Richtlinien, zumindest beim Geflügel, gar nichts erreichen, weil 1.entsprechende Regeln für die Anwendung von Antibiotika im Futter schon bestehen - Dokumentation beim Tierarzt, beim Tierhalter, beim Hersteller des Futtermittels; 2.sich die großflächige Anwendung von Antibiotika, besonders in der Geflügelhaltung,über Futter oder Trinkwasser nicht vermeiden läßt; 3.der Verbraucher, trotz anderslautender Beteuerung,nicht bereit ist, das 10-20-fache für seine Hähnchen zu bezahlen (was er heute schon könnte, wenn er wollte). Zu Punkt 2:In Geflügelställen mit mehreren tausend oder zehntausend Tieren, die oft auch noch verschiedene Herkunft haben,sind Infektionen Kettenreaktionen - 1,2,4,8... - man kann nicht bis zu einer Diagnose warten (das machen nicht einmal die Humanmediziner), weil schon nach einem Tag nichts mehr zu behandeln ist. Über die angewandten Wirkstoffe und die Dauer ihres Einsatzes, wie sie im Bericht des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW berichtet sind, kann man im einzelnen streiten, nicht aber über die Notwendigkeit der Behandlung.
Geflügelfleisch enthält oft Keime, meist Salmonellen oder Campylobacter, die bei fehlender Küchenhygiene gelegentlich für Infektionen sorgen. Selbst im Normalhaushalt wären Gummihandschuhe,(die anschließend zu entsorgen sind) und sorgfältige Reinigung der Geräte und Flächen (und Finger) anzuraten. Nach üblicher Zubereitung durch Braten oder Kochen sind keine Keime mehr zu befürchten.
Es ist immer wieder lustig und eigentlich beunruhigend, was vermeintliche Wissenschaftler von sich geben, die Eiszeit fällt aus, die Bäume sterben, die Welt geht unter, es wird zu heiß, es wird zu kalt und was sonst noch an Unsinn von sich gegeben wird. Was bilden sich einige Menschen eigentlich ein, der Natur vorzuschreiben bzw. nachzusagen, was sie in Zukunft zu machen hat oder nicht. Wie lange exisitiert die Erde und wie lange der Mensch, dieser nicht einmal einen Wimpernschlag ggü. der Erde. Und jetzt verändern wir das Klima. Super. Und was macht die Erde, die rülpst (Erdbeben - Menschengemacht?????) und spuckt (Vulkane - menschengemacht?????). Und wenn sie richtig rülpst und/oder spuckt, ist der mensch mensch gewesen und hat gar nichts gemacht!!! (Yellowstone-Vulkan u.ä.) Wir nehmen uns schon sehr wichtig. Und unsere Politiker und Wirtschaftsheinis werden auf diesen Zug aufspringen, um dem Menschen Angst zu machen und um ihn wieder abkassieren zu können.
Lieber Herr Stoellger, Sie schrieben in Ihrem Brief: Werter Herr Becker, ich schmeiße sofort die "atheistischen Argumente in die Mottenkiste", wenn in dieser doch wohl der Wissenschaft verpflichteten Zeitschrift jene Fragen beantwortet werden, die Fr. Dr. Tina Gottwald zu Recht gestellt hat. Ich warte schon seit Jahren darauf. Leider erhalte ich auch hier keine konkreten Antworten und/oder keine, die sich mit den Erkenntnissen der Wissenschaft decken, schlimmstenfalls gut geschwurbelte Hermeneutik oder auch das sei das "Geheimnis des Glaubens". Nun, ich bin immer noch gespannt und neugierig! Fröhliche Weihnachten! Frau Gottwald hatte ein paar angeblich "unangenehme Fragen" gestellt, was "wissenschaftlich geprägte" Christen "konkret" glaubten und nannte Jungfrauengeburt, Auferstehung Jesu, Gebetserhörung und vieles mehr. Zugleich war sie jedoch sicher, dass "alle diese Beispiele sehr konkret allen uns bekannten Naturgesetzen" widersprechen. Sie möchten eine wissenschaftliche Antwort - nun gut: jene Gesetze entdecken zu wollen, denen "die Natur gehorcht"; zu enthüllen, wie diese Welt von einem vernünftigen Schöpfer geschaffen wurde, sie also, wie Platon forderte, "an den Gelenken zu zergliedern" war einst das kühne Programm der Neuzeit: Mathematik, meinte Galilei, sei die Sprache, in der "Gott das Universum geschrieben" habe. Wer sich nach ihr richte, werde am Ende, so Descartes, für alles einen Begriff oder eine Formel gefunden haben. Da ich davon ausgehe, dass weder Sie noch ich das heute noch glauben, versuche ich es mit dieser gemeinsamen Basis: Wissenschaft sucht mögliche Erzeugungsregeln, indem sie formal die Existenz eines "lógos" unterstellt. Sie reduziert auf diese Weise Komplexität und konkurrierte so als "Rationalismus" erfolgreich mit dem älteren Mythos, der Komplexität reduziert, indem er eine sinnvolle Geschichte erzählt. Diese "Vergötterung" (so Heidegger) technisch-instrumenteller Vernunft wird vermutlich erst enden, "wenn der Mythos vom lógos von der Lüge befreit wird, er könne begriffliche Wahrheit werden" (Bernhard Becker, Warum ich an GOTT glaube, Leipzig 2011, S. 124). Die erste Antwort - die Ihnen sicher nicht genügen wird - setzt darum eigentlich nur voraus, Textsorten unterscheiden zu können: dass also eine Geschichte, in der Steine, Götter oder Esel sprechen, weniger "allen uns bekannten Naturgesetzen" widerspricht, sondern wohl eher schlicht eine Fabel o.ä. ist - und dass dieser Befund auch (bzw. gerade) dann zutrifft, wenn Dogmatiker sie als "wörtlich wahr" ansehen: Denn die wollten - wie z.B. die peinliche Posse um die "Unfehlbarkeit" des Papstes zeigte - bloß mit dem neuen Aberglauben der Moderne an eine allmächtige "Vernunft" gleichziehen. Ähnlich wie bei Tolkien oder Harry Potter hatte ich jedenfalls bei Jona & dem Wal nie Probleme, hier einen nichtdeskriptiven Sinn zu verstehen. Und wie bei Odysseus oder König Ödipus "existiert" dieser Sinn völlig unabhängig von dem kontingentem Faktum, ob das Erzählte "tatsächlich passiert" ist oder nicht. Dazu müsste man sich aber trauen, Bibeltexte als Story (und nicht als wissenschaftlichen "Sachtext") zu lesen: Die Emmaus-Erzählung der Bibel etwa verschweigt sogar den theologisch wichtigsten Teil (wie die Schrift Jesus zufolge nämlich "richtig" zu deuten sei). Hier geht es auch nicht um den historischen Beweis, dass Christus nach seinem Tod noch herumlief und essen konnte, sondern vor allem um die Bestätigung seines Wortes, dass das, was Du "dem geringsten deiner Brüder" Gutes tust, wahrer "Gottesdienst" sei. Die Jünger haben einen Fremden nicht allein in die Nacht gehen lassen: "Das gemeinsame Gespräch sowie das Brechen des Brotes ist die Gemeinschaft mit Gott; sie erkennt sich aber erst, wenn und indem es geschieht. Ihr geht eine Einladung voraus, sie verschwindet (wie Jesus) im Vollzug und muß darum ständig erneuert werden." So lautet meine(!) Deutung, die ,- sofern daraus praktische Folgen erwachsen - zu meinem "Glauben" wird. Warum es zu allen Zeiten derart merkwürdig-metaphysische Geschichten geben wird (man denke etwa an Kafka, wo "vor dem Gesetz" ein Türhüter steht), könnte uns vielleicht Umberto Eco erklären, der als Agnostiker davon ausgeht, dass es keinen Gott gibt und "der Mensch durch einen Irrtum des täppischen Zufalls auf der Erde erschienen sei, nicht nur seiner Sterblichkeit ausgeliefert, sondern auch dazu verurteilt, ein Bewusstsein zu haben, mithin als das unvollkommenste aller Wesen." Gerade ein ohne jeden Sinn in die Welt geworfener Mensch, so seine Erklärung als Erzähler und Wissenschaftler, würde jedoch, "um den Mut zu finden, auf den Tod zu warten, notgedrungen ein religiöses Wesen werden, er würde sich bemühen, Erzählungen zu ersinnen, die ihm eine Erklärung und ein Modell liefern könnten, ein exemplarisches Bild." Wem dazu als Kritik nicht mehr einfällt als Platons Urteil, Dichter würden halt lügen, hat dann wohl einiges nicht mitgekriegt. Aber vielleicht haben ja auch Sie (wie übrigens alle katholischen Theologen) mit Aristoteles gelernt, über diese Welt müsse und könne es (als wäre sie so eine Art Kreuzworträtsel) nur eine einzig richtige Beschreibung in dieser Welt geben: eben darum seien Bilder und Metaphern prinzipiell etwas Geringeres als exakte Begriffe. Doch dann hat Sie vermutlich noch nie jemand mit der gegenwärtig aktuellen Philosophie des "Konstruktivismus" beunruhigt - im Unterschied jedenfalls zu Eco, den das als gelernten Semiotiker jedoch nicht weiter aufregt. Denn wäre er "ein Reisender aus einer fernen Galaxie" und stünde vor einer Spezies, die es tatsächlich geschafft habe, (neben anderen eher peinlichen Versuchen) das Modell des Christus zu entwerfen, "das Modell der universalen Liebe, der Vergebung für die Feinde und des zur Rettung der anderen geopferten Lebens" - dann würde er "ihre enorme theogone Energie bewundern" und diese jämmerliche und niederträchtige Spezies, die so viele Gräuel begangen hat, allein dadurch als erlöst betrachten, daß sie es geschafft hat, sich zu wünschen und zu glauben, dies alles sei Wahrheit". (Carlo Maria Martini/Umberto Eco, Woran glaubt, wer nicht glaubt?, Wien 1998, S. 124) Wenn Eco somit sagen kann: "Die Tatsache, dass diese Erzählung von ungefiederten Zweibeinern, die nur wissen, dass sie nichts wissen, erdacht und gewollt werden konnte, wäre ebenso wunderbar (wunderbar geheimnisvoll), wie dass der Sohn eines wirklichen Gottes wahrhaftig Mensch geworden sein soll", dann haben wir es offenbar mit einer anderen Art "Wahrheit" zu tun als diejenige, nach der Frau Dr. Gottwald fragt. Sollten das für Sie nur "geschwurbelte Hermeneutik" sein, mache ich das nächste Fass auf: Wieso sollte wahres Wissen überhaupt für Sie hilfreich sein? Oder um mit Goethes "Maximen und Reflexionen" noch deutlicher zu werden: "Wäre es Gott darum zu tun gewesen, dass die Menschen in der Wahrheit leben und handeln sollten, so hätte er seine Einrichtung anders machen müssen." Darum dieses etwas drastische Beispiel: Falls Sie einigermaßen glücklich verheiratet sind, halten Sie es für eine verlässliche Tatsache, dass Ihre Frau sie liebt. Ein wissenschaftlich wahrer Sachverhalt wäre das jedoch erst dann, wenn sie endlich aufhören zu glauben und Poppers Falsifikationsprinzip zufolge gewissenhaft alle Bedingungen prüfen, unter denen diese Aussage unwahr wäre. Andererseits möchte ich Ihnen so etwas auch nicht raten, weil Ihre Ehe dann ziemlich schnell zuende sein könnte - und zwar (unabhängig vom möglichen Ergebnis) gerade deshalb, weil sie es mit Mitteln der Wissenschaft versucht haben. Sollte es Sie darüber hinaus etwa reizen, ihre vorwissenschaftliche Ansicht zu hinterfragen, ihr geliebtes Weib sei ein "geiler Feger", so könnten Sie auch das nur in einer standardisierten Reihenuntersuchung feststellen, die andererseits freilich aus methodischen Gründen scheitern wird: Unter dem Postulat der Wertfreiheit gilt als "wissenschaftlich wahr" nämlich nur das, was ohne eigenes Zutun gleichsinnig erlebt wird. Mit dieser Methodik allein ließe sich also nicht einmal die Wirksamkeit von Viagra testen. Denn auch die stellt sich ja nur dann ein, wenn eigene sexuelle Erregung vorhanden ist. Wenn man also z.B. in Intimbeziehungen (aber nicht nur dort) "Hypothesen bildet, die nur durch Herstellung entsprechender Verhältnisse verifiziert werden können", so Luhmann, dann "hat Habermas in gewisser Weise recht. Man kann nämlich fragen, ob diese Differenzierung von Erleben und Handeln als Grundlage des Wahrheitscodes auch in den Sozialwissenschaften durchhaltbar ist." (Habermas/Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt 1971, S. 398) Denn die mit den Mitteln der Wissenschaft geprüfte Wahrheit wird, "auch wenn durch Handlung mitbedingt, dem Handeln nicht zugerechnet." Obwohl also "Kausalität besteht und bekannt ist", so Luhmann, ist darum nicht Konrad Röntgen "schuld", wenn Patienten radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind. Doch wissenschaftliches Wissen "ist nicht deshalb wahr, weil es die Welt getreulich abbildet, sondern entsprechende Komplexität hat und deshalb übertragbar ist". Erst die Reduktion auf gleichsinniges Erleben unabhängig vom Tun und Lassen beliebiger "Subjekte" erzeuge somit, so Luhmann, "die Form einer vorhandenen Welt, in der man sich handelnd bewegt." Es sieht also nur so aus, als ob wir die Welt von einem Standpunkt außerhalb der Welt objektiv sehen könnten: Tatsächlich steckt hinter diesem Schein eine Menge wissenschaftlicher Arbeit. Weiß man das nicht (oder retuschiert es), wird das Ideal zur Illusion: Unbeobachtbarkeit als Folge realer Beobachtungen erscheint dann als lösbares Zeitproblem des "noch nicht" - und erzeugt so das Trugbild einer uns allen zugänglichen "einen" Welt, wie sie z.B. die Philosophie eines John Locke, aber auch Kant als vernünftig-transzendentale Sicht eines singulären(!) Beobachters entwirft. Sie entspricht dem, was Hegel "natürliches Bewusstsein" nannte. Doch auch, wo man sich später materialistisch bzw. atheistisch gibt, ist und bleibt es formal die Philosophie des Idealismus, die ja nur mit Gottes Hilfe erklären kann, warum ausgerechnet wir die Welt so sehen, wie sie "ist". Funktional trat dann an die Stelle Gottes die kollektive Fiktion, "der Mensch" verfüge (im Unterschied zu Fledermäusen) über Vernunft. Wo die nun aber herkommen soll, will man auch bei SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT meistens nicht so genau wissen. Vielleicht hilft Ihnen dieser kleine Exkurs, ein wenig zu verstehen, dass religiöse Texte in Bibel oder Koran in erster Linie appellativer Natur sind: sie fordern Leser/Hörer auf, ihre Lebenseinstellung zu ändern, und auch Vertrauen gegenüber Unbekannten, so die Erkenntnis der Sozialwissenschaften, kann erst einmal nur ins Blaue hinein gewährt (kontrafaktisch antizipiert) werden, ohne dass es hier vernünftige Gründe geben muss. Ob Gott also "Gebete erhören" oder "Sünden verzeihen" kann, die Frau Dr. Gottwald wissen möchte, wird sie darum schon selbst herausfinden müssen - und ganz gewiss nicht dadurch, dass sie unbeteiligt beiseitesteht, um es "objektiv" zu überprüfen. Religion, um ihre Eingangsfrage ohne theologische Floskeln zu beantworten, funktioniert daher vermutlich ebenfalls mit Hilfe von Hypothesen, "die nur durch Herstellung entsprechender Verhältnisse verifiziert werden können". Diese "Inhalte" wirken hier aber lediglich als Katalysator: d.h. wie bei der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus bleibt es letztlich unerheblich, ob sie kontrafaktisch gewesen sind oder nicht. Dieser Algorithmus ist so komplex, dass man ihn statt einer wissenschaftlichen Beschreibung noch am ehesten als Erzählung versteht - wie etwa jene Kalendergeschichte von Johann Peter Hebel, in der ein Wanderer bei einem geizigen Mann über Nacht Herberge gefunden hat, aber keinerlei Aussicht auf ein Abendbrot. Also zieht er aus seiner Tasche einen Kieselstein und fragt, ob er sich daraus eine Suppe kochen könne - ein einfaches, schmackhaftes und übrigens sehr sparsames Gericht, da die Kraft des Steines sich niemals erschöpfe. Der Wirt erlaubt es und ,- neugierig geworden - steuert er nicht nur Topf, Herd und Wasser bei, sondern auch ein wenig Gemüse und am Ende sogar ein Stückchen Fleisch. Die Suppe mundet beiden ausgezeichnet und am Ende bleibt, wie versprochen, der zauberhafte und immer wieder verwendbare Kiesel übrig. Aus dieser Sicht sind "Inhalte" des religiösen Glaubens notwendige Ausgangsfiktionen, deren Faktizität unerheblich bleibt: ein "Malteserfalke" oder "McGuffin" wie bei Hitchcock, hinter dem alle her sind - eine Art "zwölftes Kamel" also, ohne das jedoch nichts beginnen könnte. Das, so lautet das Gesetz der Latenz, klappt aber nur, indem (und so lange) ich es nicht weiß - und die Hoffnung, Aufklärung könne hier etwas verbessern, kann nur jemand hegen, der die Logik dieses paradoxen Ablaufs nicht begriffen hat. Gälte dieser Befund jedoch allein für Religion, bliebe Misstrauen angesagt. Doch Viktor Frankl beschrieb ganz ähnliche Strategien, mit denen er vier KZs überlebte, und bereits die praktische Philosophie Kants gelang mit ihrer Quintessenz des "als ob" Vergleichbares. Die Methode des Descartes, alles in dieser Welt ließe sich klar und deutlich als vernünftiges Gesetz formulieren, ist jedenfalls gescheitert: Der Zweck unseres Verstandes, so Kant, sei ein "focus imaginarius", dessen Ziele unerreichbar blieben. Daher sah seine "Kritik der reinen Vernunft" ihre Aufgabe "wohl nur negativ": Vernunft sei eine "Disziplin zur Grenzbestimmung und Verhütung von Irrtümern", aber kein "Organon" zur Erweiterung unseres Wissens. Egon Friedell fasste das einmal so zusammen: "Unsere Vernunft ist nicht imstande, zu beweisen, dass der Mensch frei ist, dass er eine immaterielle und unsterbliche Seele besitzt, dass ein Wesen von höchster Weisheit und Güte die Welt regiert, aber sie darf und soll, ja muss vermöge ihrer metaphysischen Anlage die Welt und den Menschen so ansehen, als ob es sich so verhielte." Ähnlich wie in Ecos "Der Name der Rose" sind es jedoch gerade dogmatische Fundamentalisten (auf allen Seiten: bei Gläubigen ebenso wie Aufklärern), denen wie Jorge dieses "Geheimnis des Glaubens" offenbar entgeht: "Du willst mir voller Stolz erklären, wie du auf mich gekommen bist, indem du dich an deine Ratio gehalten hast, und dabei sagst du mir, dass du ans Ziel gelangt bist, indem du eine falsche Fährte verfolgt hast. Was willst du mir damit klarmachen?" "Nichts. Jedenfalls dir nichts", lautet die Antwort des Detektivs: "Aber das spielt keine Rolle, denn eins steht fest: Ich bin hier." Und so glaube auch ich als Christ "an die Auferstehung der Toten" - ohne mich dabei als Hinterwäldler oder Heuchler zu fühlen, auch wenn ich es nicht wie Augustinus für eine (natur)wissenschaftliche Tatsache halte. Damit erspare ich der Nachwelt nicht nur ein paar alberne Spekulationen, in welchem Alter mein Leib am besten in die Ewigkeit eingehe. Es bewahrt mich zudem vor dem Fehlschluss Pascals, klüger sein zu können als jener - oder meine vorläufigen Erklärungen ex cathedra bzw. als "wissenschaftliche Tatsache" zu verkünden. Das überlasse ich dann doch lieber atheistischen Päpsten wie Michel Onfray oder Richard Dawkins: So viel Vernunft muss schon sein. Religion, so Luhmann, transformiert unbestimmbare in bestimmbare Komplexität. Aus Sicht der Aufklärer liest sie daher im Kaffeesatz (was sich wissenschaftlich nur unwesentlich verbessern ließe), kommt aber gerade in den Fällen zu brauchbaren Entscheidungen, bei denen Wissenschaftler ehrlicherweise ignoramus bzw. syntax error sagen müssten. Ihr generell ein falsches Verhältnis zur Realität zu unterstellen, ist schon deswegen Unfug, weil ihre Funktion gerade die Evolution verschiedener kommunikativer Möglichkeiten des Umgangs mit dem "Unbeobachtbaren" sei. Wer meint, dies werde irgendwann überflüssig, weil hinter allem in der Welt ein verstehbares rationales Kalkül stecken müsse, glaubt an den Gott des Rationalismus, den toten Herrn im Lehnstuhl des Deismus. Als Katholik aber (wie ihnen Horkheimer/Adornos "Dialektik der Aufklärung" gern bestätigen wird) bin ich für solchen Unsinn leider viel zu "heidnisch".
Ist es nicht so, dass in der Massentierhaltung aus Angst vor massiven wirtschaftlichen Verlusten im Fall eines Krankheitsausbruchs ständig Antibiotika dem Futter beigemischt werden? Das hat dann wohl die Konsequenz, dass mehr und mehr resistente Keime entstehen. Es ist an der Zeit, dass durch entsprechende Gesetze in der Tierzucht die prophylaktische Verabreichung von Antibiotika verboten wird.
Solange eine unfähige und überforderte Verbraucherschutz-Ministerin auch noch das Landwirtschaftsressort inne hat, ist DAS das Hauptproblem: SIE tut NICHTS, reagiert immer zu spät und lässt ihren Worten NIE Taten folgen: Weg mit SOLCHEN Leuten!!
Speziell zu der in der Einleitung zu Heft 1/12 gestellten Frage „neigen Sie eher (dem Atheisten) Kroto oder (dem Christen) Planck zu“
Kroto argumentiert als Naturwissenschaftler. Die Tatsache, dass Gott mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht nachweisbar ist, ist für ihn ein hinreichender Beweis dafür, dass er nicht existiert. Hierin sehe ich einen Schwachpunkt seiner Argumentation. Wie ich im Folgenden darzulegen versuche, ist eine Unmöglichkeit, etwas mit einer bestimmten Methode nachzuweisen, noch kein Beweis für seine Nichtexistenz. Man kann also die Nichtexistenz Gottes ebenso wenig mit naturwissenschaftlichen Methoden beweisen wie seine Existenz. Man kann an beides glauben. Mithin ist Krotos Auffassung gleichfalls ein Glaube, ein Glaube, den er mit gleicher Unduldsamkeit wie ein christlicher oder islamischer Fundamentalist vertritt.
Ich möchte meine Ansicht mit einer Reihe von Argumenten untermauern, angefangen mit dem Aufzeigen der Grenzen unseres Vorstellungsvermögens bis hin zu den Grenzen der naturwissenschaftlichen Kausalanalyse und dabei diejenigen Gründe nennen, die mich zum Glauben an Gott veranlassen.
1. Wenn wir die uns umgebende Wirklichkeit auf ihre Kausalität hin untersuchen, so stoßen wir sehr schnell auf Bereiche, die sich der direkten Wahrnehmung entziehen, und schließlich sogar auf Bereiche, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen. Die hier auftretenden Phänomene können in einem scheinbar unlösbaren logischen Widerspruch zueinander stehen. Einfaches Beispiel: Das, was wir als Licht wahrnehmen, erscheint bei näherer Analyse je nach der angewendeten Methodik einmal als Welle, das andere Mal als Teilchen. Beides lässt sich in unserer Vorstellung nicht miteinander vereinbaren: Ein Teilchen kann hier nicht gleichzeitig eine Welle sein. Wir müssen also annehmen, dass beiden Phänomenen ein Etwas zu Grunde liegt, das sich je nach der Fragestellung bzw. angewendeten Methode entweder als Welle oder als Teilchen manifestiert und das sich unserem Vorstellungsvermögen entzieht. Fazit: In der Wirklichkeit gibt es Bereiche, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen.
2. Verfolgen wir Kausalketten beginnend mit dem Bereich der Quantenphysik über diejenigen der physikalischen Chemie. Chemie, Molekularbiologie zur Biologie, so stoßen wir auf Strukturen immer höherer Organisationsstufe und gleichzeitig immer größerer Komplexität. An der Spitze finden wir uns selbst, den Menschen als Einzelwesen sowie in den mannigfaltigen Formen seines Zusammenlebens. Die Frage erhebt sich nun: Endet die Kausalkette hier, oder müssen wir mit einer Schicht der Wirklichkeit rechnen, die noch höher organisiert ist und in der infolgedessen eine noch höhere Vernunft herrscht, als sie uns gegeben ist? Derjenige, dem es vermessen erscheint, sich selbst als das höchste denkbare Wesen, gewissermaßen als die Krone allen Seins anzusehen, wird der zweiten Auffassung zuneigen.
3. Naturwissenschaft, sofern sie sich nicht auf die pure Beschreibung von Phänomenen beschränkt, will deren Ursachen analysieren; m. a. W., die Kausalanalyse ist ihr eigentliches Feld. Mit Recht beschränkt sie sich darauf, denn nur sie erlaubt, beweiskräftige Aussagen zu treffen. Teleologische Fragestellung, Fragen nach einem Ziel und Sinn bleiben ausgeklammert. Ein Fehler wäre es indessen, aus dieser – methodisch bedingten – Selbstbeschränkung abzuleiten, dass es im Weltgeschehen kein Ziel und keinen Sinn geben könne, dass also alles, was prinzipiell nicht durch Kausalanalyse erfasst werden kann, nicht existiere. Wer so argumentiert, gerät zuweilen in einen Erklärungsnotstand, denn es gibt zahlreiche Vorgänge, die offensichtlich zielgerichtet sind. Wenn ich meinem Gegenüber eine Information zukommen lassen will, setze ich eine Kausalkette in Gang: Mein Gehirn sendet Nervenimpulse zu meiner Sprachmuskulatur, die wiederum Schallwellen erzeugt, die wiederum das Trommelfell meines Gegenübers in Schwingungen versetzen, wodurch über die Druckschwankungen im Innenohr die dort vorhandenen Sinneszellen in Erregung versetzt werden, die über den Hörnerv in das Gehirn gelangt und dort zu der beabsichtigten Information verarbeitet wird. Das heißt, diese (sehr vereinfacht dargestellte) Kausalkette hat von vornherein ein Ziel. Dieses Dilemma ließe sich allerdings dadurch lösen, dass mein Entschluss, eine Information zu senden, selbst als das Endergebnis zahlloser komplexer Prozesse auf molekularer Ebene angesehen wird. Dies bedeutet aber: Wer die Welt und die in ihr ablaufenden Vorgänge rein kausalanalytisch deuten will, muss zwangsläufig das Vorhandensein jeden freien Willens abstreiten.
4. Aus dem eben Gesagten ergibt sich jedoch ein neues Dilemma: In der streng kausalanalytischen Argumentation erscheinen die subjektiven Elemente meiner Mitteilung an mein Gegenüber – also die Gedanken, die zu meinem Entschluss führen, die Emotionen, die meine Mitteilung in meinem Gegenüber hervorruft – für die kausale Erklärung des Vorgangs völlig überflüssig, nur unwesentliche Begleiterscheinungen. Aus den molekularen Prozessen, die dem Vorgang zu Grunde liegen, kann man nicht ableiten, dass es sie überhaupt gibt. Ja, ein extraterrestrischer Beobachter, der nur die Prozesse auf der molekularen Ebene erfassen kann, müsste den Gedanken, dass es so etwas wie Empfindungen gibt, als unwissenschaftlich ablehnen. Allenfalls könnte er eine gewisse Zweckmäßigkeit erkennen; dass dieser aber ein Denkvorgang zu Grunde liegt, müsste er abstreiten. Das Dumme ist nur: Unser Bewusstsein, unsere Empfindungen und unser Denken existieren trotzdem; das kann niemand leugnen. Fazit: Unser subjektiv erlebtes Ich, unser Fühlen, Empfinden, Denken, Planen, Wollen, lässt sich naturwissenschaftlich beziehungsweise kausalanalytisch nicht beweisen, nur erfahren.
5. Was für die Wirklichkeitsebene unseres Bewusstseins gilt, sollte erst recht für den darüber liegenden Bereich der Wirklichkeit – sofern es ihn gibt – gelten. Man kann ihn nicht beweisen, nur erfahren. Wie kann man ihn erfahren? Nun, zum einen über die Vernunft. Wenn man die Naturprozesse, die im Einzelnen meist ungerichtet und zufallsbedingt abzulaufen scheinen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, so kann man sehen, dass sie sich auf ein (uns unbekanntes) Ziel hin entwickeln, offenbar zielgerichtet ablaufen. Wie Max Planck feststellte, legt dies den Gedanken an eine übernatürliche ordnungsstiftende Kraft nahe. - Zu denken gibt ferner die Tatsache, dass in allen Kulturen der Glaube an übersinnliche Mächte sowie das Bestreben, mit ihnen Verbindung aufzunehmen, vorhanden sind. Diese Empfindung für das Wirken übersinnlicher Kräfte, die offenbar in allen Menschen angelegt und vielleicht in Vorstufen auch in einigen höheren Tierarten vorkommt, ist die Basis für das Entstehen aller Religionen. – Und schließlich sind da die Erfahrungen, die einzelne Menschen gemacht haben. Erfahrungen sehr unterschiedlicher Intensität, von der einfachen Empfindung, dass in besonderen Situationen, die man erlebt, göttliches Walten geherrscht hat, etwa bei der Errettung aus großer Gefahr, bis hin zu den Visionen, die Propheten und die großen Religionsgründer erlebt haben. Gewiss, man kann auch diese Visionen rein natürlich deuten, was aber keineswegs ausschließt, dass sie nicht letztlich Ausdruck eines göttlichen Willens sind. Die Nervenimpulse, die unsere Muskulatur zu bestimmtem Handeln veranlassen, haben alle eine physikalisch-chemische Basis; aber es steht unser bewusster Wille dahinter. Alle diese Erfahrungen stellen keinen Beweis im klassischen Sinn dar, aber sie sind eine ausreichende Basis dafür, dass unser Glaube an eine göttliche Macht ein hinreichend begründeter Glaube ist.
6. Es widerstrebt der menschlichen Natur, sich mit der Tatsache abzufinden, dass es Dinge gibt, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen. Will sich der menschliche Geist eingehender mit ihnen beschäftigen, so schafft er sich in seiner Vorstellung Bilder von ihnen, die leichter zu begreifen und zu durchdenken sind. Auch eine so exakte Wissenschaft wie die Theoretische Physik folgt dieser Vorgehensweise. Das Atommodell eines von einem oder mehreren Elektronen umkreisten Kernes von Niels Bohr ist ein solches Bild, das die uns unvorstellbare Realität uns begreifbar macht. So ist es nur natürlich, dass in allen Kulturen die göttliche Macht in einer Vielzahl von Bildern unterschiedlichster Art vorgestellt und zum Teil auch bildliche dargestellt wurde. In den drei großen monotheistischen Religionen ist dies das Bild eines persönlichen, nach Menschenart handelnden Gottes. In zwei dieser Religionen - der jüdischen und dem Islam – ist die bildliche Darstellung Gottes verboten. Eine weise Vorschrift, denn mit der bildlichen Darstellung wächst die Gefahr, dem Gottesbild allzu menschliche Züge zu verleihen und damit auch göttliches Handeln nach menschlichen Maßstäben zu beurteilen. Die im Grunde unlösbare Frage der Theodizee, der Rechtfertigung Gottes angesichts des vielen Leidens, Elends und Ungerechtigkeit auf der Erde entspringt einer solchen vermenschlichenden Vorstellung. Wenn der Prophet Jesaja (55, 8-9) sagt: „… meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“ spricht der Herr „sondern so viel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind auch meine Wege höher denn eure Wege und meine Gedanken denn eure Gedanken“, so ist damit ausgedrückt, dass sich göttliches Handeln jedem Versuch einer Rechtfertigung entzogen ist.
Eine der vornehmsten Aufgaben der Theologie sollte daher sein, die biblischen Texte daraufhin zu analysieren, was an ihnen zeit- und kulturbedingtes Bild, also Mythos beziehungsweise in christlicher Terminologie Gleichnis ist und dabei ihre überzeitliche Kernaussage herauszuarbeiten.
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass der Glaube an eine transzendente Dimension des Seins Menschen auch heute noch umtreibt. Es gibt wohl kaum einen Gegenstandsbereich, der emotional so polarisierend ist wie dieser. Die beiden vorausgegangenen Kommentare belegen dies auf eine sehr eindrückliche Weise. Die Existenz dieses Bereichs wird ebenso heftig bestritten, wie sie behauptet wird. Doch bis heute gibt es nicht die allergeringste objektive Grundlage für oder gegen die Existenz dieser transzendenten Sphäre.
Es ist eine historisch seltsam anmutende Tatsache, dass gerade der Gegenstandsbereich, der allem zu Grunde liegen soll, bis heute wissenschaftlich unaufgeklärt geblieben ist. Wir haben die Struktur der Materie aufklären können, den Kode des Lebens entschlüsselt und sind im Begriff, die Energie der Sonne zu bändigen, doch das Transzendente ist nach wie vor Gegenstand diffuser Überzeugungen.
Um seine Existenz zu behaupten, beziehen wir uns auf Texte, deren Ursprünge sich im Dunkel der Zeit verlieren. Als Papst Johannes Paul II. 1998 seine Enzyklika FIDES et RATIO publizierte, war dies zugleich der Ruf nach einer modernen Metaphysik - ein Ruf, der bis heute allerdings unbeantwortet geblieben ist.
Doch Metaphysik als Wissenschaft ist möglich! Was sie möglich macht, sind gerade jene Eigenschaften, die auch dem christlichen GOTT zugeschrieben worden. Es sind beispielsweise Eigenschaften wie die der ALLGEGENWART (Psalm 139 und der UNSICHTBARKEIT (Röm 1, 20). Es sind diese speziellen Eigenschaften, die das Transzendente von allen uns bekannten Forschungsgegenständen unterscheiden. Doch bis heute ist niemand systematisch der Frage nachgegangen: Wie muss eigentlich ein Universum aussehen, wenn sein letzter und ultimativer Grund durch diese speziellen Eigenschaften charakterisiert sein soll?
Es ist unmittelbar einsichtig, dass ein Universum mit unsichtbarem Grund sehr speziellen Bedingungen genügen muss. Der Physiker Albert Einstein hat sich stets die Frage gestellt, ob Gott bei der Schaffung des Universums eine Wahl hatte - oder ob spezielle Bedingungen, wie die der logischen Einfachheit, überhaupt eine Wahl zuließen. Es ist nahe liegend anzunehmen, dass Gott, wenn er auf der Bühne des sichtbaren Universums unsichtbar bleiben wollte, dasselbe auf eine sehr spezielle Weise einzurichten hatte.
Die durch die vorgenannten Eigenschaften diktierten Bedingungen lassen sich in der Tat spezifizieren - mit dem höchst überraschenden Ergebnis, dass u-n-s-e-r Universum eben diese Bedingungen empirisch (!) zu erkennen gibt; wenigstens näherungsweise.
Diese Art von wissenschaftsorientierter Metaphysik hat indessen einen Preis: Wenn die UNSICHTBARKEIT dieses ultimativen Grundes das ebenso zwangsläufige wie natürliche Ergebnis einer spezifischen Konzeption des Universums ist, dann wäre es einem solchermaßen definierten Gott nicht länger möglich, sichtbar in Erscheinung zu treten - weder zu Beginn noch am Ende der Zeit. Unsichtbarkeit wäre, so verstanden, eine temporär unaufhebbare Eigenschaft Gottes. Mit anderen Worten: Eine moderne Metaphysik, die diesem Gedanken folgt und Bestand hätte, würde dramatische Folgen für unser Gottesbild haben.
Ob unsere "aufgeklärte" Gesellschaft an derlei Untersuchungen Interesse hat, ist indessen eine offene Frage.
Richtig, Antibiotikaresistenzen sind ein umfassendes Problem, sogar derart umfassend, dass wir vor lauter Kritik an der Landwirtschaft diesbezüglich nicht vergessen sollten, dass hier auch die Humanmedizin eine wenig rühmliche Rolle spielt. Die Akteure mögen andere sein, das Problem ist es aber nicht. Genau das steht im obigen Kommentar. Dass es in der Landwirtschaft weniger Forschung, Handlungswillen, Leitlinien oder gar Öffentlichkeit gäbe, kann ich übrigens nicht bestätigen. Wann hast Du denn zuletzt etwas über Krankenhauskeime gelesen/gesehen? Über "Massentierhaltung" lese ich ständig.
Worum geht es eigentlich in diesem Artikel? Es geht um zwei Grundtexte (die allerdings im Laufe der Jahrhunderte mannigfaltigste Umgestaltungen und Verkehrungen erfahren haben): Das Alte Testament und das Neue Testament. Darum herum wurde ein unglaublicher Wust von Sekundärliteratur geschaffen. Diese wiederum hatten und haben hauptsächlich das Ziel die Grundaussagen der Urtexte zu interpretieren und im Großen und Ganzen als wahr darzustellen. Ein für den modernen Geist unerhörter und unglaublicher Vorgang! Man stelle sich vor, beinahe alle Betrachtungen, Besprechungen, Diskurse, Klubs, Foren, Bücher die über STAR TREK geschrieben, gedreht oder anderweitig publiziert wurden hätten zum Ziel den Grundwahrheitsgehalt dieser Serie zu beweisen. Das Ganze wäre der völligen Lächerlichkeit preisgegeben. Nicht so bei den genauso fantastischen, ungereimten und unsinnigen Erzählungen der beiden Bibelteile. Beinahe unwillkürlich kommt mir dabei Monty Python in den Sinn: „Betet den Schuh an!“ Das Gedankenspiel darf erlaubt sein: Was, wenn im Alten Testament tatsächlich durch historische Gründe bedingt kein unsichtbarer Gott, sondern ein Schuh angebetet werden würde und im Neuen Testament sagen wir, ein Schuhmachersohn für die Erlösung der Welt (was immer das sein soll) geopfert werden würde? Nun, man darf annehmen, dass die Theologie durchaus auch dies mit hermeneutischen Zirkeleien zu untermauern versuchen würde. Mit anderen Worten: Ganz gleich, was in den Grundtexten auch für Aussagen stehen mögen, würde eine entsprechende Theologie mit aller Macht versuchen, diese Aussagen zu rechtfertigen. Der Inhalt ist also gänzlich unwichtig, nur die Beweisführung ist wichtig. Was für eine Schande!
Bereits die Tatsache der im Lauf der Zeiten völlig unterschiedlichen religiösen und vorreligiösen spirituellen Systeme zeigt, dass Inhalte hier völlig irrelevant sind (und irr genug). Animismus, Schamanismus, Hinduismus, der Glaube der alten Ägypter, der Sumerer, Vielgötterei oder die Vorherrschaft weiblicher Gottheiten in so genannten Gartenbaukulturen zeigen doch schlagkräftig, wie unsinnig es ist, Inhalte (theologisch oder sonst wie) beweisen zu wollen. Es handelt sich ganz einfach bei all diesen literarischen Schöpfungen um historisch bedingte irreale Räume, die der menschliche Geist durchschwirrt und erfindet!
Zu einzelnen Abschnitten im Artikel:
„Wie aber kann man von Vernunftfreundlichkeit sprechen, wo sich doch der Glaub so häufig in Widersprüche verstrickt: mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften, mit den Vernunfterkenntnissen der Philosophie und sogar mit sich selbst?“ Man muss unbedingt noch ergänzen: Mit den Glaubensvorstellung praktisch aller anderen religiösen Systeme und der auch in krassem Widerspruch zur so genannten Alltagsvernunft steht, die z.B. davon ausgeht, dass das, was immer im bekannten Lebensraum geschieht, auch im unbekannten geschieht (z.B. dass Menschen nicht vom Tod wiederaufstehen wie Lazarus). Aber wem fällt da nicht fast automatisch Tertullian ein, der da schrieb: »Gestorben ist Gottes Sohn; es ist ganz glaubhaft, weil es ungereimt (ineptum) ist. Und begraben, ist er auferstanden: es ist gewiss, weil es unmöglich ist.« De carne Christi V. Bei allem Respekt, aber eine Person, die solches von sich gibt, würde in einem anderen Kontext als schwer psychisch krank und dissoziiert gelten. Völlig fehlender Realitätsbezug. Vernunft aber hat doch mit Realität eine äußerst innige Beziehung. Das kann man vom Christentum (und anderen Religionen) wohl kaum behaupten. „Die Texte der Bibel oder der frühen Konzilien sind in einer ganz anderen Zeit als der unsrigen geschrieben worden, mit anderen Absichten und Zielen, mit einem anderen geistigen Horizont. Nur selten ist es ihre Hauptabsicht, von einem historischen Geschehen zu berichten. Meist gehören sie zu anderen literarischen Gattungen.“
Nun, ich würde mal sagen sie gehören zusammen mit der Bibel hauptsächlich mal in die Gattung „Phantastische Literatur“. Ihr Wahrheitsgehalt dürfte den eines „Herrn der Ringe“ kaum übersteigen. Interessanterweise gibt es ja wohl Hinweise darauf, dass z.B. das fünfte Buch Moses von den damaligen Priestern eigenhändig geschrieben, dann versteckt und hernach (Tusch) von denselben „gefunden“ wurde um es als große Göttliche Offenbarung herauszubringen. Literatur, die vorgibt eine Offenbarung zu sein bleibt natürlich trotzdem Literatur. Etwas, was die Theologie wohl nicht begreifen möchte!
„Das hermeneutische Problem hat sich seit der Antike weiterentwickelt. Heute liegen ausgearbeitete philosophische Hermeneutiken und Interpretationstheorien vor. Sie ermöglichen eine sorgfältige und methodisch kontrollierte Analyse, Einordnung und Interpretation biblischer Texte.“
Richtig! Und auch hier wird damit der Status der Bibel als Literatur (und nicht als Offenbarung und nicht als Wahrheit) deutlich. Literatur, derentwegen eine unglaubliche Menge an Sekundärliteratur entstanden ist und für die schrecklichste und blutigste und menschenunwürdigste Taten vollbracht worden sind.
„Exegeten müssen einen Text also dahin gehend sortieren, was als direkter Aussageinhalt gelten kann (zum Beispiel die Schöpfung durch Gott) und was der bildhaften Ebene zuzurechnen ist (der Schöpfungsablauf in sechs Tagen).
Woher nehmen die Exegeten denn die Unverschämtheit zu behaupten, die Welt sei durch Gott geschaffen worden? Auch dies sind, wie die Behauptung (die im Übrigen durchaus lange genug wortwörtlich geglaubt wurde) die Welt sei in sechs Tagen erschaffen worden, nur Worte auf Pergament. Mit anderen Worten: Literatur!
Nach einem Absatz über die Theodizee kommt der Autor zum Schluss: „Dann besteht zumindest für das harte, logisch Problem des Übels (logical problem of evil) Aussicht auf Lösung: Dass der gute Gott um das bestehende Übel weiß, es ändern kann und will, erzeugt keinen harten Widerspruch mehr.“
Was für eine Peinlichkeit. Hier wird mit allerlei (für mich schwer nachvollziehbaren) Winkelzügen etwas wegdiskutiert, um die Sehnsucht des Menschen nach der großen Vatergestalt zu befriedigen. Hier kann man eigentlich nur noch kurz an Ockhams Rasiermesser erinnern und sich hernach mit Grausen Abwenden.
„Theologen dagegen müssen beurteilen, ob die Kernaussagen selbst angemessen und die Theorien theologisch adäquat sind.“
Zumindest den ersten Teil dieser Aussage werden die Theologen ganz sicher NICHT erfüllen. Im Gegensatz zu den Wissenschaften dürften Theologen nämlich die Grundaussagen NICHT hinterfragen, sonst definieren sie sich sofort selbst weg (oder verwandeln sich in Literaturhistoriker, s.o.). Dies wird ja schön im Streitgespräch zwischen Herrn Voland und Herrn Löffler deutlich: „Das ist im dogmatisch geschlossenen Universum nicht möglich. Da wird derjenige anerkannt, der seine Dogmen nicht streng überprüft, sondern bestenfalls hermeneutisch interessant auslegt.“ (S. 65) und: „Auch Wissenschaftler machen unhinterfragbare metaphysische Annahmen. Aber sie sind offen für Revision.“ Dies beantwortet auch die hinterlistig eingefügte Bemerkung des Autors zu Habermas! (S. 61) Mehr ist dazu nicht zu sagen.
„Gerade weil der christliche Glaube beansprucht, wahr zu sein, muss er davon ausgehen, dass er Ergebnissen der Naturwissenschaften nicht wirklich widersprechen kann.(*) Denn wenn beides wahr wäre, Glaube und wissenschaftliche Erkenntnis, und beides sich widerspräche, müsste es zwei sich widersprechende Wahrheiten geben. Das ist aber offenkundig unmöglich. Die entscheidende Frage lautet hier, ob der Glaube seinen Wahrheitsanspruch auch berechtigterweise erheben kann.“
Ein feiner Absatz und eine feine Analyse. Und was bekommen wir als Antwort? „Es ist schwierig, die Frage nach der Wahrheit des Glaubens von außen zu beantworten." Das ist eine glatte Ohrfeige an jeden realistisch wissenschaftlichen Geist! Verzeihung, aber für wie dumm möchte uns der Autor denn verkaufen? Das ist doch wohl ein klassischer Zirkelschluß. Wenn nicht von außen, wie soll denn Wahrheit dann beantwortet werden? Die Aussage (Christentum = wahr) wird von bestimmten Personen postuliert und dann sagen uns diese Personen, dass es doch etwas schwierig wäre, die Wahrheit dieser Aussage außerhalb dieses Personenkreises zu beantworten. Uff. Auch der nächste Absatz arbeitet mit einem äußerst cleveren Argument: Wir sind vielleicht keine Wissenschaft, aber wir sagen mal, wir wären eine, und der Beweis, dass wir keine sind, wird sicher nicht vor dem Sanktnimmerleinstag erbracht werden. Bis dahin machen wir einfach weiter (und kassieren Steuergelder).
Zum Abschluß dieses Abschnitts noch so eine kleine Unverschämtheit: „Und schließlich geht es um eine der Gründungsdisziplinen im abendländischen Universitätskanon.“ Sehr gut. Die Theologie leitet ihren Anwesenheitsanspruch an den Universitäten also nicht aus ihrer Wissenschaftlichkeit her (denn die kann sie nicht beweisen), sondern aus der Historie. Gewohnheitsrecht gegen Sinnhaftigkeit sozusagen. Oder eine andere Spielwiese der Kirche(n) auf denen diese Tendenzbetriebe öffentliche Gelder für ihre eigenen Zwecke missbrauchen.
„Es schreibt der göttlichen Schöpfermacht zu, logos zu sein – was nicht nur Wort bedeutet, sondern auch Vernunft oder Sinn“ In einem ca. 1800 bis 2000 Jahre alten Text wird vom Wort Gottes geschrieben. Eine Konnotation dieses Wortes ist „Vernunft“. Nun will uns der Autor doch tatsächlich weismachen, dass diese konnotative Bedeutung mit der übereinstimmt, die unser heutiges (nachaufklärerisches) Wort „Vernunft“ hat? Schreibt er nicht weiter oben selbst: „Die Texte der Bibel oder der frühen Konzilien sind in einer ganz anderen Zeit als der unsrigen geschrieben worden, mit anderen Absichten und Zielen, mit einem anderen geistigen Horizont.“?
„Auf einen Punkt gebracht: Eine Religion, deren Gott vom Wesen her vernünftig ist, wird sozusagen von ihrer höchsten Instanz her auf ein positives Verhältnis zur Vernunft festgelegt.“ Hierzu möchte ich kommentarlos folgendes Zitieren: „Es liegt vor, dass du, Galileo, Sohn des sel. Vincenzio Galileo aus Florenz [] angezeigt wurdest, dass du die von einigen gelehrte falsche Doktrin, die Sonne sei der Mittelpunkt der Welt und stehe still und die Erde bewege sich auch in einer täglichen Bewegung, für wahr hieltest; [] dass Du auf die der Heiligen Schrift entnommenen Einwände, die dir bisweilen entgegengehalten wurden, antwortetest, indem du besagte Schrift deinem Sinn gemäß auslegtest; [] Wir sagen, verkünden, urteilen und erklären, dass du dich, obengenannter Galileo, [] diesem Hl. Offizium der Ketzerei dringend verdächtig gemacht hast, nämlich dass du die falsche und den Heiligen und göttliche Schriften widersprechende Lehre für gültig gehalten und geglaubt hast, wonach die Sonne der Mittelpunkt der Welt sei [] und infolgedessen hast du dir alle kirchlichen Strafen und Bußen zugezogen, die von den Kirchensatzungen [] auferlegt und gegen sie verkündet werden. Wir sind es zufrieden, dass du von ihnen freigesprochen werdest, vorausgesetzt, dass du zuvor [] den obengenannten Irrtümern und Ketzereien und jeglichem anderen Irrtum und jeder Ketzerei wider die Katholische und Apostolische Kirche abschwörst, sie verfluchst und verabscheust [](1)
Zum Abschluss möchte ich noch folgende Bemerkung machen. Dieser Versuch, Theologie, und mithin das gesamt Christentum zu einer „rationalen“ Religion zu erheben sind nichts anderes, als letzte Anpassungen und Rückzugsgefechte! Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, so gleiche dich ihm an! Die Aufklärung und das wissenschaftlich rationale Denken sind nicht durch oder wegen des Christentums in die Welt gekommen, sondern TROTZ und GEGEN dieses! Erst mit dem Auftauchen von Aufklärung und Humanismus begann die Christenheit, all die unglaublichen Verstiegenheiten der biblischen „Berichterstattung“ als „Metaphern“ und „Bilder“ zu deuten, die für etwas anderes stünden, als für die wortwörtlich zu glaubende Wahrheit. Hier versucht sich eine völlig überkommene Geisteshaltung ein neues Mäntelchen umzulegen, um weiter ihr Unwesen treiben zu dürften. Seien wir auf der Hut! Oder, um mit Thomas von Aquin zu enden, „wonach die Vernunft zum Gipfel irdischer Tugend leiten könne, wie den Alten geschehen, aber nur Glaube und übernatürliche Gnade […] über die Vernunft hinaus zum Sitz Gottes leiten könnten.“(2) Verzichten wir doch weise auf den letzten Teil der Reise!
(1) „Urteil und Abschwörung, von 22. Juni 1633“ Übers. Christian Wagner, in Galileo Galilei; Schriften, Briefe, Dokumente, Hrsg. Anna Mudry, Band 2, Berlin 1987, S. 205-209 * Schreibt der Autor nicht gleich zu Beginn seines Artikels, „Wie aber kann man von Vernunftfreundlichkeit sprechen, wo sich doch der Glaub so häufig in Widersprüche verstrickt: mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften, [...] mit sich selbst?“ Ja, was denn nun? (2) J. Campbell „Schöpferische Mythologie“ Basel 1992 S. 141
Stellungnahme der Redaktion
Das Argument von Herrn Schmaude setzt schon voraus, was es zeigen will: Dass es sich bei Star Trek und der Bibel um Vergleichbares handelt. Es sind aber Bücher mit ganz verschiedenen Intentionen, die aus ganz unterschiedlichen Lebenszusammenhängen stammen. Star Trek ist (gut gemachte!) Unterhaltungsliteratur, die Bibel vor allem Glaubenszeugnis. Star Trek erhebt keinen Geltungsanspruch, die Bibel schon (wobei es aber nicht primär darum geht, ob paranormale Phänomene wirklich so stattgefunden haben). Dass man mit beidem ganz verschieden umgeht, versteht sich von daher von selbst.
Herr Unkelbach, warum sollte die Menschenwürde von der prominenten Stelle im Artikel 1 in die bloß einleitende Präambel verschoben werden? Woher haben Sie Ihr anscheinend ja sehr ausgiebiges Wissen über die Menschenwürde, und wem sie zukommt? Können Sie es so erklären, dass ein Zweifler das nachvollziehen kann? Oder können Sie sich bloß auf die Antwort zurückziehen: Wenn Sie es nicht wissen, dann kann ich es Ihnen auch nicht erklären. (In Klammern, wenn Sie so ein verworfenes Subjekt sind, dass Sie nicht FÜHLEN, dass ich im Recht bin, dann disqualifizieren Sie sich selber.) Wenn Sie das sagen würden, kann Ihnen jeder mit Fug und Recht entgegenhalten, dass Sie frech und impertinent die Regeln des Disputes verletzen. Dann würden Sie (nicht vorhandene?) Gründe durch unverschämte Diffamierung ersetzen.
Aber Sie sind sicher ein fairerer Disputant. Deshalb frage ich Sie, woran erkenne ich, dass ein Demenzkranker, ein Neugeborenes, oder ein 7 Tage alter Fötus in der gleichen Weise und im gleichen Maße Menschenwürde hat wie ein gesunder Erwachsener? Offenbar sind die Unterschiede sehr augenfällig; Gemeinsamkeiten, z.B. des humanen Fötus mit dem eines Schweines sind auch zunächst augenfällig - wo liegen also Ihre Kriterien? Auf Ihre Gründe bin ich gespannt. Aber bitte solche Gründe, die jeder in dieser Gesellschaft verstehen und als gültig anerkennen kann, auch Atheisten wie ich. Mit der Antwort auf die vorige Frage hätten Sie dann auch die Frage nach dem ominösen Wesen der Würde, die Sie aufwarfen, beantwortet. Gegenstand von Dahls Artikel war die Schwierigkeit, solche Kriterien zu nennen - deshalb bin ich besonders gespannt.
Noch ein Literaturhinweis: Franz Josef Wetz, Illusion Menschenwürde - Aufstieg und Fall eines Grundwertes, Klett-Cotta, 2005.
Dass sich Spektrum als populärwissenschaftliches Magazin dem Thema "Vernunft vs. Religion" widmet, ist mutig und äußerst begrüßenswert. Die Wissenschaft sollte nicht länger so tun als finde sie im wertfreien Raum, im "Elfenbeinturm", statt und könne sich abkoppeln von jeglicher Weltbild-Diskussion. Das ist verfehlt und verhilft nur Fanatikern und Fundamentalisten aufs Schild, die dann unwidersprochen das Blaue vom Himmel herunter behaupten können, sei es noch so absurd und längst durch Fakten und Erkenntnisse widerlegt.
Durch das Interview ist neben einem religiösem Standpunkt auch ein nichtreligiöser vertreten, insofern ist das Thema auch halbwegs ausgewogen behandelt, sofern das in der gebotenen Kürze überhaupt möglich ist. Den Hauptartikel einem Theologen zu überlassen, ist ein nahe liegender Gedanke der Redaktion. Allerdings weisen die einseitig aus der christlichen Ecke heraus formulierten Gedanken des Artikels von Herrn Tapp – obwohl sehr zurückhaltend und unter Einbeziehung kritischer Argumente vorgebracht – so viele Schwächen und Angriffspunkte auf, dass man sich wohl doch eher einen allgemeinen, vielleicht eher religionswissenschaftlichen Überblick gewünscht hätte.
Der christliche Glaube ist – wie bereits in einigen Kommentaren hier vermerkt – nur *ein* Angebot unter vielen anderen religiösen Weltbildern. Schon das ist eigentlich eines der wesentlichsten Argumente gegen jede Art von religiösem Glauben (im Sinne von "für wahr halten"): Dann müssten sich alle anderen religiösen Vorstellungen in anderen Teilen der Welt irren. Zufällig wir seien also im "wahren" Glauben aufgewachsen und erzogen worden? Schwer zu "glauben" …
Die im Artikel zu Beginn gemachte nötige Trennung des Wortes "Glaube" in ein emotionales Gefühl ("faith") und ein "für wahr halten" ("belief"), wird im Artikel dann leider wieder vermischt, etwa wenn zum Beispiel auf S. 58 von der Bibel als "Heiliger Schrift" und der dafür notwendigen "anderen Bedeutungsebene" die Rede ist.
Der Vorschlag (auf S. 62), am Wissenschaftsstatus der Theologie festzuhalten, solange die Unwissenschaftlichkeit nicht bewiesen ist, mutet gar abenteuerlich an. Würde Herr Tapp das Gleiche auch für den Glauben an UFOs, Elfen oder Klabautermänner vorschlagen? Da bleibt man doch lieber bei dem ontologisch sparsamen Gebot, eine (außergewöhnliche) These erst dann ernst zu nehmen, wenn relevante und mindestens ebenso außergewöhnliche Belege dafür zu finden sind, und nicht etwa dann, wenn es möglichst viele Menschen gibt, die daran geglaubt und Schriften darüber verfasst haben.
Die Theologie auf die Hermeneutik historischer Schriften zu beschränken, würde weder den Theologen noch ihren Kritikern gefallen – dann könnte man ja auch ganz auf "Theologie" verzichten und stattdessen gleich nur von Hermeneutik sprechen.
So bleiben am Ende des Artikels die vielen, auch vom Autor eingeräumten Gegenargumente gegen den Glauben: Von der Theodizee über die missglückten Gottesbeweise bis hin zur "umstrittenen" Wissenschaftlichkeit. Damit ist die Titelfrage des Spektrum-Hefts aus meiner Sicht klar beantwortet: Sind Wissenschaft und Religion vereinbar? Nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Theologie zu urteilen: definitiv nein.
Was hab ich daran nicht verstanden? Antibiotikaresistenzen sind ein umfassendes Problem. Über einen Aspekt wird berichtet und die Reaktion darauf ist hier, auf einen gerade mal nicht berichteten anderen Aspekt mit vollkommen anderen Akteuren zu verweisen (der im Übrigen ungleich mehr professionelle und öffentliche Zuwendung erfährt als das entsprechende Problem in der Landwirtschaft, da gibt es deutlich weniger Forschung, weniger Leitlinien, weniger Handlungswillen und weniger Öffentlichkeit). Mit EHEC hat das nichts zu tun, aber das dient der Argumentation offenbar ebenso wie banale Methodenkritik ohne Substanz. In der deutschsprachigen Wissenschaftsblogossphäre - und die ist überschaubar - reagiert man bei Vorwürfen gegenüber Praktiken in der hiesigen Landwirtschaft reflexartig: Von Ausgewogenheit keine Spur, das ganze wird schnell weltanschaulich verortet und dann als fehlerhaft und unwissenschaftlich gegeißelt.
Ich glaube, Du hast die Aussage des Kommentars nicht ganz verstanden. Es geht nicht darum, etwas zu bagatellisieren. Lars warnt lediglich - völlig zurecht - davor, dass wir uns jetzt mit großer Begeisterung auf die Tierhaltung stürzen und darüber völlig vergessen oder ausblenden, dass es in der Humanmedizin ein ähnlich drängendes Problem gibt.
PS: "Die Veterinärmedizin" hat damit übrigens auch nichts zu tun.
Grundsätzliche Unvereinbarkeit nicht ausdiskutiert
11.01.2012, Werner Kohl, Freiburg i. Br.Neue Antibiotikarichtlinien
11.01.2012, Dr. Peter Altreuther1.entsprechende Regeln für die Anwendung von Antibiotika im Futter schon bestehen - Dokumentation beim Tierarzt, beim Tierhalter, beim Hersteller des Futtermittels;
2.sich die großflächige Anwendung von Antibiotika, besonders in der Geflügelhaltung,über Futter oder Trinkwasser nicht vermeiden läßt;
3.der Verbraucher, trotz anderslautender Beteuerung,nicht bereit ist, das 10-20-fache für seine Hähnchen zu bezahlen (was er heute schon könnte, wenn er wollte).
Zu Punkt 2:In Geflügelställen mit mehreren tausend oder zehntausend Tieren, die oft auch noch verschiedene Herkunft haben,sind Infektionen Kettenreaktionen - 1,2,4,8... - man kann nicht bis zu einer Diagnose warten (das machen nicht einmal die Humanmediziner), weil schon nach einem Tag nichts mehr zu behandeln ist. Über die angewandten Wirkstoffe und die Dauer ihres Einsatzes, wie sie im Bericht des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW berichtet sind, kann man im einzelnen streiten, nicht aber über die Notwendigkeit der Behandlung.
Geflügelfleisch enthält oft Keime, meist Salmonellen oder Campylobacter, die bei fehlender Küchenhygiene gelegentlich für Infektionen sorgen. Selbst im Normalhaushalt wären Gummihandschuhe,(die anschließend zu entsorgen sind) und sorgfältige Reinigung der Geräte und Flächen (und Finger) anzuraten. Nach üblicher Zubereitung durch Braten oder Kochen sind keine Keime mehr zu befürchten.
Wissenschaftler?
11.01.2012, H. VolkWas bilden sich einige Menschen eigentlich ein, der Natur vorzuschreiben bzw. nachzusagen, was sie in Zukunft zu machen hat oder nicht. Wie lange exisitiert die Erde und wie lange der Mensch, dieser nicht einmal einen Wimpernschlag ggü. der Erde. Und jetzt verändern wir das Klima. Super. Und was macht die Erde, die rülpst (Erdbeben - Menschengemacht?????) und spuckt (Vulkane - menschengemacht?????). Und wenn sie richtig rülpst und/oder spuckt, ist der mensch mensch gewesen und hat gar nichts gemacht!!! (Yellowstone-Vulkan u.ä.)
Wir nehmen uns schon sehr wichtig. Und unsere Politiker und Wirtschaftsheinis werden auf diesen Zug aufspringen, um dem Menschen Angst zu machen und um ihn wieder abkassieren zu können.
Entgegnung an Herrn Stoellger
11.01.2012, Bernhard BeckerWerter Herr Becker, ich schmeiße sofort die "atheistischen Argumente in die Mottenkiste", wenn in dieser doch wohl der Wissenschaft verpflichteten Zeitschrift jene Fragen beantwortet werden, die Fr. Dr. Tina Gottwald zu Recht gestellt hat. Ich warte schon seit Jahren darauf. Leider erhalte ich auch hier keine konkreten Antworten und/oder keine, die sich mit den Erkenntnissen der Wissenschaft decken, schlimmstenfalls gut geschwurbelte Hermeneutik oder auch das sei das "Geheimnis des Glaubens". Nun, ich bin immer noch gespannt und neugierig! Fröhliche Weihnachten!
Frau Gottwald hatte ein paar angeblich "unangenehme Fragen" gestellt, was "wissenschaftlich geprägte" Christen "konkret" glaubten und nannte Jungfrauengeburt, Auferstehung Jesu, Gebetserhörung und vieles mehr. Zugleich war sie jedoch sicher, dass "alle diese Beispiele sehr konkret allen uns bekannten Naturgesetzen" widersprechen.
Sie möchten eine wissenschaftliche Antwort - nun gut: jene Gesetze entdecken zu wollen, denen "die Natur gehorcht"; zu enthüllen, wie diese Welt von einem vernünftigen Schöpfer geschaffen wurde, sie also, wie Platon forderte, "an den Gelenken zu zergliedern" war einst das kühne Programm der Neuzeit: Mathematik, meinte Galilei, sei die Sprache, in der "Gott das Universum geschrieben" habe. Wer sich nach ihr richte, werde am Ende, so Descartes, für alles einen Begriff oder eine Formel gefunden haben. Da ich davon ausgehe, dass weder Sie noch ich das heute noch glauben, versuche ich es mit dieser gemeinsamen Basis: Wissenschaft sucht mögliche Erzeugungsregeln, indem sie formal die Existenz eines "lógos" unterstellt. Sie reduziert auf diese Weise Komplexität und konkurrierte so als "Rationalismus" erfolgreich mit dem älteren Mythos, der Komplexität reduziert, indem er eine sinnvolle Geschichte erzählt. Diese "Vergötterung" (so Heidegger) technisch-instrumenteller Vernunft wird vermutlich erst enden, "wenn der Mythos vom lógos von der Lüge befreit wird, er könne begriffliche Wahrheit werden" (Bernhard Becker, Warum ich an GOTT glaube, Leipzig 2011, S. 124).
Die erste Antwort - die Ihnen sicher nicht genügen wird - setzt darum eigentlich nur voraus, Textsorten unterscheiden zu können: dass also eine Geschichte, in der Steine, Götter oder Esel sprechen, weniger "allen uns bekannten Naturgesetzen" widerspricht, sondern wohl eher schlicht eine Fabel o.ä. ist - und dass dieser Befund auch (bzw. gerade) dann zutrifft, wenn Dogmatiker sie als "wörtlich wahr" ansehen: Denn die wollten - wie z.B. die peinliche Posse um die "Unfehlbarkeit" des Papstes zeigte - bloß mit dem neuen Aberglauben der Moderne an eine allmächtige "Vernunft" gleichziehen. Ähnlich wie bei Tolkien oder Harry Potter hatte ich jedenfalls bei Jona & dem Wal nie Probleme, hier einen nichtdeskriptiven Sinn zu verstehen. Und wie bei Odysseus oder König Ödipus "existiert" dieser Sinn völlig unabhängig von dem kontingentem Faktum, ob das Erzählte "tatsächlich passiert" ist oder nicht. Dazu müsste man sich aber trauen, Bibeltexte als Story (und nicht als wissenschaftlichen "Sachtext") zu lesen: Die Emmaus-Erzählung der Bibel etwa verschweigt sogar den theologisch wichtigsten Teil (wie die Schrift Jesus zufolge nämlich "richtig" zu deuten sei). Hier geht es auch nicht um den historischen Beweis, dass Christus nach seinem Tod noch herumlief und essen konnte, sondern vor allem um die Bestätigung seines Wortes, dass das, was Du "dem geringsten deiner Brüder" Gutes tust, wahrer "Gottesdienst" sei. Die Jünger haben einen Fremden nicht allein in die Nacht gehen lassen: "Das gemeinsame Gespräch sowie das Brechen des Brotes ist die Gemeinschaft mit Gott; sie erkennt sich aber erst, wenn und indem es geschieht. Ihr geht eine Einladung voraus, sie verschwindet (wie Jesus) im Vollzug und muß darum ständig erneuert werden." So lautet meine(!) Deutung, die ,- sofern daraus praktische Folgen erwachsen - zu meinem "Glauben" wird.
Warum es zu allen Zeiten derart merkwürdig-metaphysische Geschichten geben wird (man denke etwa an Kafka, wo "vor dem Gesetz" ein Türhüter steht), könnte uns vielleicht Umberto Eco erklären, der als Agnostiker davon ausgeht, dass es keinen Gott gibt und "der Mensch durch einen Irrtum des täppischen Zufalls auf der Erde erschienen sei, nicht nur seiner Sterblichkeit ausgeliefert, sondern auch dazu verurteilt, ein Bewusstsein zu haben, mithin als das unvollkommenste aller Wesen." Gerade ein ohne jeden Sinn in die Welt geworfener Mensch, so seine Erklärung als Erzähler und Wissenschaftler, würde jedoch, "um den Mut zu finden, auf den Tod zu warten, notgedrungen ein religiöses Wesen werden, er würde sich bemühen, Erzählungen zu ersinnen, die ihm eine Erklärung und ein Modell liefern könnten, ein exemplarisches Bild."
Wem dazu als Kritik nicht mehr einfällt als Platons Urteil, Dichter würden halt lügen, hat dann wohl einiges nicht mitgekriegt. Aber vielleicht haben ja auch Sie (wie übrigens alle katholischen Theologen) mit Aristoteles gelernt, über diese Welt müsse und könne es (als wäre sie so eine Art Kreuzworträtsel) nur eine einzig richtige Beschreibung in dieser Welt geben: eben darum seien Bilder und Metaphern prinzipiell etwas Geringeres als exakte Begriffe. Doch dann hat Sie vermutlich noch nie jemand mit der gegenwärtig aktuellen Philosophie des "Konstruktivismus" beunruhigt - im Unterschied jedenfalls zu Eco, den das als gelernten Semiotiker jedoch nicht weiter aufregt. Denn wäre er "ein Reisender aus einer fernen Galaxie" und stünde vor einer Spezies, die es tatsächlich geschafft habe, (neben anderen eher peinlichen Versuchen) das Modell des Christus zu entwerfen, "das Modell der universalen Liebe, der Vergebung für die Feinde und des zur Rettung der anderen geopferten Lebens" - dann würde er "ihre enorme theogone Energie bewundern" und diese jämmerliche und niederträchtige Spezies, die so viele Gräuel begangen hat, allein dadurch als erlöst betrachten, daß sie es geschafft hat, sich zu wünschen und zu glauben, dies alles sei Wahrheit". (Carlo Maria Martini/Umberto Eco, Woran glaubt, wer nicht glaubt?, Wien 1998, S. 124)
Wenn Eco somit sagen kann: "Die Tatsache, dass diese Erzählung von ungefiederten Zweibeinern, die nur wissen, dass sie nichts wissen, erdacht und gewollt werden konnte, wäre ebenso wunderbar (wunderbar geheimnisvoll), wie dass der Sohn eines wirklichen Gottes wahrhaftig Mensch geworden sein soll", dann haben wir es offenbar mit einer anderen Art "Wahrheit" zu tun als diejenige, nach der Frau Dr. Gottwald fragt.
Sollten das für Sie nur "geschwurbelte Hermeneutik" sein, mache ich das nächste Fass auf: Wieso sollte wahres Wissen überhaupt für Sie hilfreich sein? Oder um mit Goethes "Maximen und Reflexionen" noch deutlicher zu werden: "Wäre es Gott darum zu tun gewesen, dass die Menschen in der Wahrheit leben und handeln sollten, so hätte er seine Einrichtung anders machen müssen." Darum dieses etwas drastische Beispiel: Falls Sie einigermaßen glücklich verheiratet sind, halten Sie es für eine verlässliche Tatsache, dass Ihre Frau sie liebt. Ein wissenschaftlich wahrer Sachverhalt wäre das jedoch erst dann, wenn sie endlich aufhören zu glauben und Poppers Falsifikationsprinzip zufolge gewissenhaft alle Bedingungen prüfen, unter denen diese Aussage unwahr wäre. Andererseits möchte ich Ihnen so etwas auch nicht raten, weil Ihre Ehe dann ziemlich schnell zuende sein könnte - und zwar (unabhängig vom möglichen Ergebnis) gerade deshalb, weil sie es mit Mitteln der Wissenschaft versucht haben. Sollte es Sie darüber hinaus etwa reizen, ihre vorwissenschaftliche Ansicht zu hinterfragen, ihr geliebtes Weib sei ein "geiler Feger", so könnten Sie auch das nur in einer standardisierten Reihenuntersuchung feststellen, die andererseits freilich aus methodischen Gründen scheitern wird: Unter dem Postulat der Wertfreiheit gilt als "wissenschaftlich wahr" nämlich nur das, was ohne eigenes Zutun gleichsinnig erlebt wird. Mit dieser Methodik allein ließe sich also nicht einmal die Wirksamkeit von Viagra testen. Denn auch die stellt sich ja nur dann ein, wenn eigene sexuelle Erregung vorhanden ist. Wenn man also z.B. in Intimbeziehungen (aber nicht nur dort) "Hypothesen bildet, die nur durch Herstellung entsprechender Verhältnisse verifiziert werden können", so Luhmann, dann "hat Habermas in gewisser Weise recht. Man kann nämlich fragen, ob diese Differenzierung von Erleben und Handeln als Grundlage des Wahrheitscodes auch in den Sozialwissenschaften durchhaltbar ist." (Habermas/Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt 1971, S. 398)
Denn die mit den Mitteln der Wissenschaft geprüfte Wahrheit wird, "auch wenn durch Handlung mitbedingt, dem Handeln nicht zugerechnet." Obwohl also "Kausalität besteht und bekannt ist", so Luhmann, ist darum nicht Konrad Röntgen "schuld", wenn Patienten radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind. Doch wissenschaftliches Wissen "ist nicht deshalb wahr, weil es die Welt getreulich abbildet, sondern entsprechende Komplexität hat und deshalb übertragbar ist". Erst die Reduktion auf gleichsinniges Erleben unabhängig vom Tun und Lassen beliebiger "Subjekte" erzeuge somit, so Luhmann, "die Form einer vorhandenen Welt, in der man sich handelnd bewegt." Es sieht also nur so aus, als ob wir die Welt von einem Standpunkt außerhalb der Welt objektiv sehen könnten: Tatsächlich steckt hinter diesem Schein eine Menge wissenschaftlicher Arbeit. Weiß man das nicht (oder retuschiert es), wird das Ideal zur Illusion: Unbeobachtbarkeit als Folge realer Beobachtungen erscheint dann als lösbares Zeitproblem des "noch nicht" - und erzeugt so das Trugbild einer uns allen zugänglichen "einen" Welt, wie sie z.B. die Philosophie eines John Locke, aber auch Kant als vernünftig-transzendentale Sicht eines singulären(!) Beobachters entwirft. Sie entspricht dem, was Hegel "natürliches Bewusstsein" nannte. Doch auch, wo man sich später materialistisch bzw. atheistisch gibt, ist und bleibt es formal die Philosophie des Idealismus, die ja nur mit Gottes Hilfe erklären kann, warum ausgerechnet wir die Welt so sehen, wie sie "ist". Funktional trat dann an die Stelle Gottes die kollektive Fiktion, "der Mensch" verfüge (im Unterschied zu Fledermäusen) über Vernunft. Wo die nun aber herkommen
soll, will man auch bei SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT meistens nicht so genau wissen. Vielleicht hilft Ihnen dieser kleine Exkurs, ein wenig zu verstehen, dass religiöse Texte in Bibel oder Koran in erster Linie appellativer Natur sind: sie fordern Leser/Hörer auf, ihre Lebenseinstellung zu ändern, und auch Vertrauen gegenüber Unbekannten, so die Erkenntnis der Sozialwissenschaften, kann erst einmal nur ins Blaue hinein gewährt (kontrafaktisch antizipiert) werden, ohne dass es hier vernünftige Gründe geben muss. Ob Gott also "Gebete erhören" oder "Sünden verzeihen" kann, die Frau Dr. Gottwald wissen möchte, wird sie darum schon selbst herausfinden müssen - und ganz gewiss nicht dadurch, dass sie unbeteiligt beiseitesteht, um es "objektiv" zu überprüfen. Religion, um ihre Eingangsfrage ohne theologische Floskeln zu beantworten, funktioniert daher vermutlich ebenfalls mit Hilfe von Hypothesen, "die nur durch Herstellung entsprechender Verhältnisse verifiziert werden können". Diese "Inhalte" wirken hier aber lediglich als Katalysator: d.h. wie bei der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus bleibt es letztlich unerheblich, ob sie kontrafaktisch gewesen sind oder nicht. Dieser Algorithmus ist so komplex, dass man ihn statt einer wissenschaftlichen Beschreibung noch am ehesten als Erzählung versteht - wie etwa jene Kalendergeschichte von Johann Peter Hebel, in der ein Wanderer bei einem geizigen Mann über Nacht Herberge gefunden hat, aber keinerlei Aussicht auf ein Abendbrot. Also zieht er aus seiner Tasche einen Kieselstein und fragt, ob er sich daraus eine Suppe kochen könne - ein einfaches, schmackhaftes und übrigens sehr sparsames Gericht, da die Kraft des Steines sich niemals erschöpfe. Der Wirt erlaubt es und ,- neugierig geworden - steuert er nicht nur Topf, Herd und Wasser bei, sondern auch ein wenig Gemüse und am Ende sogar ein Stückchen Fleisch. Die Suppe mundet beiden ausgezeichnet und am Ende bleibt, wie versprochen, der zauberhafte und immer wieder verwendbare Kiesel übrig.
Aus dieser Sicht sind "Inhalte" des religiösen Glaubens notwendige Ausgangsfiktionen, deren Faktizität unerheblich bleibt: ein "Malteserfalke" oder "McGuffin" wie bei Hitchcock, hinter dem alle her sind - eine Art "zwölftes Kamel" also, ohne das jedoch nichts beginnen könnte. Das, so lautet das Gesetz der Latenz, klappt aber nur, indem (und so lange) ich es nicht weiß - und die Hoffnung, Aufklärung könne hier etwas verbessern, kann nur jemand hegen, der die Logik dieses paradoxen Ablaufs nicht begriffen hat. Gälte dieser Befund jedoch allein für Religion, bliebe Misstrauen angesagt. Doch Viktor Frankl beschrieb ganz ähnliche Strategien, mit denen er vier KZs überlebte, und bereits die praktische Philosophie Kants gelang mit ihrer Quintessenz des "als ob" Vergleichbares. Die Methode des Descartes, alles in dieser Welt ließe sich klar und deutlich als vernünftiges Gesetz formulieren, ist jedenfalls gescheitert: Der Zweck unseres Verstandes, so Kant, sei ein "focus imaginarius", dessen Ziele unerreichbar blieben. Daher sah seine "Kritik der reinen Vernunft" ihre Aufgabe "wohl nur negativ": Vernunft sei eine "Disziplin zur Grenzbestimmung und Verhütung von Irrtümern", aber kein "Organon" zur Erweiterung unseres Wissens. Egon Friedell fasste das einmal so zusammen: "Unsere Vernunft ist nicht imstande, zu beweisen, dass der Mensch frei ist, dass er eine immaterielle und unsterbliche Seele besitzt, dass ein Wesen von höchster Weisheit und Güte die Welt regiert, aber sie darf und soll, ja muss vermöge ihrer metaphysischen Anlage die Welt und den Menschen so ansehen, als ob es sich so verhielte."
Ähnlich wie in Ecos "Der Name der Rose" sind es jedoch gerade dogmatische Fundamentalisten (auf allen Seiten: bei Gläubigen ebenso wie Aufklärern), denen wie Jorge dieses "Geheimnis des Glaubens" offenbar entgeht: "Du willst mir voller Stolz erklären, wie du auf mich gekommen bist, indem du dich an deine Ratio gehalten hast, und dabei sagst du mir, dass du ans Ziel gelangt bist, indem du eine falsche Fährte verfolgt hast. Was willst du mir damit klarmachen?" "Nichts. Jedenfalls dir nichts", lautet die Antwort des Detektivs: "Aber das spielt keine Rolle, denn eins steht fest: Ich bin hier."
Und so glaube auch ich als Christ "an die Auferstehung der Toten" - ohne mich dabei als Hinterwäldler oder Heuchler zu fühlen, auch wenn ich es nicht wie Augustinus für eine (natur)wissenschaftliche Tatsache halte. Damit erspare ich der Nachwelt nicht nur ein paar alberne Spekulationen, in welchem Alter mein Leib am besten in die Ewigkeit eingehe. Es bewahrt mich zudem vor dem Fehlschluss Pascals, klüger sein zu können als jener - oder meine vorläufigen Erklärungen ex cathedra bzw. als "wissenschaftliche Tatsache" zu verkünden. Das überlasse ich dann doch lieber atheistischen Päpsten wie Michel Onfray oder Richard Dawkins: So viel Vernunft muss schon sein. Religion, so Luhmann, transformiert unbestimmbare in bestimmbare Komplexität. Aus Sicht der Aufklärer liest sie daher im Kaffeesatz (was sich wissenschaftlich nur unwesentlich verbessern ließe), kommt aber gerade in den Fällen zu brauchbaren Entscheidungen, bei denen Wissenschaftler ehrlicherweise ignoramus bzw. syntax error sagen müssten. Ihr generell ein falsches Verhältnis zur Realität zu unterstellen, ist schon deswegen Unfug, weil ihre Funktion gerade die Evolution verschiedener kommunikativer Möglichkeiten des Umgangs mit dem "Unbeobachtbaren" sei. Wer meint, dies werde irgendwann überflüssig, weil hinter allem in der Welt ein verstehbares rationales Kalkül stecken müsse, glaubt an den Gott des Rationalismus, den toten Herrn im Lehnstuhl des Deismus. Als Katholik aber (wie ihnen Horkheimer/Adornos "Dialektik der Aufklärung" gern bestätigen wird) bin ich für solchen Unsinn leider viel zu "heidnisch".
Antibiotika prophylaktisch?
11.01.2012, Erich HannakDas hat dann wohl die Konsequenz, dass mehr und mehr resistente Keime entstehen.
Es ist an der Zeit, dass durch entsprechende Gesetze in der Tierzucht die prophylaktische Verabreichung von Antibiotika verboten wird.
Schuld sind immer die anderen
11.01.2012, Dr.Hans-Joachim ScheelDiskussionsbeitrag zum Thema "Vernunft - Glaube"
11.01.2012, Prof. Dr. Bernhart OhnesorgeKroto argumentiert als Naturwissenschaftler. Die Tatsache, dass Gott mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht nachweisbar ist, ist für ihn ein hinreichender Beweis dafür, dass er nicht existiert. Hierin sehe ich einen Schwachpunkt seiner Argumentation. Wie ich im Folgenden darzulegen versuche, ist eine Unmöglichkeit, etwas mit einer bestimmten Methode nachzuweisen, noch kein Beweis für seine Nichtexistenz. Man kann also die Nichtexistenz Gottes ebenso wenig mit naturwissenschaftlichen Methoden beweisen wie seine Existenz. Man kann an beides glauben. Mithin ist Krotos Auffassung gleichfalls ein Glaube, ein Glaube, den er mit gleicher Unduldsamkeit wie ein christlicher oder islamischer Fundamentalist vertritt.
Ich möchte meine Ansicht mit einer Reihe von Argumenten untermauern, angefangen mit dem Aufzeigen der Grenzen unseres Vorstellungsvermögens bis hin zu den Grenzen der naturwissenschaftlichen Kausalanalyse und dabei diejenigen Gründe nennen, die mich zum Glauben an Gott veranlassen.
1. Wenn wir die uns umgebende Wirklichkeit auf ihre Kausalität hin untersuchen, so stoßen wir sehr schnell auf Bereiche, die sich der direkten Wahrnehmung entziehen, und schließlich sogar auf Bereiche, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen. Die hier auftretenden Phänomene können in einem scheinbar unlösbaren logischen Widerspruch zueinander stehen. Einfaches Beispiel: Das, was wir als Licht wahrnehmen, erscheint bei näherer Analyse je nach der angewendeten Methodik einmal als Welle, das andere Mal als Teilchen. Beides lässt sich in unserer Vorstellung nicht miteinander vereinbaren: Ein Teilchen kann hier nicht gleichzeitig eine Welle sein. Wir müssen also annehmen, dass beiden Phänomenen ein Etwas zu Grunde liegt, das sich je nach der Fragestellung bzw. angewendeten Methode entweder als Welle oder als Teilchen manifestiert und das sich unserem Vorstellungsvermögen entzieht. Fazit: In der Wirklichkeit gibt es Bereiche, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen.
2. Verfolgen wir Kausalketten beginnend mit dem Bereich der Quantenphysik über diejenigen der physikalischen Chemie. Chemie, Molekularbiologie zur Biologie, so stoßen wir auf Strukturen immer höherer Organisationsstufe und gleichzeitig immer größerer Komplexität. An der Spitze finden wir uns selbst, den Menschen als Einzelwesen sowie in den mannigfaltigen Formen seines Zusammenlebens. Die Frage erhebt sich nun: Endet die Kausalkette hier, oder müssen wir mit einer Schicht der Wirklichkeit rechnen, die noch höher organisiert ist und in der infolgedessen eine noch höhere Vernunft herrscht, als sie uns gegeben ist? Derjenige, dem es vermessen erscheint, sich selbst als das höchste denkbare Wesen, gewissermaßen als die Krone allen Seins anzusehen, wird der zweiten Auffassung zuneigen.
3. Naturwissenschaft, sofern sie sich nicht auf die pure Beschreibung von Phänomenen beschränkt, will deren Ursachen analysieren; m. a. W., die Kausalanalyse ist ihr eigentliches Feld. Mit Recht beschränkt sie sich darauf, denn nur sie erlaubt, beweiskräftige Aussagen zu treffen. Teleologische Fragestellung, Fragen nach einem Ziel und Sinn bleiben ausgeklammert. Ein Fehler wäre es indessen, aus dieser – methodisch bedingten – Selbstbeschränkung abzuleiten, dass es im Weltgeschehen kein Ziel und keinen Sinn geben könne, dass also alles, was prinzipiell nicht durch Kausalanalyse erfasst werden kann, nicht existiere. Wer so argumentiert, gerät zuweilen in einen Erklärungsnotstand, denn es gibt zahlreiche Vorgänge, die offensichtlich zielgerichtet sind. Wenn ich meinem Gegenüber eine Information zukommen lassen will, setze ich eine Kausalkette in Gang: Mein Gehirn sendet Nervenimpulse zu meiner Sprachmuskulatur, die wiederum Schallwellen erzeugt, die wiederum das Trommelfell meines Gegenübers in Schwingungen versetzen, wodurch über die Druckschwankungen im Innenohr die dort vorhandenen Sinneszellen in Erregung versetzt werden, die über den Hörnerv in das Gehirn gelangt und dort zu der beabsichtigten Information verarbeitet wird. Das heißt, diese (sehr vereinfacht dargestellte) Kausalkette hat von vornherein ein Ziel. Dieses Dilemma ließe sich allerdings dadurch lösen, dass mein Entschluss, eine Information zu senden, selbst als das Endergebnis zahlloser komplexer Prozesse auf molekularer Ebene angesehen wird. Dies bedeutet aber: Wer die Welt und die in ihr ablaufenden Vorgänge rein kausalanalytisch deuten will, muss zwangsläufig das Vorhandensein jeden freien Willens abstreiten.
4. Aus dem eben Gesagten ergibt sich jedoch ein neues Dilemma: In der streng kausalanalytischen Argumentation erscheinen die subjektiven Elemente meiner Mitteilung an mein Gegenüber – also die Gedanken, die zu meinem Entschluss führen, die Emotionen, die meine Mitteilung in meinem Gegenüber hervorruft – für die kausale Erklärung des Vorgangs völlig überflüssig, nur unwesentliche Begleiterscheinungen. Aus den molekularen Prozessen, die dem Vorgang zu Grunde liegen, kann man nicht ableiten, dass es sie überhaupt gibt. Ja, ein extraterrestrischer Beobachter, der nur die Prozesse auf der molekularen Ebene erfassen kann, müsste den Gedanken, dass es so etwas wie Empfindungen gibt, als unwissenschaftlich ablehnen. Allenfalls könnte er eine gewisse Zweckmäßigkeit erkennen; dass dieser aber ein Denkvorgang zu Grunde liegt, müsste er abstreiten. Das Dumme ist nur: Unser Bewusstsein, unsere Empfindungen und unser Denken existieren trotzdem; das kann niemand leugnen. Fazit: Unser subjektiv erlebtes Ich, unser Fühlen, Empfinden, Denken, Planen, Wollen, lässt sich naturwissenschaftlich beziehungsweise kausalanalytisch nicht beweisen, nur erfahren.
5. Was für die Wirklichkeitsebene unseres Bewusstseins gilt, sollte erst recht für den darüber liegenden Bereich der Wirklichkeit – sofern es ihn gibt – gelten. Man kann ihn nicht beweisen, nur erfahren. Wie kann man ihn erfahren? Nun, zum einen über die Vernunft. Wenn man die Naturprozesse, die im Einzelnen meist ungerichtet und zufallsbedingt abzulaufen scheinen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, so kann man sehen, dass sie sich auf ein (uns unbekanntes) Ziel hin entwickeln, offenbar zielgerichtet ablaufen. Wie Max Planck feststellte, legt dies den Gedanken an eine übernatürliche ordnungsstiftende Kraft nahe. - Zu denken gibt ferner die Tatsache, dass in allen Kulturen der Glaube an übersinnliche Mächte sowie das Bestreben, mit ihnen Verbindung aufzunehmen, vorhanden sind. Diese Empfindung für das Wirken übersinnlicher Kräfte, die offenbar in allen Menschen angelegt und vielleicht in Vorstufen auch in einigen höheren Tierarten vorkommt, ist die Basis für das Entstehen aller Religionen. – Und schließlich sind da die Erfahrungen, die einzelne Menschen gemacht haben. Erfahrungen sehr unterschiedlicher Intensität, von der einfachen Empfindung, dass in besonderen Situationen, die man erlebt, göttliches Walten geherrscht hat, etwa bei der Errettung aus großer Gefahr, bis hin zu den Visionen, die Propheten und die großen Religionsgründer erlebt haben. Gewiss, man kann auch diese Visionen rein natürlich deuten, was aber keineswegs ausschließt, dass sie nicht letztlich Ausdruck eines göttlichen Willens sind. Die Nervenimpulse, die unsere Muskulatur zu bestimmtem Handeln veranlassen, haben alle eine physikalisch-chemische Basis; aber es steht unser bewusster Wille dahinter. Alle diese Erfahrungen stellen keinen Beweis im klassischen Sinn dar, aber sie sind eine ausreichende Basis dafür, dass unser Glaube an eine göttliche Macht ein hinreichend begründeter Glaube ist.
6. Es widerstrebt der menschlichen Natur, sich mit der Tatsache abzufinden, dass es Dinge gibt, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen. Will sich der menschliche Geist eingehender mit ihnen beschäftigen, so schafft er sich in seiner Vorstellung Bilder von ihnen, die leichter zu begreifen und zu durchdenken sind. Auch eine so exakte Wissenschaft wie die Theoretische Physik folgt dieser Vorgehensweise. Das Atommodell eines von einem oder mehreren Elektronen umkreisten Kernes von Niels Bohr ist ein solches Bild, das die uns unvorstellbare Realität uns begreifbar macht. So ist es nur natürlich, dass in allen Kulturen die göttliche Macht in einer Vielzahl von Bildern unterschiedlichster Art vorgestellt und zum Teil auch bildliche dargestellt wurde. In den drei großen monotheistischen Religionen ist dies das Bild eines persönlichen, nach Menschenart handelnden Gottes. In zwei dieser Religionen - der jüdischen und dem Islam – ist die bildliche Darstellung Gottes verboten. Eine weise Vorschrift, denn mit der bildlichen Darstellung wächst die Gefahr, dem Gottesbild allzu menschliche Züge zu verleihen und damit auch göttliches Handeln nach menschlichen Maßstäben zu beurteilen. Die im Grunde unlösbare Frage der Theodizee, der Rechtfertigung Gottes angesichts des vielen Leidens, Elends und Ungerechtigkeit auf der Erde entspringt einer solchen vermenschlichenden Vorstellung. Wenn der Prophet Jesaja (55, 8-9) sagt: „… meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“ spricht der Herr „sondern so viel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind auch meine Wege höher denn eure Wege und meine Gedanken denn eure Gedanken“, so ist damit ausgedrückt, dass sich göttliches Handeln jedem Versuch einer Rechtfertigung entzogen ist.
Eine der vornehmsten Aufgaben der Theologie sollte daher sein, die biblischen Texte daraufhin zu analysieren, was an ihnen zeit- und kulturbedingtes Bild, also Mythos beziehungsweise in christlicher Terminologie Gleichnis ist und dabei ihre überzeitliche Kernaussage herauszuarbeiten.
Die Notwendigkeit einer zweiten Aufklärung
11.01.2012, Helmut HansenEs ist eine historisch seltsam anmutende Tatsache, dass gerade der Gegenstandsbereich, der allem zu Grunde liegen soll, bis heute wissenschaftlich unaufgeklärt geblieben ist. Wir haben die Struktur der Materie aufklären können, den Kode des Lebens entschlüsselt und sind im Begriff, die Energie der Sonne zu bändigen, doch das Transzendente ist nach wie vor Gegenstand diffuser Überzeugungen.
Um seine Existenz zu behaupten, beziehen wir uns auf Texte, deren Ursprünge sich im Dunkel der Zeit verlieren. Als Papst Johannes Paul II. 1998 seine Enzyklika FIDES et RATIO publizierte, war dies zugleich der Ruf nach einer modernen Metaphysik - ein Ruf, der bis heute allerdings unbeantwortet geblieben ist.
Doch Metaphysik als Wissenschaft ist möglich! Was sie möglich macht, sind gerade jene Eigenschaften, die auch dem christlichen GOTT zugeschrieben worden. Es sind beispielsweise Eigenschaften wie die der ALLGEGENWART (Psalm 139 und der UNSICHTBARKEIT (Röm 1, 20).
Es sind diese speziellen Eigenschaften, die das Transzendente von allen uns bekannten Forschungsgegenständen unterscheiden. Doch bis heute ist niemand systematisch der Frage nachgegangen: Wie muss eigentlich ein Universum aussehen, wenn sein letzter und ultimativer Grund durch diese speziellen Eigenschaften charakterisiert sein soll?
Es ist unmittelbar einsichtig, dass ein Universum mit unsichtbarem Grund sehr speziellen Bedingungen genügen muss. Der Physiker Albert Einstein hat sich stets die Frage gestellt, ob Gott bei der Schaffung des Universums eine Wahl hatte - oder ob spezielle Bedingungen, wie die der logischen Einfachheit, überhaupt eine Wahl zuließen. Es ist nahe liegend anzunehmen, dass Gott, wenn er auf der Bühne des sichtbaren Universums unsichtbar bleiben wollte, dasselbe auf eine sehr spezielle Weise einzurichten hatte.
Die durch die vorgenannten Eigenschaften diktierten Bedingungen lassen sich in der Tat spezifizieren - mit dem höchst überraschenden Ergebnis, dass u-n-s-e-r Universum eben diese Bedingungen empirisch (!) zu erkennen gibt; wenigstens näherungsweise.
Diese Art von wissenschaftsorientierter Metaphysik hat indessen einen Preis: Wenn die UNSICHTBARKEIT dieses ultimativen Grundes das ebenso zwangsläufige wie natürliche Ergebnis einer spezifischen Konzeption des Universums ist, dann wäre es einem solchermaßen definierten Gott nicht länger möglich, sichtbar in Erscheinung zu treten - weder zu Beginn noch am Ende der Zeit. Unsichtbarkeit wäre, so verstanden, eine temporär unaufhebbare Eigenschaft Gottes.
Mit anderen Worten: Eine moderne Metaphysik, die diesem Gedanken folgt und Bestand hätte, würde dramatische Folgen für unser Gottesbild haben.
Ob unsere "aufgeklärte" Gesellschaft an derlei Untersuchungen Interesse hat, ist indessen eine offene Frage.
Ein umfassendes Problem
11.01.2012, Sören ScheweKritik an der reinen Unvernunft
11.01.2012, Martin Schmaude, EsslingenDas Gedankenspiel darf erlaubt sein: Was, wenn im Alten Testament tatsächlich durch historische Gründe bedingt kein unsichtbarer Gott, sondern ein Schuh angebetet werden würde und im Neuen Testament sagen wir, ein Schuhmachersohn für die Erlösung der Welt (was immer das sein soll) geopfert werden würde? Nun, man darf annehmen, dass die Theologie durchaus auch dies mit hermeneutischen Zirkeleien zu untermauern versuchen würde. Mit anderen Worten: Ganz gleich, was in den Grundtexten auch für Aussagen stehen mögen, würde eine entsprechende Theologie mit aller Macht versuchen, diese Aussagen zu rechtfertigen. Der Inhalt ist also gänzlich unwichtig, nur die Beweisführung ist wichtig. Was für eine Schande!
Bereits die Tatsache der im Lauf der Zeiten völlig unterschiedlichen religiösen und vorreligiösen spirituellen Systeme zeigt, dass Inhalte hier völlig irrelevant sind (und irr genug). Animismus, Schamanismus, Hinduismus, der Glaube der alten Ägypter, der Sumerer, Vielgötterei oder die Vorherrschaft weiblicher Gottheiten in so genannten Gartenbaukulturen zeigen doch schlagkräftig, wie unsinnig es ist, Inhalte (theologisch oder sonst wie) beweisen zu wollen. Es handelt sich ganz einfach bei all diesen literarischen Schöpfungen um historisch bedingte irreale Räume, die der menschliche Geist durchschwirrt und erfindet!
Zu einzelnen Abschnitten im Artikel:
„Wie aber kann man von Vernunftfreundlichkeit sprechen, wo sich doch der Glaub so häufig in Widersprüche verstrickt: mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften, mit den Vernunfterkenntnissen der Philosophie und sogar mit sich selbst?“
Man muss unbedingt noch ergänzen: Mit den Glaubensvorstellung praktisch aller anderen religiösen Systeme und der auch in krassem Widerspruch zur so genannten Alltagsvernunft steht, die z.B. davon ausgeht, dass das, was immer im bekannten Lebensraum geschieht, auch im unbekannten geschieht (z.B. dass Menschen nicht vom Tod wiederaufstehen wie Lazarus).
Aber wem fällt da nicht fast automatisch Tertullian ein, der da schrieb:
»Gestorben ist Gottes Sohn; es ist ganz glaubhaft, weil es ungereimt (ineptum) ist. Und begraben, ist er auferstanden: es ist gewiss, weil es unmöglich ist.«
De carne Christi V.
Bei allem Respekt, aber eine Person, die solches von sich gibt, würde in einem anderen Kontext als schwer psychisch krank und dissoziiert gelten. Völlig fehlender Realitätsbezug. Vernunft aber hat doch mit Realität eine äußerst innige Beziehung. Das kann man vom Christentum (und anderen Religionen) wohl kaum behaupten.
„Die Texte der Bibel oder der frühen Konzilien sind in einer ganz anderen Zeit als der unsrigen geschrieben worden, mit anderen Absichten und Zielen, mit einem anderen geistigen Horizont. Nur selten ist es ihre Hauptabsicht, von einem historischen Geschehen zu berichten. Meist gehören sie zu anderen literarischen Gattungen.“
Nun, ich würde mal sagen sie gehören zusammen mit der Bibel hauptsächlich mal in die Gattung „Phantastische Literatur“. Ihr Wahrheitsgehalt dürfte den eines „Herrn der Ringe“ kaum übersteigen.
Interessanterweise gibt es ja wohl Hinweise darauf, dass z.B. das fünfte Buch Moses von den damaligen Priestern eigenhändig geschrieben, dann versteckt und hernach (Tusch) von denselben „gefunden“ wurde um es als große Göttliche Offenbarung herauszubringen. Literatur, die vorgibt eine Offenbarung zu sein bleibt natürlich trotzdem Literatur. Etwas, was die Theologie wohl nicht begreifen möchte!
„Das hermeneutische Problem hat sich seit der Antike weiterentwickelt. Heute liegen ausgearbeitete philosophische Hermeneutiken und Interpretationstheorien vor. Sie ermöglichen eine sorgfältige und methodisch kontrollierte Analyse, Einordnung und Interpretation biblischer Texte.“
Richtig! Und auch hier wird damit der Status der Bibel als Literatur (und nicht als Offenbarung und nicht als Wahrheit) deutlich. Literatur, derentwegen eine unglaubliche Menge an Sekundärliteratur entstanden ist und für die schrecklichste und blutigste und menschenunwürdigste Taten vollbracht worden sind.
„Exegeten müssen einen Text also dahin gehend sortieren, was als direkter Aussageinhalt gelten kann (zum Beispiel die Schöpfung durch Gott) und was der bildhaften Ebene zuzurechnen ist (der Schöpfungsablauf in sechs Tagen).
Woher nehmen die Exegeten denn die Unverschämtheit zu behaupten, die Welt sei durch Gott geschaffen worden? Auch dies sind, wie die Behauptung (die im Übrigen durchaus lange genug wortwörtlich geglaubt wurde) die Welt sei in sechs Tagen erschaffen worden, nur Worte auf Pergament. Mit anderen Worten: Literatur!
Nach einem Absatz über die Theodizee kommt der Autor zum Schluss: „Dann besteht zumindest für das harte, logisch Problem des Übels (logical problem of evil) Aussicht auf Lösung: Dass der gute Gott um das bestehende Übel weiß, es ändern kann und will, erzeugt keinen harten Widerspruch mehr.“
Was für eine Peinlichkeit. Hier wird mit allerlei (für mich schwer nachvollziehbaren) Winkelzügen etwas wegdiskutiert, um die Sehnsucht des Menschen nach der großen Vatergestalt zu befriedigen. Hier kann man eigentlich nur noch kurz an Ockhams Rasiermesser erinnern und sich hernach mit Grausen Abwenden.
„Theologen dagegen müssen beurteilen, ob die Kernaussagen selbst angemessen und die Theorien theologisch adäquat sind.“
Zumindest den ersten Teil dieser Aussage werden die Theologen ganz sicher NICHT erfüllen. Im Gegensatz zu den Wissenschaften dürften Theologen nämlich die Grundaussagen NICHT hinterfragen, sonst definieren sie sich sofort selbst weg (oder verwandeln sich in Literaturhistoriker, s.o.). Dies wird ja schön im Streitgespräch zwischen Herrn Voland und Herrn Löffler deutlich: „Das ist im dogmatisch geschlossenen Universum nicht möglich. Da wird derjenige anerkannt, der seine Dogmen nicht streng überprüft, sondern bestenfalls hermeneutisch interessant auslegt.“ (S. 65) und: „Auch Wissenschaftler machen unhinterfragbare metaphysische Annahmen. Aber sie sind offen für Revision.“ Dies beantwortet auch die hinterlistig eingefügte Bemerkung des Autors zu Habermas! (S. 61) Mehr ist dazu nicht zu sagen.
„Gerade weil der christliche Glaube beansprucht, wahr zu sein, muss er davon ausgehen, dass er Ergebnissen der Naturwissenschaften nicht wirklich widersprechen kann.(*) Denn wenn beides wahr wäre, Glaube und wissenschaftliche Erkenntnis, und beides sich widerspräche, müsste es zwei sich widersprechende Wahrheiten geben. Das ist aber offenkundig unmöglich. Die entscheidende Frage lautet hier, ob der Glaube seinen Wahrheitsanspruch auch berechtigterweise erheben kann.“
Ein feiner Absatz und eine feine Analyse. Und was bekommen wir als Antwort? „Es ist schwierig, die Frage nach der Wahrheit des Glaubens von außen zu beantworten." Das ist eine glatte Ohrfeige an jeden realistisch wissenschaftlichen Geist! Verzeihung, aber für wie dumm möchte uns der Autor denn verkaufen? Das ist doch wohl ein klassischer Zirkelschluß. Wenn nicht von außen, wie soll denn Wahrheit dann beantwortet werden? Die Aussage (Christentum = wahr) wird von bestimmten Personen postuliert und dann sagen uns diese Personen, dass es doch etwas schwierig wäre, die Wahrheit dieser Aussage außerhalb dieses Personenkreises zu beantworten. Uff. Auch der nächste Absatz arbeitet mit einem äußerst cleveren Argument: Wir sind vielleicht keine Wissenschaft, aber wir sagen mal, wir wären eine, und der Beweis, dass wir keine sind, wird sicher nicht vor dem Sanktnimmerleinstag erbracht werden. Bis dahin machen wir einfach weiter (und kassieren Steuergelder).
Zum Abschluß dieses Abschnitts noch so eine kleine Unverschämtheit: „Und schließlich geht es um eine der Gründungsdisziplinen im abendländischen Universitätskanon.“ Sehr gut. Die Theologie leitet ihren Anwesenheitsanspruch an den Universitäten also nicht aus ihrer Wissenschaftlichkeit her (denn die kann sie nicht beweisen), sondern aus der Historie. Gewohnheitsrecht gegen Sinnhaftigkeit sozusagen. Oder eine andere Spielwiese der Kirche(n) auf denen diese Tendenzbetriebe öffentliche Gelder für ihre eigenen Zwecke missbrauchen.
„Es schreibt der göttlichen Schöpfermacht zu, logos zu sein – was nicht nur Wort bedeutet, sondern auch Vernunft oder Sinn“ In einem ca. 1800 bis 2000 Jahre alten Text wird vom Wort Gottes geschrieben. Eine Konnotation dieses Wortes ist „Vernunft“. Nun will uns der Autor doch tatsächlich weismachen, dass diese konnotative Bedeutung mit der übereinstimmt, die unser heutiges (nachaufklärerisches) Wort „Vernunft“ hat? Schreibt er nicht weiter oben selbst: „Die Texte der Bibel oder der frühen Konzilien sind in einer ganz anderen Zeit als der unsrigen geschrieben worden, mit anderen Absichten und Zielen, mit einem anderen geistigen Horizont.“?
„Auf einen Punkt gebracht: Eine Religion, deren Gott vom Wesen her vernünftig ist, wird sozusagen von ihrer höchsten Instanz her auf ein positives Verhältnis zur Vernunft festgelegt.“
Hierzu möchte ich kommentarlos folgendes Zitieren:
„Es liegt vor, dass du, Galileo, Sohn des sel. Vincenzio Galileo aus Florenz [] angezeigt wurdest, dass du die von einigen gelehrte falsche Doktrin, die Sonne sei der Mittelpunkt der Welt und stehe still und die Erde bewege sich auch in einer täglichen Bewegung, für wahr hieltest; [] dass Du auf die der Heiligen Schrift entnommenen Einwände, die dir bisweilen entgegengehalten wurden, antwortetest, indem du besagte Schrift deinem Sinn gemäß auslegtest; [] Wir sagen, verkünden, urteilen und erklären, dass du dich, obengenannter Galileo, [] diesem Hl. Offizium der Ketzerei dringend verdächtig gemacht hast, nämlich dass du die falsche und den Heiligen und göttliche Schriften widersprechende Lehre für gültig gehalten und geglaubt hast, wonach die Sonne der Mittelpunkt der Welt sei [] und infolgedessen hast du dir alle kirchlichen Strafen und Bußen zugezogen, die von den Kirchensatzungen [] auferlegt und gegen sie verkündet werden. Wir sind es zufrieden, dass du von ihnen freigesprochen werdest, vorausgesetzt, dass du zuvor [] den obengenannten Irrtümern und Ketzereien und jeglichem anderen Irrtum und jeder Ketzerei wider die Katholische und Apostolische Kirche abschwörst, sie verfluchst und verabscheust [](1)
Zum Abschluss möchte ich noch folgende Bemerkung machen. Dieser Versuch, Theologie, und mithin das gesamt Christentum zu einer „rationalen“ Religion zu erheben sind nichts anderes, als letzte Anpassungen und Rückzugsgefechte! Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, so gleiche dich ihm an! Die Aufklärung und das wissenschaftlich rationale Denken sind nicht durch oder wegen des Christentums in die Welt gekommen, sondern TROTZ und GEGEN dieses!
Erst mit dem Auftauchen von Aufklärung und Humanismus begann die Christenheit, all die unglaublichen Verstiegenheiten der biblischen „Berichterstattung“ als „Metaphern“ und „Bilder“ zu deuten, die für etwas anderes stünden, als für die wortwörtlich zu glaubende Wahrheit. Hier versucht sich eine völlig überkommene Geisteshaltung ein neues Mäntelchen umzulegen, um weiter ihr Unwesen treiben zu dürften. Seien wir auf der Hut!
Oder, um mit Thomas von Aquin zu enden, „wonach die Vernunft zum Gipfel irdischer Tugend leiten könne, wie den Alten geschehen, aber nur Glaube und übernatürliche Gnade […] über die Vernunft hinaus zum Sitz Gottes leiten könnten.“(2)
Verzichten wir doch weise auf den letzten Teil der Reise!
(1) „Urteil und Abschwörung, von 22. Juni 1633“ Übers. Christian Wagner, in Galileo Galilei; Schriften, Briefe, Dokumente, Hrsg. Anna Mudry, Band 2, Berlin 1987, S. 205-209
* Schreibt der Autor nicht gleich zu Beginn seines Artikels, „Wie aber kann man von Vernunftfreundlichkeit sprechen, wo sich doch der Glaub so häufig in Widersprüche verstrickt: mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften, [...] mit sich selbst?“ Ja, was denn nun?
(2) J. Campbell „Schöpferische Mythologie“ Basel 1992 S. 141
Das Argument von Herrn Schmaude setzt schon voraus, was es zeigen will: Dass es sich bei Star Trek und der Bibel um Vergleichbares handelt. Es sind aber Bücher mit ganz verschiedenen Intentionen, die aus ganz unterschiedlichen Lebenszusammenhängen stammen. Star Trek ist (gut gemachte!) Unterhaltungsliteratur, die Bibel vor allem Glaubenszeugnis. Star Trek erhebt keinen Geltungsanspruch, die Bibel schon (wobei es aber nicht primär darum geht, ob paranormale Phänomene wirklich so stattgefunden haben). Dass man mit beidem ganz verschieden umgeht, versteht sich von daher von selbst.
Christian Tapp
Was sind denn für Sie die Kriterien für Menschenwürde, Herr Unkelbach?
11.01.2012, Dr. Roland PardonAber Sie sind sicher ein fairerer Disputant. Deshalb frage ich Sie, woran erkenne ich, dass ein Demenzkranker, ein Neugeborenes, oder ein 7 Tage alter Fötus in der gleichen Weise und im gleichen Maße Menschenwürde hat wie ein gesunder Erwachsener? Offenbar sind die Unterschiede sehr augenfällig; Gemeinsamkeiten, z.B. des humanen Fötus mit dem eines Schweines sind auch zunächst augenfällig - wo liegen also Ihre Kriterien? Auf Ihre Gründe bin ich gespannt. Aber bitte solche Gründe, die jeder in dieser Gesellschaft verstehen und als gültig anerkennen kann, auch Atheisten wie ich.
Mit der Antwort auf die vorige Frage hätten Sie dann auch die Frage nach dem ominösen Wesen der Würde, die Sie aufwarfen, beantwortet. Gegenstand von Dahls Artikel war die Schwierigkeit, solche Kriterien zu nennen - deshalb bin ich besonders gespannt.
Noch ein Literaturhinweis: Franz Josef Wetz, Illusion Menschenwürde - Aufstieg und Fall eines Grundwertes, Klett-Cotta, 2005.
"Glaube ist die Illusion zu wissen, was niemand wissen kann."
11.01.2012, Rainer Rosenzweig, NürnbergDurch das Interview ist neben einem religiösem Standpunkt auch ein nichtreligiöser vertreten, insofern ist das Thema auch halbwegs ausgewogen behandelt, sofern das in der gebotenen Kürze überhaupt möglich ist. Den Hauptartikel einem Theologen zu überlassen, ist ein nahe liegender Gedanke der Redaktion. Allerdings weisen die einseitig aus der christlichen Ecke heraus formulierten Gedanken des Artikels von Herrn Tapp – obwohl sehr zurückhaltend und unter Einbeziehung kritischer Argumente vorgebracht – so viele Schwächen und Angriffspunkte auf, dass man sich wohl doch eher einen allgemeinen, vielleicht eher religionswissenschaftlichen Überblick gewünscht hätte.
Der christliche Glaube ist – wie bereits in einigen Kommentaren hier vermerkt – nur *ein* Angebot unter vielen anderen religiösen Weltbildern. Schon das ist eigentlich eines der wesentlichsten Argumente gegen jede Art von religiösem Glauben (im Sinne von "für wahr halten"): Dann müssten sich alle anderen religiösen Vorstellungen in anderen Teilen der Welt irren. Zufällig wir seien also im "wahren" Glauben aufgewachsen und erzogen worden? Schwer zu "glauben" …
Die im Artikel zu Beginn gemachte nötige Trennung des Wortes "Glaube" in ein emotionales Gefühl ("faith") und ein "für wahr halten" ("belief"), wird im Artikel dann leider wieder vermischt, etwa wenn zum Beispiel auf S. 58 von der Bibel als "Heiliger Schrift" und der dafür notwendigen "anderen Bedeutungsebene" die Rede ist.
Der Vorschlag (auf S. 62), am Wissenschaftsstatus der Theologie festzuhalten, solange die Unwissenschaftlichkeit nicht bewiesen ist, mutet gar abenteuerlich an. Würde Herr Tapp das Gleiche auch für den Glauben an UFOs, Elfen oder Klabautermänner vorschlagen? Da bleibt man doch lieber bei dem ontologisch sparsamen Gebot, eine (außergewöhnliche) These erst dann ernst zu nehmen, wenn relevante und mindestens ebenso außergewöhnliche Belege dafür zu finden sind, und nicht etwa dann, wenn es möglichst viele Menschen gibt, die daran geglaubt und Schriften darüber verfasst haben.
Die Theologie auf die Hermeneutik historischer Schriften zu beschränken, würde weder den Theologen noch ihren Kritikern gefallen – dann könnte man ja auch ganz auf "Theologie" verzichten und stattdessen gleich nur von Hermeneutik sprechen.
So bleiben am Ende des Artikels die vielen, auch vom Autor eingeräumten Gegenargumente gegen den Glauben: Von der Theodizee über die missglückten Gottesbeweise bis hin zur "umstrittenen" Wissenschaftlichkeit. Damit ist die Titelfrage des Spektrum-Hefts aus meiner Sicht klar beantwortet: Sind Wissenschaft und Religion vereinbar? Nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Theologie zu urteilen: definitiv nein.
Nicht verstanden?
11.01.2012, TorbenKeine Bagatellisierung
10.01.2012, Sören ScheweIch glaube, Du hast die Aussage des Kommentars nicht ganz verstanden. Es geht nicht darum, etwas zu bagatellisieren. Lars warnt lediglich - völlig zurecht - davor, dass wir uns jetzt mit großer Begeisterung auf die Tierhaltung stürzen und darüber völlig vergessen oder ausblenden, dass es in der Humanmedizin ein ähnlich drängendes Problem gibt.
PS: "Die Veterinärmedizin" hat damit übrigens auch nichts zu tun.
Weiter so!
10.01.2012, Johannes Maschke