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News: Eine haarige Sache

Eine komplizierte Choreografie mehrerer Proteine sorgt für kräftigen Haarwuchs. Ist das Zusammenspiel gestört, droht Krebs.
Haar
Was unterscheidet die Kopfhaut von der Handfläche? Richtig: die Behaarung. Ob eine Hautpartie nackt bleibt oder ob sie Haare trägt, entscheidet sich bereits sehr früh. In der Entwicklung des Embryos lösen sich dafür einige Stammzellen aus der äußersten Schicht des Keimes, dem Epithel. Dann ändern sie ihre Form, bilden zunächst eine bläschenförmige Ausstülpung und formen schließlich in einer tiefer gelegenen Schicht das röhrenförmige Haarfollikel, aus dem das Haar herauswächst.

Wie wird dieser komplizierte Prozess in Gang gesetzt? Elaine Fuchs und ihre Kollegen von der Rockefeller University hatten zunächst zwei Proteine in Veracht: Lef1 und Beta-Catenin. Beide sind in den Zellen, die zu Haarfollikeln werden, reichlich vorhanden, in Hautzellen fehlen sie dagegen.

An Zellkulturen und Mausembryonen beobachteten nun die Forscher, dass Lef1 in zukünftigen Follikelzellen dann produziert wird, wenn tiefer liegende Zellen ein weiteres Protein namens Noggin aussenden. Gleichzeitig kommt aus benachbarten Epithelzellen das Eiweiß Wnt als Signal an und sorgt dafür, dass sich Beta-Catenin in der Zelle ansammelt. Dort verbinden sich dann Lef1 und Beta-Catenin zu einem Komplex. Dieser verhindert, dass das Gen abgelesen wird, das die Produktion einer weiteren Substanz, dem E-Cadherin, startet.

Diese Beobachtung überraschte die Forscher. Sie wussten zwar, dass der Komplex aus Lef1 und Beta-Catenin als Schalter dient, der Gene aktivieren kann; dass er sie jedoch auch abschaltet, war neu.

Mit dem Schalter allein ist es noch nicht getan. Entscheidend für die Zelldiferenzierung ist das Protein E-Cadherin: Als eine Art Klebstoff sorgt es für den Zusammenhalt von Zellen – wird es, vom Schalter gestoppt, nicht mehr produziert, dann lockert sich der Zellverband, und einzelne Zellen können auswandern. Und dadurch bildet sich dann eben im embryonalen Epithel die bläschenartige Knospe, die sich letztendlich zum Haarfollikel ausformt.

Die Beobachtungen der Forscher sind aber auch für die Krebsforschung wichtig. Denn der gleiche Mechanismus – die Lockerung des Zellverbandes durch einen Mangel an E-Cadherin – könnte auch eine Rolle spielen, wenn Krebszellen aus dem Tumor auswandern.

Fuchs und ihre Kollegen konnten diesen Zusammenhang mit genetisch veränderten Mäusen nachweisen, die extrem viel Lef1 und Beta-Catenin und dementsprechend wenig E-Cadherin produzierten: Diese Tiere entwickelten erwartungsgemäß ein ausgesprochen dichtes Fell – sie litten aber auch unter Tumoren rund um die neuen Haarfollikel.

Die Menge des Zellklebers E-Cadherin muss demnach genau richtig dosiert sein. Ist zu viel davon vorhanden, können sich keine Stammzellen absondern und zu Haarfollikeln werden – die Haut bleibt kahl. Wird andererseits zu wenig davon produziert, kann sich unter Umständen Krebs entwickeln.

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