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Astrophysik: Die dunkle Seite der Milchstraße

Der Außenrand unserer Galaxis ist wellenförmig verbogen, ähnlich dem dezenten Schwung einer eleganten Hutkrempe. Als Erklärung bieten sich Schwerkrafteffekte der Dunklen Materie an.
Die dunkle Seite der Milchstraße

Für mein erstes Forschungsprojekt an der University of California in Berkeley maß ich 1978 die Rotationsgeschwindigkeit von riesigen sternbildenden Gaswolken, die weit draußen um das Zentrum unserer Galaxienscheibe kreisen. Ich hatte die damals genaueste Methode zur Bestimmung dieser Geschwindigkeiten entwickelt und zeichnete gerade die Resultate per Hand auf Millimeterpapier, als zwei weitere Milchstraßenexperten vorbeikamen, Frank Shu und Ivan King. An dem entstehenden Diagramm erkannten wir sofort, dass die Galaxis vor allem an ihren Rändern riesige Mengen nicht sichtbarer Materie enthalten muss. Wir überlegten hin und her, woraus diese "Dunkle Materie" wohl bestehen mochte, aber all unsere Spekulationen erwiesen sich rasch als falsch.

In den 1970er und 1980er Jahren kamen viele Astronomen zu dem Schluss, dass der größte Teil der Materie im Universum aus einer mysteriösen Substanz bestehen muss, die Strahlung weder aussendet noch absorbiert und sich nur durch ihre Schwerkraft bemerkbar macht. Wie die Messungen der WMAP-Raumsonde unterdessen bestätigt haben, trägt die Dunkle Materie fünfmal so viel zur Masse im Universum bei wie die gewöhnliche Materie aus Protonen, Neutronen, Elektronen und so fort. Mangels besseren Wissens wird derzeit meist angenommen, die Dunkle Materie bestehe aus exotischen Teilchen, die von bislang unbewiesenen Theorien vorhergesagt werden und noch nie in Teilchenbeschleunigern aufgetaucht sind. Eine besonders radikale Hypothese behauptet gar, das newtonsche Gravitationsgesetz und Einsteins allgemeine Relativitätstheorie seien falsch oder müssten zumindest modifiziert werden.

Trotz dieser Ungewissheit erklärt die Dunkle Materie einige rätselhafte Eigenschaften der Milchstraße. Zum Beispiel wissen die Astronomen seit mehr als 50 Jahren, dass die Ränder der Galaxis verbogen sind wie eine auf der Heizung vergessene Schallplatte. Erst die Wirkung der Dunklen Materie liefert dafür eine plausible Erklärung. Außerdem sagen Computermodelle der Galaxienbildung mit Dunkler Materie voraus, unsere Galaxis sei von Hunderten oder gar Tausenden kleiner Satellitengalaxien umgeben. Zunächstwurden zwar nur zwei Dutzend solcher Zwerggalaxien beobachtet, doch in den letzten Jahren entdeckten Astronomen immer mehr davon...

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  • Quellen

Chakrabarti, S. et al.: Finding Dark Galaxies from Their Tidal Imprints. In: Astrophysical Journal (im Druck)

Levine, E. S. et al.: The Vertical Structure of the Outer Milky Way. In: Astrophysical Journal 643, S. 881 – 896, 2006

Weinberg, M. D., Blitz, L.: A Magellanic Origin for the Warp of the Galaxy. In: Astrophysical Journal Letters 641, S. L33 – L 36, 2006

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