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Der Lebenslauf des kosmischen Staubs

Vor etwa 80 Jahren wiesen Astronomen zum ersten Mal die Existenz großer Wolken aus Gas und Staub zwischen den Sternen unserer Galaxis nach. Seitdem versuchen Wissenschaftler, die Zusammensetzung des interstellaren Staubs und seine Bedeutung im Lebenslauf der Sterne zu verstehen. Doch erst neuerdings kommen die Forscher der zentralen Rolle des Staubs bei der Entstehung von Sternen und Planetensystemen auf die Spur.
Globule ESO 210-6A

Schon ein Blick in die sommerliche Milchstraße zeigt es deutlich: Das Band aus tausenden von Sternen wird von dunkleren Flecken mit scheinbar weniger Sternen unterbrochen. Der Grund sind gewaltige interstellare Wolken aus Gas und Staub in unserer Galaxis, die das Licht der dahinterliegenden Sterne absorbieren.

Astronomen entdeckten bereits in den 1930er Jahren die Grundlagen zum Verständnis dieser Wolken, Gas und Staub treten stets gemeinsam auf. Während im dünneren, heißeren Teil dieser Wolken vor allem Gas anzutreffen ist, dominiert der Staub im dichteren, kühleren Teil der Wolken. Theoretische Fortschritte in den 1960er Jahren lieferten mögliche Quellen für den Staub: Sterne sollten danach in ihren Außenschichten Kohlenstoffruß und Silikatstaub produzieren und ins Weltall blasen.

Teleskopische Beobachtungen im Infrarotlicht bestätigten dieses Modell und begründeten das heute anerkannte Bild der Entstehung als "Sternenstaub" aus stellaren Auswürfen. In der Mai-Ausgabe von "Sterne und Weltraum" berichten zwei Experten über die neuesten Entdeckungen und den aktuellen Stand des Wissens: Hans-Peter Gail vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg und Svitlana Zhukovska vom Max-Planck-Institut für Astronomie.

In den letzten 15 Jahren kristallisierte sich ein vollständigeres Bild des Gesamtkreislaufs heraus, den interstellare Staubkörner in unserer Galaxie durchlaufen. Der stetige Austausch von Materie zwischen den Sternen und dem interstellarem Medium reichert beide mit schweren Elementen an. Aus den Wolken entstanden, geben die Sterne am Ende ihres Lebens einen Teil ihrer Materie – mit in ihrem Inneren erbrüteten schweren Elementen – an das interstellare Medium zurück. Je nach Sternentyp ist die ausgestoßene Mischung aus Gas und Staub verschieden, der Staub ist also auch Zeuge der Vergangenheit des Sterns.

Doch Sterne erzeugen nicht nur Staub, sie können auch bereits vorhandene Staubteilchen zerstören. Die Stoßwellen von energiereichen Sternexplosionen, den so genannten Supernovae, zerkleinern die Staubkörner in den dünneren Außenbezirken der Staubwolken und im Weltraum zwischen ihnen. Die Elemente im Staub werden dadurch erneut in die heiße Gasphase überführt und durchmischt. Der Kreislauf schließt sich, wenn die Gaswolken schließlich abkühlen. Kleine Staubkörner verklumpen nach und nach zu größeren Teilchen, gleichzeitig verdichtet sich die Wolke. Aus diesen kühlen Staubwolken bilden sich dann von neuem junge Sterne und Planeten, die diese umkreisen.

So verrät uns die Untersuchung des galaktischen Staubkreislaufs nicht nur Details der Entstehung unseres eigenen Sonnensystems und unseres Heimatplaneten. Die Astronomen können so auch vorhersagen, wo sich in unserer Milchstraße besonders viele Planeten um fremde Sterne befinden: In Richtung des galaktischen Zentrums erwarten die Forscher mehr Exoplaneten als in den Außenbereichen. Da der Staub in der Mitte unserer Milchstraße seinen Lebenskreislauf besonders schnell durchläuft, sind einige dieser Sonnensysteme vermutlich deutlich älter als das unsrige.

Wie so häufig in der Wissenschaft ergeben sich aus neu erhaltenen Antworten weitere Fragen: Ein wichtiger, im Detail jedoch unverstandener Punkt ist das Wachstum der Staubkörner in den kühlen Wolken. Dass das Wachstum stattfindet, verrät die Existenz von Sternen und Planeten. Doch wie es genau abläuft, ist eine zukünftige Aufgabe der Quantenchemie und von Laborexperimenten. Jeder Schritt in diese Richtung bringt uns auch dem Verständnis unserer eigenen Herkunft näher.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Sterne und Weltraum, Mai 2012
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