Direkt zum Inhalt

News: Sichtbarer Erfolg

Retinitis pigmentosa heißt eine Augenkrankheit, bei der die Netzhaut langsam, aber sicher zerstört wird. Zunehmende Erblindung ist die Folge. Bisher sucht die Wissenschaft vergeblich nach Methoden, um diese und andere Augenkrankheiten zu heilen. Jetzt gelang es einer Forschergruppe, Sehzellen in blinden Ratten zu transplantieren. Und die Tiere konnten nach der Operation tatsächlich wieder sehen.
Der gesamte Prozess verläuft schleichend, zunächst fast unmerklich. Es beginnt in der Jugend mit leichten Orientierungsschwierigkeiten bei Dämmerung. Dann fällt das Lesen immer schwerer. Schließlich, meist erst nach einigen Jahrzehnten, ist völlige Erblindung die unabwendbare Folge. Retinitis pigmentosa ist die Ursache dieses totalen Sehverlustes, die zu den häufigsten Augenerkrankungen gehört. Weltweit leiden etwa drei bis vier Millionen Menschen an einer der verschiedenen Formen dieser unheilbaren Krankheit, in Deutschland sind etwa 30 bis 40 000 hiervon betroffen.

Ein verändertes Gen löst die Krankheit aus, bei der zunächst die für das Dämmerungssehen zuständigen Stäbchen, dann auch die farbempfindlichen Zapfen in der Netzhaut absterben. Schätzungsweise jeder 80. Mensch trägt diese Mutation und kann sie an seine Nachkommen weitergeben.

Noch häufiger tritt die altersabhängige Makuladegeneration auf. Diese Sehstörung, bei der die Sehzellen in der Mitte der Netzhaut, der Makula, zu Grunde gehen, tritt meist erst nach dem 50. Lebesjahr auf. Die Krankheit führt nicht zur völligen Erblindung, aber ein zentrales Sehen ist nicht mehr möglich. Die Betroffenen können nicht mehr lesen, sie erkennen keine Gesichter mehr, eine selbstständige Lebensführung im Alltag wird unmöglich. Allein in Europa leiden bereits über 6,5 Millionen Menschen an den Spätstadien der Erkrankung. Warum es zur Zerstörung der Netzhaut kommt, ist unbekannt.

Schon lange suchen Mediziner nach Möglichkeiten, derartige Augenerkrankungen zu heilen – bisher vergeblich. Doch jetzt gelang Pete Coffey von der University of Sheffield zusammen mit Kollegen des University College London und der University of Utah in Salt Lake City ein entscheidender Schritt. Die Wissenschaftler versuchten die Heilung bei jungen Ratten, bei denen auf Grund einer Mutation die Sehzellen innerhalb der ersten drei Lebensmonate absterben. Hierfür verpflanzten sie menschliche Netzhautzellen in die Augen der blinden Tiere.

Die Operation gelang: Die transplantierten Zellen überlebten und wurden von den Rattenaugen integriert. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass die Tiere wirklich sehen können. Deswegen führten die Wissenschaftler mit ihren "Patienten" acht Wochen nach der Transplantation verschiedene Tests durch. Hierbei zeigte sich, dass die Tiere nicht nur zu einer Hell-Dunkel-Unterscheidung in der Lage waren, sondern auch verschiedene geometrische Muster erkennen konnten. Die Forscher schließen daraus, dass das Gehirn die Signale der transplantierten Zellen richtig verarbeiten konnte.

"Dies ist der erste Schritt zur Wiederherstellung des Sehvermögens bei Patienten, die unter retinaler Degeneration leiden", zeigt sich Arbeitsgruppenleiter Raymond Lund überzeugt. Jetzt gilt es, die Transplantation auch beim Menschen zu versuchen – einen Schritt, den die Forscher innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre wagen wollen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.