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Roboter, die sich selbst erkennen

Erforscher der Künstlichen Intelligenz (KI) leben nun schon länger mit dem (schlechten) Ruf, entweder zu optimistische Behauptungen oder schlicht falsche Prognosen aufzustellen. Menschliche Intelligenz und Kreativität werden niemals zu toppen sein, aber Roboter würden als dienstbare Geister bald unseren Alltag bevölkern. Viele KI-Träume sind in den vergangenen Jahren begraben worden, die Paradigmen wechselten wie die Hemden. Dann aber konnte immerhin vor zehn Jahren der Schachcomputer „Deep Blue“ den Schachweltmeister Kasparow vom Brett bürsten.

Natürlich hat Deep Blue viele enttäuscht – denn um die menschliche Ehre zu retten, musste man nun neu definieren, was eigentlich Intelligenz oder Kreativität sei. Offenbar war es nicht das, was in dem Silizium-Rechenknecht am Werkeln war: Tabellen mit Zugvarianten anlegen („Hashtables“), Suchalgorithmen und Bewertungsfunktionen – das kann’s ja wohl nicht gewesen sein. Das eröffnete aber zwei neue Sichten auf Intelligenz. Eine besagt, Intelligenz ist unabhängig vom Körper und unbeeinflusst von seiner Existenz; die andere behauptet, Intelligenz hat in einem Körper zu sein und wird von diesem auch beeinflusst.

Vor allem Robotikforscher neigen der letzteren Version zu und meinen, die Art eine Körpers hat erheblich Einfluss auf den Geist, auch wenn er diesen nicht völlig steuert. In dem Buch „How the Body Shape the Way we Think“ (Bradford Books 2006) haben die Autoren Rolf Pfeifer und Josh Bongard diese Sicht eindrucksvoll ausgearbeitet.

Aber ich will auf etwas anderes hinaus. Gerade las ich im wöchentlichen Wissenschaftsblatt „New Scientist“ (19. Mai, 2007, Seite 30), dass Roboterforscher von der Yale-Universität jetzt Nico gebaut haben. Und sie haben Nico beigebracht, sich im Spiegel selbst zu erkennen.

Das klingt dramatisch, gilt die Selbstwahrnehmung im Spiegelbild doch als ein größerer Schritt in der Entwicklung von Kleinkindern – Grundlage von Selbstbewusstsein, Sozialisierbarkeit und eben Intelligenz. Wie man längst weiß, können sich auch Schimpansen, Orang-Utans, einige Delfinarten und sogar Elefanten im Spiegel erkennen. Und in zahlreichen Labors auf der Welt arbeiten Roboterforscher daran, die humanoiden Geschöpfe mit gefühlsartigen Reaktionen auszustatten und sie zu sozialisieren. Und jetzt sind die KI-Forscher auch schon so weit?

Vielleicht wieder mal nicht ganz. Was haben Kevin Gold und sein Betreuer Brian Scassellati gemacht? Nico hat eine Videokamera und eine Software, die alle Objekte in einem Spiegel in drei Gruppen einteilt: „selbst“, „andere“ und „keines von beiden“. Zugleich melden Sensoren in Nicos Körper, wenn er seinen Arm bewegt. Sieht Nico nun durch Vergleich mit der laufenden Bildanalyse, dass sich auch dort ein Arm bewegt, schätzt er mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass er hier „selbst“ zugange ist. Passen die Bewegungen nicht zusammen, vermutet Nico andere Roboter oder Menschen vor sich zu sehen. Die Trefferquote liegt bei 95 Prozent, auch wenn man Nico ein anderes Hemd anzieht.

Das Ganze ist also ziemlich primitiv, wenn auch wirksam. Wie die Forscher selbst betonen, hat Nico keine Selbstwahrnehmung, sondern nimmt sich nur wahr, wenn er sich im Spiegel erblickt.

Der Primaten- und Kognitionsforscher Daniel Povinelli (Universität von Louisiana) kritisiert denn auch, dass Nico eigentlich gar nichts über die Selbstwahrnehmung im Spiegel aussagt. Nicos Leistung sei „notwendig, aber nicht hinreichend“ für Selbstwahrnehmung. Und selbst der Doktorand Kevin Gold gesteht, dass er nun „gar nicht beeindruckt“ ist, wenn sich ein Roboter oder ein Tier selbst im Spiegel erkennt.

Es ist also wie immer: Kaum bringt ein KI-Forscher einem Computer oder Roboter etwas bei, worauf Menschen bislang doch recht stolz waren, schon verblasst auch diese Besonderheit zu einer Banalität. Intelligenz und Kreativität müssen dann eben wieder woanders gesucht werden. Forschung mit beweglichen Zielen.

Reinhard Breuer

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