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Biomechanik: Wasserschlauch-Fangblasen schnappen rekordschnell zu

Fangkammer des Wasserschlauchs
Fangkammer des Wasserschlauchs | Um Beute zu machen, setzt diese Wasserpflanze auf winzige, sackartige Strukturen (hier mit Maßstab), die blitzartig auf nahende Beute reagieren. Berührt zum Beispiel ein Wasserfloh die haarartigen Anhängsel der Fangkammer, öffnet sich diese und lässt in rasender Geschwindigkeit Wasser mitsamt der Beute einströmen, bevor sie sich wieder ruckzuck schließt.
Wer kleine, agile Beute einfangen will, muss selbst schnell sein – ob er nun hinterher flitzt oder eine Falle zuschnappen lässt. Fleischfressenden Pflanzen bleibt nur das zweite Konzept, das sie in verschiedenen Weisen perfektioniert haben. Die Gattung Utricularia, auch Wasserschlauch genannt, ist dabei so fix, dass ihr Fangmechanismus erst durch Hochgeschwindigkeitskameras sichtbar wird und zudem alle bisherigen Rekorde bricht.

Die Fangblasen des wurzellosen Wasserschlauchs erreichen im Durchmesser maximal wenige Millimeter. Sie bestehen aus einem Sack und einem Klappdeckel mit hoch empfindlichen Härchen. Die Pflanze pumpt zunächst aktiv Wasser aus dem Hohlraum, durch den Unterdruck krümmen sich die Blasenwände nach innen und elastische Energie wird gespeichert. Dafür benötigt sie etwa eine Stunde.

© Philippe Marmottant
Die Jagdtechnik des Wasserschlauchs
Nähert sich jedoch eine Beute wie beispielsweise ein Wasserfloh, geht alles rasend schnell: Am Ansatzpunkt des Kontakt mit der Nahrung meldenden Härchens beult sich der zuvor nach außen gekrümmte Deckel in im Schnitt 2 Millisekunden nach innen, die Tür löst sich vom Rand, schwingt in einer halben Millisekunde ins Innere der Blase und schließt sich dann wieder in durchschnittlich 2,5 Millisekunden. Nach 5 Millisekunden also ist der Spuk für das Opfer vorbei.

Makroaufnahme | Querschnitt durch die Fangkammer der Art Utricularia vulgaris: Deutlich erkennbar ist zum Beispiel die Falltür am Eingang der Blase, die durch Kontakt an den sensorischen Härchen außen ausgelöst wird. In ihrem Inneren befinden sich vier Drüsen, die Verdauungssäfte abgeben.
Mit einer halben Millisekunde fürs eigentliche Zuschlagen der Falle ist Utricularia die Schnellste unter den fleischfressenden Pflanzen – und auch eine der Schnellsten überhaupt im Pflanzenreich. Der Wasserstrom wird auf bis zu 1,5 Meter pro Sekunde beschleunigt, und die im Inneren der Fangblasen entstehenden Wirbel tun ihr Übriges, um der Beute jede Chance auf Entkommen zu nehmen.

Simulation des Fangmechanismus | Wie die Falltür funktioniert, haben die Forscher auch mit einem numerischen Modell simuliert: In der Fall herrscht Unterdruck, und die kleinste Berührung reicht aus, dass sich die Falltür nach innen bewegt.
Mit Hochgeschwindigkeitsaufnahmen von 15 000 Bildern pro Sekunde war es französischen und Freiburger Forschern um Philippe Marmottant von der Université de Grenoble erstmals gelungen, die Aktion im Detail sichtbar zu machen. Mit hohlen Nanoglaskügelchen verfolgten sie den Flüssigkeitsstrom, und Laser-Fluoreszenzmikroskopie offenbarte die Verformung des Deckels. (af)

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