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Biokatalyse: Künstliches Enzym katalysiert unnatürliche Reaktion

Immer häufiger greift die moderne Biotechnologie für die Synthese von Feinchemikalien auf die bemerkenswerten Eigenschaften von Enzymen zurück. Dank der Biomoleküle laufen viele wichtige Reaktionen nunmehr bei geringeren Temperaturen und unter milden Bedingungen ab, es entstehen weniger Nebenprodukte und auf giftige oder umweltschädliche Lösungsmittel kann meist verzichtet werden. Diese umweltfreundliche Art der chemischen Synthese hat neben den nach wie vor oft hohen Kosten für die Enzyme allerdings den Nachteil, dass es für einige besonders wichtige Reaktionstypen keine Biokatalysatoren gibt. Es gibt schlicht keine Organismen, die solche Reaktionen nutzen.

Eine Reaktion, die in der Natur nicht, in der synthetischen Chemie dafür um so häufiger vorkommt, ist die Diels-Alder-Reaktion, die jeder angehende Chemiker schon im Grundstudium kennenlernt. Dabei reagieren zwei Moleküle mit Doppelbindungen zu einem ringförmigen Produkt, dessen genaue Struktur stark von den Vorläufermolekülen abhängt. Die Reaktion ist Grundlage vieler bedeutender Synthesen, einen passenden Biokatalysator gab es bislang jedoch nicht. Ein Team um David Baker von der University of Washington in Seattle hat diese Lücke jetzt geschlossen – mit einem Designer-Protein.

Die Forscher bedienten sich dazu der gut bekannten Reaktion zwischen 4-Carboxybenzyl-trans-1,3-butadien-1-carbamat und N,N-Dimethylacrylamid, die oft als Modellreaktion verwendet wird. Sie bestimmten die optimale räumliche Anordnung der beteiligten Moleküle und modellierten ausgehend davon ein geeignetes aktives Zentrum eines Proteins. Dieses Vorgehen führte sie zu der enormen Menge von 1019 unterschiedliche Konfigurationen, in denen ein Protein die nötigen Bedingungen erfüllt.

Durch Vergleich dieses Fragments mit insgesamt 207 realen Proteinstrukturen erhielten die Forscher etwa eine Million auch praktisch möglicher Proteine, die die gewünschte Reaktion wahrscheinlich beschleunigen würden. Aus dieser Liste wählten sie einen Satz von 84 am besten zur Reaktion passenden Strukturen aus, die sie in DNA codierten und vom Bakterium E. coli herstellen ließen. Lediglich zwei der getesteten Proteine katalysierten die gewünschte Reaktion und dienten als Grundlage für gezielte Optimierung des künstlichen Enzyms. Dies erhöhte die Wirksamkeit des Moleküls noch einmal um bis zu zwei Größenordnungen.

Ein künstliches Enzym begünstigt die Reaktion auf zwei Arten. Zum einen stellt es den Reaktionspartnern Bindungsstellen bereit, über deren Wechselwirkung sich die elektronischen Eigenschaften der Moleküle so verändern, dass die Reaktion erleichtert wird. Außerdem ist die Bindungstasche des Enzyms so geformt, dass alle Moleküle in eine optimale Anordnung für die Reaktion gebracht werden.

Bemerkenswerterweise haben die beiden gefundenen Strukturen kaum etwas miteinander gemeinsam. Wo ein Molekül sich fest um die beiden Reaktionspartner schließt, liegen beim anderen lediglich die reagierenden funktionellen Gruppen im Inneren des Moleküls. Dennoch beschleunigen die Design-Enzyme nicht nur die Reaktion erheblich, sie unterdrücken zusätzlich die Entstehung von Nebenprodukten. Insgesamt erfüllen die Designer-Proteine ihre Aufgabe zwanzigfach effektiver als die maßgeschneiderten Antikörper, die solche Reaktionen in früheren Forschungen katalysieren sollten. (lf)

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