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News: Ermüdende Vorurteile

Niemand möchte gern als Rassist gelten, entsprechend hartnäckig wird jeder vorurteilsbehaftete Gedanke sofort im Keim erstickt. Und das kostet Energie.
Hinraktivitäten der Vorurteile
Keiner gibt es offen zu. Doch schleichend, wenn auch ungewollt, taucht ein Unbehagen auf. Menschen, die eine für uns unverständliche Sprache sprechen, die eine andere Hautfarbe haben, lösen in uns unbewusst ein mehr oder weniger befremdliches Gefühl aus, in das sich auch Ängste mischen können: Ist mein Gegenüber vielleicht auch sonst "irgendwie" anders, gar bedrohlich?

Gegen Vorurteile ist vermutlich niemand gefeit. Wenn uns unser Verstand auch noch so oft klar macht, dass jede Voreingenommenheit Fremden gegenüber völlig unbegründet ist, beeinflusst sie doch unbewusst unser Verhalten unseren Mitmenschen gegenüber. Doch wie wirken sich Vorurteile – und deren Unterdrückung – genau auf unser Denken aus?

Um diese Frage zu beantworten, haben Jennifer Richeson und ihre Kollegen vom Dartmouth College zunächst getestet, inwieweit eine Gruppe von 30 weißen Amerikanern im Alter von etwa 20 Jahren zu Vorurteilen neigt. Dazu mussten die Probanden am Computer möglichst schnell Weiße mit negativen Kategorien sowie Farbige mit positiven korrelieren und umgekehrt. Die Zeitdauer, welche die Testpersonen hierfür benötigten, werteten die Forscher als Maß für eine mehr oder weniger stark ausgeprägte, wenn auch unbewusste Neigung zu Vorurteilen gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe.

Dann nahmen die Versuchspersonen an einer kleinen Konzentrationsübung teil, die scheinbar in keinem Zusammenhang zum ersten Experiment stand: Sie sollten die Farben von Buchstaben möglichst schnell benennen, wobei als Fallstrick gelegentlich auch schon mal das Wort "rot" in blauen Lettern erschien. Entscheidend dabei – wenn auch für die Testpersonen als unwesentlich eingeschätzt: Als Versuchsleiter erschien bei der ersten Hälfte der Probanden ein Weißer, bei der zweiten Gruppe ein Farbiger.

Und tatsächlich: Die Forscher konnten einen Zusammenhang zwischen der zuvor gemessenen Neigung zu Vorurteilen und der Konzentrationsfähigkeit finden. Diejenigen, die sich bei Test 1 als vorurteilsbehaftet geoutet hatten, schnitten bei Test 2 schlechter ab, wenn sie zuvor mit einem Farbigen konfrontiert worden sind.

Neugierig geworden, gingen die Forscher noch einen Schritt weiter. Mit Magnetresonanztomographie beobachteten sie die Hirnaktivitäten ihrer Testpersonen, während diese sich Fotografien von weißen und farbigen Männern anschauten.

Und auch hier wurden die Forscher fündig: Bestimmte Bereiche im rechten präfrontalen Cortex – hier kontrolliert das Gehirn komplexe Verhaltensweisen – regten sich, wenn sich diejenigen mit stärkeren Vorbehalten gegenüber Menschen anderer Hautfarbe die entsprechenden Bilder anschauten.

Der Schluss der Forscher: Wer Vorurteile hat, versucht diese zu unterdrücken – daher die Aktivität im präfrontalen Cortex. Diese Kontrolle lenkt das Gehirn jedoch von anderen Aufgaben ab, die mentale Leistungsfähigkeit lässt entsprechend nach.

"Das ist ein interessantes Ergebnis", meint auch Graham Richards von der Staffordshire University. "Doch über weitere Bedeutung und Verallgemeinbarkeit kann vernünftigerweise nur spekuliert werden." Vor allem kritisiert der Psychologe, dass die Forscher nicht den gleichen Versuch mit Farbigen durchgeführt haben. Außerdem befürchtet er, die Studie könnte missbraucht und missverstanden werden als Mahnung, jeglichen Umgang mit andersfarbigen Menschen von vornherein zu meiden. Und das läge sicherlich nicht in der Absicht der Wissenschaftler.

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