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Ohnmacht des Wissens

Reinhard Breuer
Dass in gewissen Ländern Gerichtsprozesse politisch geführt werden, ist nicht weiter verwunderlich. So werden in Libyen seit sieben Jahren fünf bulgarische Krankenschwestern und ein palästinensischer Arzt unter Mordanklage im Gefängnis festgehalten. Sie sollen 1998 über 400 Kinder, von denen 51 mittlerweile starben, mit HI-Viren infiziert haben. Am 19. Dezember bestätigte das Gericht in Bengasi das Todesurteil, das 2004 gefällt und im Dezember 2005 wieder aufgehoben worden war.

Im Dezember publizierte ein internationales Forscherteam ihre Analysen über den möglichen Zeitpunkt der Aids-Infektion (Nature, 14.12.2006, S. 836). Sie analysierten Gene der Viren, die bei den Kindern gefunden wurden, und stellten eine Art Stammbaum her. Danach bestätigten sie, was auch schon 2003 die Aids-Forscher Luc Montagnier und Colizzi im Rahmen des zweiten Prozesses dargelegt hatten: Die fraglichen Viren waren schon lange vorher in dem Krankenhaus verbreitet. Mit acht verschiedenen Verfahren testeten sie ihre Hypothese. Die Erreger konnten demnach nicht später als im Frühjahr 1997 in das Krankenhaus gelangt sein, immer noch ein Jahr vor dem März 1998, an dem die Krankenschwestern ihre Arbeit aufnahmen.

Das sind harte, unbezweifelbare Fakten – doch die Gefangenen sind nur Geiseln. Da hat auch die Wissenschaft keine Chance. Es geht nicht um Wissenschaft, sondern um Erpressung: Nach Medienberichten soll gegen „Entschädigungszahlungen“ von zehn Millionen Euro pro Kind die libysche Justiz bereit sein, die Todesurteile neu zu verhandeln. Man kann nur hoffen, dass sich die EU, zu der seit 1. Januar 2007 auch Bulgarien zählt, wirksam um diesen bedrückenden Skandal kümmert.

Reinhard Breuer

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