Direkt zum Inhalt

News: Geheimhaltung unmöglich

Verbote sind das eine, deren Überprüfung indes das andere. Wer jedenfalls in Zukunft den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen umgehen will, der wird es schwer haben, denn die weltweite seismografische Überwachung wird zusehends präziser.
Atombombenexplosionen setzen ungeheure Kräfte frei und senden – genau wie Erdbeben – verräterische Schockwellen durch das Erdinnere. Ob diese Wellen allerdings von einem natürlichen Erdbeben, dem Einsturz eines Bergwerks oder einer Atombombe stammen, müssen die Experten der Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) in Wien klären.

Allerdings dürfen sie – so will es das Teststoppabkommen – ihre Ergebnisse nicht öffentlich kundtun, und so ist über deren Arbeit in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt.

Seit 1995 hat die CTBTO jedenfalls eine Vielzahl von seismischen Ereignissen bewertet und klar einer Ursache zugeordnet. Wie viele Signale letztlich von einer ungewissen Quelle ausgingen, ist – aufgrund der Geheimhaltung – unklar. Bis in die Literatur schafften es jedenfalls nur 72 Fälle, und die wurden nun von Lynn Sykes von der Columbia University erneut bewertet.

Eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen einer Atombombenexplosion und einem natürlichen Erdbeben besteht darin, dass Erstere ihre Wellen von Punktquellen aussenden, Letztere hingegen entlang komplexer geologischer Strukturen entstehen. Von Atomexplosionen registrieren Erdbebenstationen deshalb nur eine Kompression des Untergrunds, während bei natürlichen Erdbeben auch Zerrkräfte auftreten.

Hinzu kommt, dass die Seismografen immer empfindlicher wurden. Während vor dreißig Jahren nur Ereignisse mit einer Raumwellenmagnitude mb – diese Magnitude beschreibt insbesondere die Stärke flacher Erdbeben – von 4,3 bis 5,6 in die Auswertung eingingen, können heute auch Erdbeben mit mb von 2,0 bis 3,5 zugeordnet werden. Da die Magnituden-Skala logarithmisch ist, bedeutet dies eine Verbesserung um den Faktor 300. Nun lassen sich auch Atombombenversuche nachweisen, die nur ein Tausendstel der Energie früher identifizierbarer Explosionen freisetzen.

Zusammen mit verbesserten Auswertungsmethoden war Sykes daher in der Lage, fast alle jener 72 Fälle eindeutig zuzuordnen – und konnte zudem eine Reihe von Gerüchten ausräumen.

So ist sich der Forscher sicher, dass die Angaben Indiens, das Land habe am 13. Mai 1998 zwei Atombombenversuche mit einer Sprengkraft von insgesamt 0,6 Kilotonnen TNT durchgeführt, zumindest mächtig übertrieben sind. Denn an jenem Tag war auf keinem der Seismogramme ein entsprechendes Signal zu sehen. Auch für die angebliche Atombombenexplosion im Irak im Jahr 1989 gibt es demnach keinerlei Hinweise.

Ähnliches gilt für die russischen Tests auf der Halbinsel Novay Zemlya am 8. und 23. September 1999. Wenn dort überhaupt Atombomben explodierten, dann waren sie nach Ansicht Sykes' mit einer Sprengkraft von höchsten 0,02 Kilotonnen winzig. Denn um von militärischer Bedeutung zu sein, müsste ein Test wenigstens ein Äquivalent von fünf bis zehn Kilotonnen TNT freisetzen. Zum Vergleich: Über Hiroshima wurde eine 12-Kilotonnen-, über Nagasaki eine 22-Kilotonnenbombe gezündet. Moderne Atombomben setzten bei ihrer Explosion bis zu 20 Megatonnen TNT Energie frei.

Doch selbst das beste Beobachtungsnetz wird auch in Zukunft Atomwaffentests nur nachweisen, nicht jedoch verhindern können. Und solange nur 31 der 44 Staaten, in denen an Atomwaffen geforscht wird oder die über nukleare Anlagen verfügen, das Atomteststoppabkommen ratifiziert haben, werden solche Versuche nicht einmal geahndet.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.