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Aktuelles Stichwort: Präimplantationsdiagnostik

Von erfreut bis entsetzt reichten vor Kurzem die Reaktionen auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes: Die Präimplantationsdiagnostik verstoße nicht gegen das Embryonenschutzgesetz. Deutliche Worte seitens der Bundeskanzlerin lassen nun den darüber schwelenden Streit in Koalitionskreisen laut werden.
Neugeborenes
"Aus meiner Sicht sollten wir die Präimplantationsdiagnostik verbieten", sagte Bundeskanzlerin Merkel am 16. Oktober auf dem Deutschlandtag der Jungen Union. Sie löste damit scharfen Protest sowohl in parteieigenen Reihen wie beim Koalitionspartner FDP aus – und fachte den Streit weiter an, der seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes im Juli 2010 schwelt.

In diesem Grundsatzurteil waren die Richter zu dem Schluss gekommen, dass Gentests an Embryonen vor dem Einpflanzen in die Gebärmutter nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstoßen. Somit dürfen Ärzte nun genetische Untersuchungen, die ihnen bislang erst während einer Schwangerschaft erlaubt waren – und mit deren Ergebnisse sie auch eine Abtreibung legitimieren konnten –, bereits vor der Implantation machen.

Dabei dachten die Richter nicht an Designer-Babys: Wie der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Hartmut Schneider, betonte, gehe es um den Zweck, schwere erbliche Erkrankungen des Embryos festzustellen. Die Untersuchung ist daher vor allem für Paare interessant, bei denen ein entsprechend hohes Risiko besteht, dass ihr Nachwuchs beispielsweise an Mukoviszidose, Chorea Huntington oder Chromosomenstörungen wie dem Down-Syndrom leiden wird.

Für die Präimplantationsdiagnostik werden den durch künstliche Befruchtung erzeugten Embryonen nach etwa drei Tagen – sie befinden sich dann meist im 8-Zell-Stadium (Blastomere) – ein bis zwei Zellen entnommen und untersucht. Chromosomale Abweichungen sind bereits unter dem Mikroskop zu erkennen, für das Aufspüren defekter Gene müssen die Mediziner etwas tiefer in die Trickkiste greifen. So lassen sich mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion bestimmte Abschnitte des Genoms tausendfach vervielfältigen und können dann Base für Base nach Fehlern durchforstet werden. Dabei wird jedoch nicht auf alle möglichen Abweichungen getestet, sondern nur auf ausgewählte.

Ziel ist es, der Mutter nur jene Embryonen zu implantieren, die im Rahmen der Untersuchung als gesund eingestuft werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine PID bei Weitem nicht alle möglichen Krankheiten offenbaren würde, ganz abgesehen von anderen Komplikationen in der Schwangerschaft, die ebenfalls zu Behinderungen führen können. Ob eine PID den Erfolg einer Schwangerschaft nach künstlicher Befruchtung steigert, ist umstritten.

Das Verfahren birgt eine Reihe von ethischen Problemen. Ganz abgesehen von der generellen Frage, ob sich eine irgendwie geartete Selektion von Embryonen überhaupt rechtfertigen lässt, ist für viele Gegner schon die Entnahme der Zellen kritisch: Diese gelten als totipotent, könnten sich daher womöglich unter entsprechenden Bedingungen jeweils selbst zu einem Menschen entwickeln. Durch die Untersuchung jedoch werden sie abgetötet, potenzielles Leben also vernichtet – sofern die Totipotenz tatsächlich besteht: Es gibt auch Forscher, die sie anzweifeln.

Natürlich können mit einer PID auch Faktoren wie das Geschlecht des Kindes oder die Eignung als Organ- oder Gewebespender für ein erkranktes Geschwisterkind festgestellt werden – und das wird in manchen Ländern wie USA, Großbritannien, Spanien oder Schweden auch genutzt. Solche Anwendungen jedoch hatte der BGH ausgeschlossen, ohne aber andererseits zu definieren, was unter "schwerwiegende genetische Schäden" zu verstehen ist. Derzeit erarbeitet der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme zur Präimplatationsdiagnostik, die er voraussichtlich im Sommer 2011 veröffentlichen wird.

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