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Ehrenrettung Kleopatras

Das Jahr 31 v. Chr. hat den Lauf der Geschichte dramatisch verändert und damit dem Weltgeschehen eine gänzlich neue Richtung gegeben. Stefan Zweig hat solche Momente in seinen "Sternstunden der Menschheit" anschaulich beschrieben. Aber es gibt auch kaum ein historisches Ereignis, das derart verfälscht dargestellt wurde.

Die Ereignisse kulminierten am 2. September in der Seeschlacht von Actium an der griechischen Küste. Octavian (63 v. – 14 n. Chr.) besiegte seinen Rivalen Marcus Antonius (82 – 30 v. Chr.) und dessen Gemahlin, die ägyptische Königin Kleopatra (69 – 30 v. Chr.). In der Folge mussten sich die Geschlagenen nach Alexandria zurückziehen. Dort holte Octavian sie nach siegreichem Feldzug ein Jahr später ein, woraufhin sich beide im Abstand weniger Tage das Leben nahmen.

"Das Böse, das die Menschen tun, lebt nach ihnen fort; das Gute wird so oft mit ihren Knochen begraben", heißt es bei Shakespeare. Und so war es auch mit Kleopatra, der letzten Königin auf dem Pharaonenthron. Um ihren Ruf und den ihres Ehemanns zu ruinieren, setzten Octavian und seine willigen Helfer im Senat eine beispiellose Diffamierungskampagne in Gang. Kaum war die Nachricht vom Tod der Königin vom Nil am Tiber eingetroffen, hatte Roms Dichter Horaz auch schon seine berühmte Ode auf den Sieger verfasst und diesen mit Lobeshymnen überschüttet.

Entsprechend negativ fiel das Urteil über die Verlierer aus. Marcus Antonius ging in die Geschichte als Schwächling und willenloses Werkzeug einer machtbesessenen Frau ein – wenig schmeichelhaft in der patriarchalischen Gesellschaft Roms. Kleopatra dagegen wurde als skrupellose, unmoralische und machtgierige Herrscherin hingestellt, ein nymphomanisches Luxusflittchen, das in Eselsmilch badete, in Essig gelöste Perlen schlürfte und an Sklaven die Wirkung tödlicher Gifte erproben ließ. Und das sind nur einige der zahlreichen Legenden, die sich um ihr Leben ranken.

Die vor mehr als 2000 Jahren gezündeten Nebelkerzen haben Literatur, Kunst und Geschichtsschreibung gleichermaßen nachhaltig beeinflusst und trüben noch heute unser Urteil. Die "Hurenkönigin vom Nil", wie sie der römische Dichter Properz diffamierte, wurde in der Folgezeit zur Sünderin, über die sich der ehrbare Bürger hemmungslos erregen durfte, zur Trash-Figur von akademischer Malerei, Film und Trivialliteratur oder zur tragischen Heldin wie in Shakespeares "Antony and Cleopatra".

Erst die jüngste Geschichtsschreibung hat dank neuen Quellen wichtige Aspekte herausgearbeitet. Kleopatra war in erster Linie die kluge, politisch taktierende Königin von Ägypten. Ihr Schicksal war es, dass sie im Zentrum weltgeschichtlicher Auseinandersetzungen zwischen der aufstrebenden, pragmatischen Weltmacht Rom und dem im Verfall begriffenen uralten Pharaonenreich stand, dessen letzter regierender Pharao sie war.

Im vorliegenden Buch rekonstruieren Sam Moorhead, Berater für britische Altertümer am British Museum in London, und der Journalist und Regisseur David Stuttard kenntnisreich, anschaulich, unterhaltsam und wohltuend nüchtern die hochdramatischen Ereignisse zwischen der Ermordung Cäsars an den Iden des März 44 und dem Selbstmord Kleopatras im August 30 – jenen Zeitraum also, in dem nicht nur das hellenistische Nachfolgereich der Ptolemäer, sondern auch die römische Republik zu Grabe getragen wurde. Leben und Wirken der Königin vom Nil, ihre Sozialisation in einem von Mord und Totschlag geprägten höfischen Umfeld, ihre Verwurzelung in der altägyptischen Kultur und Herrschertradition und ihre politischen Ziele werden ebenso behandelt wie der blutige römische Bürgerkrieg, der nach Cäsars Ermordung ausbrach und in dem Antonius und Octavian um dessen politisches Erbe kämpften.

Die Autoren gleiten nicht, wie so häufig bei diesem Thema, in die Diktion der Boulevardpresse ab, sondern orientieren sich eng an Fakten und Quellen – und vermögen diesen manch interessantes Detail abzugewinnen. Nicht romantische Liebe à la Romeo und Julia, so Moorhead und Stuttard, sondern machtpolitisches Kalkül habe die Beziehungen Kleopatras erst zu Cäsar, dann zu Antonius geprägt. Nicht die schöne Nase der Ptolemäerin hat die Politik bestimmt, dafür aber ihr ausgeprägtes Gespür für das politisch Machbare, zu dessen Realisierung sie ihre weiblichen und intellektuellen Reize gezielt einzusetzen wusste. "Männlich kämpfte sie mit den Waffen einer Frau", dichtete der deutsche Lyriker Durs Grünbein. Für ihr vorrangiges Ziel, die Souveränität Ägyptens zu bewahren, versuchte Kleopatra die mächtigsten Männer Roms zu instrumentalisieren. Doch Cäsars Ermordung und Antonius’ Scheitern bei Actium machten ihr einen Strich durch die Rechnung, zumal sie den siegreichen Octavian nicht für sich gewinnen konnte.

Die Schlacht von Actium besiegelte nicht nur das Schicksal Kleopatras, sondern auch das Ende der römischen Republik. Octavian, vormals Gleicher unter Gleichen einer privilegierten Senatsaristokratie,schwang sich nach Actium zum "Princeps", zum ersten Mann im Staat auf, zum absoluten Alleinherrscher, zum Kaiser über Rom und dessen Imperium. In die Geschichte ist er als Augustus eingegangen. Dieser politische Systemwechsel von der Republik zur Monarchie macht Actium zu einem jener epochalen Augenblicke, welche die Geschichte der Menschheit maßgeblich veränderten.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 2/2013

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