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News: Der Schein trügt

Nur auf den ersten Blick erscheint es unverkennbar: Menschen mit verschiedenen Hautfarben gehören verschiedenen Rassen an. Doch immer mehr Untersuchungen bestätigen, dass sich diese äußerlichen Unterschiede in den Genen kaum widerspiegeln.
Die deutsche Geschichte hat den Begriff längst diskreditiert – heutige Biologen verwenden das Wort "Rasse" höchsten noch bei Haustieren. Dennoch wird die Hautfarbe immer wieder herangezogen, um vermeintliche Unterschiede zwischen den Menschen zu betonen.

Es erscheint ja auch auf den ersten Blick durchaus einleuchtend: Es gibt schwarze, weiße, rote oder gelbe Menschen, die aus verschiedenen Teilen der Erde stammen und daher sich "auch sonst" irgendwie unterscheiden müssten. Doch ist dem wirklich so?

Ein wahrer Schmelztiegel für Menschen unterschiedlicher Herkunft – und damit ein Eldorado für Humangenetiker – ist Brasilien. Zur indianischen Urbevölkerung kamen im Laufe von Jahrhunderten weiße Einwanderer aus Europa, die wiederum schwarze Sklaven aus Afrika hierher verschleppten. Die verschiedenen Hautfarben haben sich inzwischen bunt vermischt – in der Gesellschaft spielt die "Rasse" jedoch nach wie vor eine nicht unbedeutende Rolle.

Flavia Parra von der Universidade Federal de Minas Gerais in Belo Horizonte und ihre Kollegen klassifizierten nun 173 Brasilianer aufgrund äußerlicher Merkmale wie Hautpigmetierung, Haarfarbe, Augenfarbe sowie Gestalt von Nase und Lippen als "weiß", "schwarz" oder "Mischling". Dann suchten die Wissenschaftler im Erbgut nach zehn bestimmten genetischen Markern, die sich als Unterscheidungsmerkmal zwischen Portugiesen und der Bevölkerung der westafrikanischen Insel São Tomé bewährt hatten [1].

Bei den Brasilianern versagten diese vermeintlichen "Rassen"-Marker: Egal, ob ihre Hautfarbe schwarz, weiß oder braun war, genetisch unterschieden sie sich kaum. Dagegen zeigt eine Vergleichsgruppe von 200 Brasilianern, die sich selbst als "weiß" titulierten, verhältnismäßig viele genetische Variationen.

Viel weiter gingen die Untersuchungen, die Noah Rosenberg von der University of Southern California in Los Angeles zusammen mit anderen Wissenschaftlern durchführte. Die Forscher nahmen sich gleich 1056 Individuen aus 52 Populationen der fünf geografischen Regionen Afrika, Eurasien, Ostasien, Ozeanien und Amerika vor. Hier analysierten sie im Genom 377 Mikrosatelliten – nicht-codierende, hoch variable DNA-Abschnitte [2].

Mit einem ausgeklügelten Statistikprogramm konnten sie tatsächlich sechs genetische Gruppen herausfiltern, wovon fünf die geografische Herkunft widerspiegelten. Diese genetischen Variationen zwischen den Populationen machten jedoch nur drei bis fünf Prozent aller Unterschiede aus. Der große Rest, nämlich 93 bis 95 Prozent aller Unterschiede, traten zwischen Individuen der gleichen Population auf. Besonders heterogen zeigten sich dabei die Europäer. Nur die Basken und Sarden konnten als genetische Gruppe identifiziert werden.

"Unter Anthropologen und Humangenetikern herrscht weitgehend Übereinstimmung, dass menschliche Rassen biologisch nicht existieren", betont daher Sérgio Pena von der brasilianischen Arbeitsgruppe. "Doch die Rassen existieren als gesellschaftliches Konstrukt."

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