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Wie die Fledermäuse fliegen lernten

Neue Erkenntnisse der Genetik sowie sensationelle Fossilfunde erhellen endlich die Evolution der Fledermäuse – und glätten die Wogen einer langjährigen Debatte über die Ursprünge ihrer Flugfähigkeit und Echoortung.
Fledermaus
An lauen Sommerabenden sind sie häufig zu sehen: blitzschnell umherschwirrende Fledermäuse auf der Jagd nach Insekten. Neben der erstaunlichen Eleganz der Flüge können Sie an diesen Tieren aber auch eine der spektakulärsten Erfolgsgeschichten der Evolution erkennen. Wie Forscher in der September-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" berichten, half ihnen ein spektakulärer Fund aus der Grube Messel bei Darmstadt, die Frage weitgehend aufzuklären, wann in der Erdgeschichte die Tiere das Fliegen und Jagen per Echoortung lernten.

Gemeinsam mit ihren nahen Verwandten, den Flughunden, bilden Fledermäuse die Gruppe der Fledertiere, die mit Ausnahme der Antarktis jeden Kontinent erobert hat. Fledertiere sind eine ungewöhnlich artenreiche Gruppe, jede fünfte heute lebende Säugetierart gehört dazu. Der Schlüssel für die Entwicklung dieser Lebewesen zu so viel Prominenz liegt natürlich in ihrer Flugfähigkeit. Sie erlaubt es ihnen, Ressourcen auszubeuten, die andere Säugetiere nicht erreichen können. Dieser Erfolg war ihnen wohl kaum in die Wiege gelegt: Kein anderes Säugetier hat je den Luftraum erobert. Die Frage, wie es den Fledertieren im Einzelnen gelungen ist, von flugunfähigen Vorfahren zu Herrschern des Nachthimmels aufzusteigen, hat Biologen seit Jahrzehnten intensiv beschäftigt.

Um zu verstehen, wie andersartig die Tierordnung der Fledertiere ist, zeigen die Flügel. Einige Säugetiere wie die Flughörnchen können von Baum zu Baum gleiten, weil sich von den Vorder- zu den Hinterbeinen ein Gleitschirm aus Haut spannt. Tatsächlich vermuten die meisten Fachleute, dass Fledertiere von baumbewohnenden Vorfahren abstammen, die Gleitflieger waren. Zum aktiven Flug sind unter den Säugetieren jedoch nur sie in der Lage – das ist eine viel kompliziertere Angelegenheit als ein Gleitfliegen. Fledertiere verdanken diese Fähigkeit dem Aufbau ihrer Flügel.

Doch dauerte es lange, bis Biologen einige Antworten auf ihre Fragen fanden. Im letzten glückte es einem internationalen Team von Forschern, darunter vom Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt, die Geheimnisse von Fossilien einer bis dahin unbekannten Fledermausart zu lüften. Sie sollten grundlegende Einblicke in diese rätselhafte Verwandlung liefern.

Das Fossil der Art Onychonycteris finneyi – die ursprünglichste bekannte Fledermaus – schließt die Lücke zwischen modernen Fledertieren und vierfüßigen Säugern. Die Leiterin des Forschungsteams, die Zoologin Nancy B. Simmons vom American Museum of Natural History in New York, schildert selbst die Resultate dieser aufwendigen Analyse. Merkmale wie die stark verlängerten Finger sowie die Form von Brustkorb und Schulter belegen, so fand das Team heraus, dass Onychonycteris aktiv fliegen konnte. Doch hat sie noch relativ lange Hintergliedmaßen und Krallen an allen fünf Fingern – Überbleibsel von ihren nicht fliegenden Vorfahren. Dieser Art fehlen außerdem Merkmale, die mit der Echoortung in Verbindung stehen, was zeigt, dass Fledertiere ihre Flugfähigkeit vorher entwickelt haben mussten. Dieser evolutionäre Übergang könnte sehr schnell eingetreten sein – mit nur wenigen oder gar keinen Übergangsformen.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, September 2009
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