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Alte Kulturen: Klima gab Angkor-Reich den Rest

Im 15. Jahrhundert überließen die Khmer ihr religiöses und landwirtschaftliches Zentrum Angkor dem allmählichen Verfall. Mitschuld trugen Dürren und Überschwemmungen - aber auch Überforderung und Ökonomie.
Ausgangspunkt der königlichen Straße
Ein halbes Jahrtausend lang war das historische Khmer-Königreich die dominante Zentralmacht Indochinas: Es ernährte auf dem Höhepunkt seiner Macht vielleicht eine Million Menschen; die Ruinen von 1000 einzigartigen Heiligtümern und der größte Tempelkomplex der Welt zeugen bis heute von der einstigen Pracht von Kambuja, dem südostasiatischen Mittelalter-Großreich mit der Tempelkapitale Angkor auf dem Boden des heutigen Kambodscha.

Wie alle Imperien der Geschichte herrschte auch dieses nicht ewig. Sein Fall kam im 15. Jahrhundert: Überraschend plötzlich begannen die Khmer ihr blühendes religiöses und landwirtschaftliches Zentrum für immer zu verlassen, um ein neues Handelsimperium am Mekong zu errichten. Schon am Ende des Jahrhunderts dämmerten die Tempel und imposanten Bewässerungsanlagen Angkors dann nur noch als Schatten ihrer einstigen Pracht dahin; bald verschwanden viele ungenutzt unter dem Wurzelwerk von Würgefeige und Dschungel. Ursache für den Fall und Gründe für die Aufgabe der einst prächtigen Hauptstadt sind heute unklar. Schriftliche Chroniken und neue bauliche Zeugnisse waren in Angkor schon Jahrzehnte vor dem beginnenden Niedergang rar geworden.

Angkor Wat | Immer noch prächtig, aber heute ausgeplündert von Kulturräubern: das Weltkulturerbe Angkor Wat
Ein Geowissenschaftlerteam um Brendan Buckley von der Columbia University nahm nun einen Faden auf, der sich bereits bei der Aufklärung ähnlich gelagerter Fälle von Mittelamerika bis Mesopotamien als hilfreich erwiesen hatte. Gaben, so die These, dem Agrarreich Angkor vielleicht lang anhaltende, am Ende nicht mehr kontrollierbare Klimaschwankungen in ohnehin krisenhaften Zeiten den Todesstoß? Die Wissenschaftler forschten nach der Antwort in einem einzigartigen Klimaarchiv, den fast 1000 Jahre in die Vergangenheit reichenden Baumjahresringen von Fujian-Zypressen aus dem Hochland Vietnams.

Dendrochronologisch, also aus der Dicke der Jahresringe, konnten die Forscher die Heftigkeit jeder Monsunsaison der letzten 759 Jahre ablesen: Ein dünner Wachstumsring deutet auf ein trockenes Jahr. Dabei stimmen die Ringe mit den modernen Messungen des letzten Jahrhunderts gut überein, die in Südostasien extrem trockenen Jahre 1878 und 1889 lassen sich zum Beispiel eindeutig im Baumchronometer ablesen. Wachstumsphasen und Monsum korrelieren zudem mit den durchschnittlichen Oberflächenwassertemperaturen im Pazifik, so die Forscher weiter, also einer Messgröße, die mit El-Niño- beziehungsweise La-Niña-Ereignissen und ihren typischen Folgen für den jährlichen Niederschlag in Südasien sowie weltweiten Wetterkapriolen einhergeht. Bisher war es Wissenschaftlern noch nicht gelungen, eine allgemein akzeptierte Chronik dieser global wirkenden Klimaanomalien bis in die weit zurückliegende Vergangenheit zu erstellen.

Buddha-Statue ohne Kopf | Vielleicht waren auch die Wechselfälle religiöser Überzeugungen ein weiterer Grund dafür, dass die Bedeutung des zentralen Tempelbezirks sank. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts hatte erstmals ein Herrscher die Macht übernommen, der sich zum Theravada-Zweig des Buddhismus bekannte: Der Drang der Gesellschaft zum äußerlich sichtbaren Prunk großer Tempel und bildhafter Götterdarstellungen dürfte damit hinfällig geworden sein. Auch schriftliche Aufzeichnungen sanken nun im Wert, was die Rekonstruktion der Ereignisse erschwert. Heute ist der Kunstraub und -handel die größte Bedrohung der Relikte Angkors: Diese Buddha-Statue in Angkor Wat haben sie den Kopf gekostet. Fromme Buddhisten haben der kopflosen Statue eine gelbe Schärpe als Zeichen ihrer Verehrung Buddhas umgelegt.
Beim nun möglichen Blick auf die Abfolge von Dekaden mit einzelnen trockenen El-Niño- und feuchten La-Niña-Monsunjahren in Südostasien seit 1250 n. Chr. fielen den Forschern zwei längere Zeitabschnitte besonders ins Auge. Über mehrere Jahrzehnte in der Mitte bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, aber auch zu Beginn des 15. Jahrhunderts, häuften sich auffallend viele insgesamt sehr regenarme Jahre in Südostasien. Allein sieben der trockensten Jahre überhaupt – und das allertrockenste, 1403 – finden sich in diesem Zeitraum. Etwa in derselben Zeitspanne hatte sich das Weltwetter ohnehin chronisch zu verändern begonnen: Das Ende der so genannten mittelalterlichen Klimaanomalie, einer ungewöhnlichen Warmphase vom 9. bis zum 14. Jahrhundert, war eingeläutet, die "kleine Eiszeit" stand bevor.

Ausgangspunkt der königlichen Straße | Hier am Angkor-Thom in Kambodscha beginnt eine Straße, die nach einem 225 Kilometer langen Weg durchs Gebirge in Thailand endet.
All dies, so spekulieren die Forscher um Buckley nun, hatte gerade für das Angkor-Reich dramatische Folgen. Fundament des im Binnenland liegenden, dicht besiedelten Reichs war ein ausgeklügeltes landwirtschaftliches Knowhow auf der Basis technologisch ausgereifter Bewässerungssysteme. Die Handhabung dieser fast 1000 Quadratkilometer überspannenden Infrastruktur scheint im Lauf der Zeit aber immer komplexer und daher besonders bei krisenhaften Belastungen immer weniger beherrschbar geworden zu sein, vermuten die Wissenschaftler nun. Darauf deuten zum Beispiel Sedimentablagerungen in einem der Hauptkanäle hin: Datierungen von einst unter Schutt begrabenen Vegetationsresten zeigen, dass selbst dieser zentrale wichtige Wasserlauf vielleicht schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts versandete, ohne dass er dann wieder ausgehoben wurde. Die Massen abgelagerter Sedimente dürften aus dem Norden herangeführt worden sein, wo Erosion – vielleicht in Folge von einzelnen, besonders drastischen Flutkatastrophen, die sich gerade in im Durchschnitt besonders trockenen Jahren ereignen – einiges zerstört und abgetragen haben muss.

Nicht genug aber mit zerfallender und überkomplexer Infrastruktur, Flutkatastrophen und Dürren: Zudem war Kambuja zunehmend auch durch starke Feinde von außen bedroht. Der Konflikt mit dem siamesischen Königreich der Ayuddhaya eskalierte im Jahr 1431; ein Krieg, den Historiker schon früher als Todesstoß Angkors ins Spiel gebracht hatten.

Den Todesstoß? Das, so zeigt ein genauer Blick, wäre vielleicht doch übertrieben. Schließlich überlebten die Khmer den Krieg, ja sie eroberten ihre alte Tempelstadt sogar zwischenzeitlich zurück – um sie später dann doch nach und nach aufzugeben. Der eigentlich Grund könnte neben Klima und Krieg schlicht ökonomische Ratio gewesen sein: Allmählich war die Bedeutung der im Binnenland technologisch so aufwändigen Landwirtschaft ohnehin gesunken, während die Profite für den maritimen regionalen Handel um Südostasien immer weiter stiegen. Das neu entstehende Machtzentrum am Mekong-Fluss – heute ist dort die Hauptstadt Phnom Penh – lag näher an den Handelsrouten und versprach den urbanen Eliten schnellere Wege zu den entstehenden Absatzmärkten. Am Ende hatte die einstige spirituelle, historische und religiöse Größe der alten Tempelstadt offenbar genug an Bedeutung eingebüßt, um sie den neuen Verlockungen der Ökonomie zu opfern. Bald nahmen sich nur noch der Dschungel und einige wenige buddhistische Mönche der Tempelanlagen von Angkor Wat und Umgebung an.

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  • Quellen
Buckley, B.M. et al.: Climate as a contributing factor in the demise of Angkor, Cambodia. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 10.1073/pnas.0910827107, 2010.

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