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Spanisches Zehn-Meter-Teleskop wirft ersten Blick ins All

Schon jetzt finden sich jährlich über 2000 Astronomen auf den Vulkanbergen der Kanarischen Inseln ein, um unter besten Sichtbedingungen an den dort errichteten Teleskopen zu arbeiten: Passatwinde sorgen für beständiges Klima, und die Wolkendecke sehen die Forscher meist von oben.

Bald wird der Zulauf noch wachsen, denn heute Nacht, am 13. Juli, sieht das auf La Palma errichtete Teleskop GTC (Gran Telescopio Canarias) sein "first light". Angepeilt wird probehalber erst einmal der Polarstern, dessen Licht am Freitag um Mitternacht auf einen Spiegel aus 36 sechseckigen Segmenten fallen wird. Dieser wiederum hat eine Fläche, die der eines runden Spiegels mit einem Durchmesser von 10,4 Meter entspricht.

Das ist Weltrekord bei optischen Teleskopen, wenn auch nur knapp: Die Keck-Teleskope auf Hawaii bringen es auf zehn Meter. Für scharfe Aufnahmen, auf denen sowohl optische als auch infrarote Wellenlängen abgebildet werden, ist unter anderem eine ausgeklügelte elektromechanische Technik verantwortlich: Elektronisch gesteuerte Stützstäbe sorgen jederzeit für die perfekte paraboloide Form der je 470 Kilogramm schweren Elemente – auch dann, wenn Temperaturschwankungen zu leichten Deformationen führen – und justieren in Echtzeit nach, wenn die atmosphärischen Luftschichten über dem Teleskop dessen Blick verschwimmen lassen.

"Day One"-Instrument nimmt Sternentstehung in Galaxien ins Visier

Während die Europäische Südsternwarte (Eso) ihre Teleskope in Chile betreibt – das bekannteste ist wohl das Very Large Telescope (VLT) auf dem Cerro Paranal –, hat nun also auch die Nordsternwarte ein echtes Highlight zu bieten, nachdem sie mit astronomischen Standorten etwa in Chile, Südafrika oder auf Hawaii bislang nicht konkurrieren konnte. Forschern bietet das GTC, das auf 2400 Meter Höhe installiert wurde, vielfältige Möglichkeiten, weil ihm auch sehr schwach leuchtende Objekte nicht entgehen.

Eines der Instrumente, die bereits ab "Day One" zum Einsatz kommen sollen, ist Osiris. Es arbeitet im optischen Bereich und gilt als "Star Formation Machine", soll also Hinweise auf Sternentstehungsprozesse selbst in entferntesten Galaxien aufspüren. Zu den noch in Vorbereitung befindlichen Geräten der zweiten Generation zählen unter anderem Circe, das Canarias Infrared Camera Experiment, und der Spektrograf Emir. Letzterer kann im infraroten Wellenlängenbereich Hunderte von Spektren verschiedener Objekte gleichzeitig aufnehmen und wird etwa für die Untersuchung Brauner Zerge und entfernter Galaxienhaufen genutzt werden.

Und auch auf ultrakompakte Objekte wie etwa Schwarze Löcher in der Milchstraße wird das GTC künftig zielen: Während deren Nachweis zwar schon mit Vier-Meter-Teleskopen gelingt, sollen nun vor allem Radialgeschwindigkeiten vermessen werden. Die nämlich können genaueren Aufschluss über die Masse dieser Himmelskörper geben. Die GTC-Technik haben sich die Ingenieure übrigens bei den Keck-Teleskopen abgeschaut (aber natürlich auf den neuesten Stand gebracht), die bereits seit 1993 – damals ging Keck I an den Start – mit segmentierten und sehr dünnen Spiegeln arbeiten.

Offizieller Startschuss für 100-Millionen-Projekt

Betrieben wird das GTC vom Instituto Astrofisica Canarias (IAC), das mit der Universidad Nacional Autónoma de Mexico und der University of Florida zwei Partner gewonnen hat, die sich mit je fünf Prozent an dem über 100 Millionen Euro teuren Projekt beteiligen. In der Verantwortung des IAC liegen auch das Observatorio del Roque de los Muchachos und das Observatorio del Teide. In Letzterem, auf der Nachbarinsel Teneriffa gelegen, hatten die astrophysikalischen Forschungen auf den Kanaren im Jahr 1964 übrigens ursprünglich begonnen.

Punkt Mitternacht deutscher Zeit geht es nun los, zum offiziellen Festakt werden Wissenschaftler ebenso wie Politiker aus dem In- und Ausland erwartet und natürlich Vertreter aus Mexiko und den USA. Selbst Dr. Brian May wird kommen. Der Name sagt Ihnen nichts? Wahrscheinlich führt nur der Titel in die Irre: Tatsächlich ist der Doktor der Astrophysik, der seine Promotion zum Teil am IAC durchführte, wohl eher bekannt als erfolgreicher Gitarrist, Komponist und Gründungsmitglied der Rockgruppe Queen. Bewundern lässt sich das Ereignis sogar live, nämlich im Internet. Schon um 20 Uhr beginnt zudem eine "Sesión informativa", deren Name hoffentlich für sich spricht.

Richtig loslegen können die Astronomen allerdings erst im nächsten Sommer. Etwa ein Jahr werden Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler benötigen, um die Feinabstimmung von Spiegeln und Instrumenten zu bewerkstelligen. Jetzt brauchen die Spanier nur noch ein wenig Glück, dass am heutigen Freitag, dem 13., auch alles gelingt. Daran dürfte es allerdings nicht fehlen: Auf den Kanaren fürchtet man dieses Datum nur, wenn es auf einen Dienstag fällt. Und abgesehen davon: Der Tag des "ersten Lichts" ist vor allem als öffentlichkeitswirksame Veranstaltung gedacht – dafür, dass nichts schiefgeht, ist mit Sicherheit längst gesorgt.

Thilo Körkel

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