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Aerosole: Rußpartikel in der Luft durchleuchtet

Simulation eines Rußteilchens

Intensives Röntgenlicht aus einem Teilchenbeschleuniger offenbart jetzt die überraschend komplexe Nanostruktur von einzelnen Rußpartikeln, während diese durch die Luft fliegen. Ihre exakte Form zu kennen, sei für viele Fachbereiche enorm wichtig, schreiben die Wissenschaftler um Duane Loh von der Stanford University in Kalifornien – von der Medizin bis hin zu Klimawissenschaften. So können die winzigen Schwebteilchen nicht nur die Gesundheit des Menschen gefährden, sondern tragen beispielsweise auch wesentlich zur globalen Erwärmung bei.

In ihren Experimenten kreuzten die Forscher einen dünnen Luftstrahl voller Rußpartikel mit dem Strahl des Freie-Elektronen-Lasers am US-Beschleunigerzentrum SLAC. Treffen die ultrakurzen Röntgenpulse der Linac Coherent Light Source auf eines der bis zu drei Mikrometer messenden Partikel, entsteht ein charakteristisches Beugungsmuster, bevor das Rußteilchen durch die intensive Strahlung zerstört wird. Insgesamt konnte das Team auf diese Weise 174 einzelne Schwebteilchen durchleuchten und aus den Beugungsbildern deren Struktur rekonstruieren. Anhand der Überreste bestimmten sie in einem Massenspektrometer auch die chemische Zusammensetzung der abgelichteten Teilchen.

Simulation eines Rußteilchens | Diese Illustration eines Rußpartikels basiert auf früheren theoretischen Modellen und zeigt die fraktale Struktur von solchen Schwebteilchen. Reale Rußteilchen, die als Aerosole durch die Luft schwirren, können der neuen Analyse zufolge merklich dichter sein als das hier abgebildete.

Keine zwei Rußpartikel gleichen einander, fassen Loh und sein Team die Ergebnisse zusammen. Die beobachteten Muster seien charakteristisch für Fraktale, bei denen sich dieselben Muster auf verschiedenen Größenskalen wiederholen. Das war zwar bereits bekannt, doch die überraschende Vielfalt und Komplexität sei nun besonders deutlich geworden. "Zum ersten Mal können wir tatsächlich die Struktur individueller Aerosolpartikel in ihrem 'natürlichen Habitat' sehen, schwebend in der Luft", freut sich Koautor Henry Chapman vom DESY in Hamburg.

Bisher ließen sich die Eigenschaften solcher Partikel nur eingeschränkt untersuchen. Legt man sie etwa auf ein Substrat, um sie unter einem Elektronenmikroskop zu betrachten, verklumpen sie leicht und verändern ihre Form. Frühere Streuversuche an den fliegenden Schwebteilchen mit optischem Licht boten dagegen keine ausreichende Auflösung, solche mit Röntgenlicht aus Synchrotronquellen keine ausreichende Intensität, um einzelne Partikel zu vermessen.

Luftschadstoffe mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern gelangen leicht in die Lunge und können diese schädigen. Indem Wissenschaftler die Form und Zusammensetzung einzelner Aerosole untersuchen, wollen sie besser nachvollziehen, wie diese Partikel die Funktion von Lungenzellen beeinträchtigen. Zudem gelten die winzigen Rußpartikel als ein wichtiger Faktor bei der globalen Erwärmung. "Ihre Struktur bestimmt, wie sie Licht streuen, und das ist wichtig, um zu verstehen, wie Sonnenenergie von der Erdatmosphäre absorbiert wird", erklärt Teammitglied Andrew Martin vom DESY. Die neuen Ergebnisse könnten somit auch dazu beitragen, Klimamodelle zu verfeinern.

Mit Freie-Elektronen-Lasern ließen sich zukünftig nicht nur weitere Aerosole, sondern zum Beispiel auch biologische Proben wie Zellen und große Proteine analysieren, meinen Loh und seine Kollegen. In ferner Zukunft, so hoffen die Forscher, könne man vielleicht auch verfolgen, wie Schwebteilchen ihre Größe, Form und chemische Zusammensetzung als Reaktion auf ihre Umwelt ändern. Anwenden ließe sich die Technik dann etwa, um die Rußentwicklung in Verbrennungsmotoren – angefangen bei den molekularen Bausteinen – zu studieren oder vielleicht sogar die ersten Schritte der Eiskristallbildung in Wolken zu beobachten.

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