Direkt zum Inhalt

Couvade-Syndrom: Männer in anderen Umständen

Nicht nur viele Schwangere zeigen körperliche und seelische Symptome – zuweilen haben ihre Partner ganz ähnliche Beschwerden. Noch ­rätseln Wissenschaftler, ob eine ­Hormonumstellung oder allein psychische Faktoren dafür verantwortlich sind.
An alles gedacht?

"Wir sind schwanger!" Wenn Männer das sagen, wollen sie meis­tens nur ihre Freude darüber ausdrücken, dass sie bald Papa werden. Oder sie nutzen die Gelegenheit, sich über ihren eigenen Bauch­ansatz lustig zu machen, wenn dieser in den ers­ten Monaten noch mit dem ihrer Partnerin konkurriert. Für einige werdende Väter allerdings steckt mehr Wahrheit in dieser Formulierung. Denn gar nicht so selten erleben auch Männer schwangerschaftsähnliche Symptome, wenn ihre Frau in anderen Umständen ist: Sie nehmen deutlich zu, leiden unter Morgenübelkeit und Sodbrennen oder sind psychisch labiler als sonst.

In der Medizin ist so viel Solidarität mit der Schwangeren als "Couvade-Syndrom" bekannt. In einer indischen Studie aus dem Jahr 2014 ­klagten Väter in spe vor allem über Verdauungs­störungen, Appetitveränderungen, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Bei den psychologischen Symptomen führten Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit die Liste an, gefolgt von Albträumen und vermehrter Rührseligkeit. Vor allem in den ersten und letzten drei Monaten treten die Beschwerden einer solchen "Ko-Schwangerschaft" auf.

Der Begriff Couvade (von französisch: couver = ausbrüten, bemuttern) stammt ursprünglich aus der Ethnologie. Seit dem 19. Jahrhundert ­verstehen Wissenschaftler darunter Rituale, mit denen sich Männer in vielen traditionellen Kulturen auf die Geburt eines Kindes vorbereiten – und die aus Sicht der damaligen Völkerkundler zuweilen bizarr wirkten. So wurde beobachtet, dass sich Männer zu simulierten Geburten in Gebärhütten zurückziehen oder sich verhätscheln lassen, als seien sie selbst schwanger ...

Kennen Sie schon …

Spektrum Gesundheit – Übergewicht – Was können die neuen Abnehmspritzen?

Wie Abnehmspritzen den Appetit zügeln, für wen sie sich eignen und welche noch wirksameren Mittel auf den Markt kommen könnten, lesen Sie ab sofort in »Spektrum Gesundheit«. Plus: Ob Nickerchen unser Herz und Hirn schützen, wie man Kindern mit ADHS hilft und warum Tuberkulose so gefährlich ist.

Spektrum - Die Woche – Die Scham ums Haar

Vor etwa 100 Jahren begann der Kampf gegen weibliches Körperhaar. Sogar ein medizinischer Begriff wurde für Behaarung, die nicht den Schönheitsidealen entsprach, eingeführt. Die Kulturgeschichte der Körperbehaarung ist Thema der aktuellen »Woche«. Außerdem: neue Erkenntnisse aus der Schlafforschung.

Spektrum Geschichte – Die Mär vom Matriarchat

Lebten die Menschen während der Altsteinzeit im Matriarchat? Huldigten die Jäger und Sammler gar einem Kult der »Großen Göttin«? Eine nüchterne Analyse zeigt, warum der Gedanke so nahe liegt und doch so fern der Wirklichkeit sein dürfte. Denn die Beweislage ist dünn.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Berg, S. J. et al.: Changes in Testosterone, Cortisol, and Estradiol Levels in Men Becoming Fathers. In: Mayo Clinic Proceedings 76, S. 582–592, 2001

Delahunty, K. M. et al.: Prolactin Responses to Infant Cues in Men and Women: Effects of Parental Experience and Recent Infant Contact. In: Hormones and Behavior 51, S. 213–220, 2007

Edward, K.-L. et al.: An Integrative Review of Paternal Depression. In: American Journal of Men’s Health, doi 10.1177/1557988314526614, 2014

Fleming, A. S. et al.: Testosterone and Prolactin Are Associated with Emotional Responses to Infant Cries in New Fathers. In: Hormones and Behavior 42, S. 399–413, 2002

Ganapathy, T.: Couvade Syndrome Among 1st Time Expectant Fathers. In: Muller Journal of Medical Science and Research 5, S. 43–47, 2014

Gettler, L. T. et al.: Longitudinal Evidence that Fatherhood Decreases Testosterone in Human Males. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 108, S. 16194–16199, 2011

Gettler, L. T. et al.: Prolactin, Fatherhood, and Reproductive Behavior in Human Males. In: American Journal of Physical Anthropology 148, S. 362–370, 2012

Kornischka, J., Schneider, F.: Delusion of Pregnancy. A Case Report and Review of the Literature. In: Psychopathology 36, S. 276–278, 2003

Storey, A. E. et al.: Hormonal Correlates of Paternal Responsiveness in New and Expectant Fathers. In: Evolution and Human Behavior 21, S. 79–95, 2000

Trethowan, W. H., Conlon, M. F.: The Couvade Syndrome. In: The British Journal of Psychiatry 111, S. 57–66, 1965

Wee, K. Y. et al.: Correlates of Ante- and Postnatal Depression in Fathers: A Systematic Review. In: Journal of Affective Disorders 130, S. 358–377, 2011

Ziegler, T. E. et al.: Pregnancy Weight Gain: Marmoset and Tamarin Dads Show it too. In: Biology Letters 2, S. 181–183, 2006

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.