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News: Am laufenden Band

Weihnachtszeit - Geschenkezeit. Die großen roten Schleifen auf den Präsenten zeigen deutlich: Jedes Band hat zwei Seiten, ein Vorne und ein Hinten. Doch gilt auch hier die alte Regel mit der Ausnahme: Ein geheimnisvolles Gebilde, das Möbiusband, besitzt nämlich nur eine einzige Seite. Unvorstellbar? Wissenschaftlern ist es jetzt sogar gelungen, ein solches Band in Molekülform herzustellen.
Möbiusband
Das Möbiusband: Einfach ist es aus Papier zu basteln, indem man einen langen Streifen auf der einen Seite um 180 Grad dreht und die Enden anschließend zusammenklebt. Und schnell kann man sich von seinen nahezu unvorstellbaren Eigenschaften überzeugen: Setzt man einen Stift an irgendeiner Stelle an und fährt die Struktur ab, stellt man fest, dass sie weder Anfang noch Ende, weder rechts noch links, weder oben noch unten hat.

Für organische Chemiker stellt dieses erstaunlich verwundene Gebilde einen besonderen Reiz dar. Schließlich gibt es schon ganz ähnliche Verbindungen: die Aromaten. Dabei handelt es sich um ringförmige Kohlenstoff-Verbindungen, die ihren Namen vom angenehmen Duft einiger Abkömmlinge des berühmtesten Vertreters Benzol haben. Sie sind flach gebaute Moleküle mit einer besonderen Anordnung der die Atomkerne umgebenden Elektronen. In diesem pi-System genannten Arrangement können sich die Elektronen über einen großen Bereich frei bewegen, was die Struktur äußerst stabil macht und für das besondere chemische Verhalten dieser Kohlenwasserstoffverbindungen verantwortlich ist.

Ähnliches sollte auch für ein aromatisches Möbiusband gelten: Seitdem vor vierzig Jahren ein Wissenschaftler namens Edgar Heilbronner die theoretischen chemischen Eigenschaften eines verdrehten, aromatischen Moleküls aus Kohlenstoff und Wasserstoff beschrieben hatte, haben Forscher versucht, ein stabiles Möbius-Molekül herzustellen. Ohne Erfolg – bis jetzt!

Denn so einfach wie mit Schere und Papier funktioniert das Bauen einer solchen Konstruktion im Labor nicht. Die nötige Verdrehung ist nämlich energetisch mit einigen Problemen verbunden, sodass man sie den Molekülen nicht einfach aufdrängen kann. Diese weichen, flexibel wie sie sind, dem ungemütlichen Zustand gerne durch eine Änderung ihrer räumlichen Struktur aus. Schere und Klebstoff helfen hier wenig.

Wissenschafter von der Universität Kiel und dem Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart haben die Natur jetzt ausgetrickst: Anstatt von einem einzigen Stoff auszugehen und diesen irgendwie zu verdrehen, bauten sie ihr Molekül aus zwei verschiedenen Ringen mit unterschiedlich Eigenschaften auf. Eine dieser Komponenten war so unbeugsam konstruiert, dass sie bei Verknüpfung mit der anderen dem Gesamtmolekül die Verdrehung aufzwang. Durch geeignetes Öffnen des Ringes ergab sich die Möbius-Struktur wie von selbst.

Die eingeführte Windung machte das neue Molekül jedoch nicht, wie man erwarten könnte, weniger stabil. Es zeigte sogar vielmehr – wie Heilbronner es vorausgesagt hatte – zusätzlich aromatische Eigenschaften.

Und so erfüllte sich nach vierzig Jahren die Prophezeiung des Endlosen: Die Herren der Ringe konnten die theoretischen Voraussagen Heilbronners zu aromatischen Möbius-Molekülen bestätigen.

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