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Ich weiß, dass ich etwas weiß

Reinhard Breuer
Zweifellos: Wissenschaft ist die Lehre vom Wissen, also möchte man meinen, alles, was dort gesagt wird, trage das Gütesiegel einer geprüften und fortan universell belastbaren Wahrheit. Sicheres Wissen also, auf das sich jeder stets und überall berufen können sollte.

Doch so einfach ist das Leben nicht. Selbst innerhalb der Wissenschaft stuft sich der Grad an Wissenssicherheit bereits ab: vom Sichersten, den mathematischen Beweisen logisch eindeutig formulierter Thesen („Es gibt unendlich viele Primzahlen“), bis hin zu eher qualitativen Vermutungen, die vielleicht nur von wenigen Indizien geringer Signifikanz gestützt werden („Die Häufigkeit der Leukämiefälle in Südhessen durch Mobilfunkmasten wächst.“).

Umgangssprachlich sind solche Abstufungen im Wahrheitsanspruch ja eher die Regel – bis hin zu Verwechslungen zwischen Glaube und Wissen. Kein Wunder, dass Helen Quinn bekümmert ist. Folgende Worte würden, klagt die Professorin, in der Öffentlichkeit ständig zu Missverständnissen über Wissenschaft führen: Glaube, Hypothese, Theorie und Wissen. Und für viele herrsche zwischen den ersten drei Begriffen im Alltagsgebrauch kaum ein Unterschied, kaum zu unterscheiden auch von reinen Meinungen; selbst „Wissen“ ist da nicht so weit von Glauben entfernt, da viele sich bei dem sicherer wähnen, an das sie glauben, als bei dem, was sie wissen. Und so stehen oft wissenschaftliche Aussagen im öffentlichen Raum, als könnte man über deren Wahrheitsgehalt demokratisch abstimmen.

Auch eine Aussage wie „Ich glaube, dass Thomas um fünf Uhr kommt“ enthält weder Akte des Glaubens noch des Wissens, sondern drückt lediglich aus: „Ich weiß nicht genau, wann Thomas kommt.“

Wenn zwei dasselbe sagen, so wird klar, dann meint es noch nicht das Gleiche. Auch Wissenschaftler sagen gerne mal „Wir glauben, dass ...“. Solch einer Behauptung liegen nun aber weder Glauben noch Unsicherheit zu Grunde. Vielmehr meint es, so formuliert es Helen Quinn: „Die meisten Forscher sind sich einig, dass fast alle Evidenz die Interpretation stützt, dass ... und dass es keine Fakten gibt, die dem widersprechen.“

Das ist natürlich umständlich, und so bleibt es zumeist bei der missverständlichen Kurzformel. Ähnliche Probleme bereitet den Forschern die wunderbare Popper’sche These von der Vorläufigkeit naturwissenschaftlicher Behauptungen. Auch da entsteht in Diskussionen manchmal der Eindruck, als könnten manche heute noch gültigen Naturgesetze vielleicht schon morgen im Müll landen.

Das Gegenteil ist der Fall: Wie vorläufig ist etwa Newtons Gravitations­gesetz? Im Rahmen gewisser Grenzen, die freilich manchmal erst später gezogen werden, bleibt da wenig vorläufig. Vielmehr gelten diese Gesetze dort, total undemokratisch und glaubensunabhängig, absolut. Nicht für jeden ist das einfach zu schlucken.

Reinhard Breuer

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