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Wolken und was sie zusammenhält

Reinhard Breuer
Als das IPCC Anfang Februar mit großem Aplomb seinen neuesten Klimabericht verkündete, für viele Skeptiker und Nichtwissenschaftler offenbar eine Überraschung, saß ich zufällig in einem Vortrag über Wolkenbildung und Klima. Der eben nach Heidelberg berufene Umweltphysiker Thomas Leisner berichtete im Physikalischen Kolloquium über Wassertröpfchen – und was sie mit Wetter, Wolken und dem Klima zu tun haben. (In unserem nächsten Spektrum-Spezial „Energie“ steht mehr dazu; es erscheint am 20. April 2007.)

Wolken – ist das nicht etwas aus der Kindheit, wo man im Sommer auf einer Wiese liegt und dem Treiben der Wattebäuschchen am Himmel nachschaut? Und prompt leitete Leisner seinen Vortrag mit „Kinderfragen“ ein. Warum stehen Wolken manchmal scheinbar fest am Himmel, obwohl doch gerade ein heftiger Föhn bläst? Warum haben Wolken scharfe Kanten? Was hält Wolken eigentlich zusammen?

Das Geheimnis der Wolke liegt, das ist ein alter Hut, in ihren Tröpfchen und den Kondensationskeimen, die sie erst entstehen lassen. Dringen sie in feuchtere Zonen, wachsen sie, gefrieren, stürzen ab, schmelzen und verlassen die Wolke als Regen. Doch die Details der innerwolkeischen Dynamik sind nach wie vor komplex und entziehen sich zum Teil dem theoretischen Zugriff. Experimente mit elektrisch geladenen Tröpfchen, wie sie in Wolken auftreten, hat schon Lord Rayleigh 1882 gemacht – und noch heute entdeckt Leisner neue Aspekte: etwa hoch aufgeladene Tröpfchen, die beim Verdampfen zwei symmetrische haarnadeldünne Wasserjets ausstoßen und sich so auflösen.

Was hat das Klima damit zu tun? Die Erde ist auch nur, ich muss das nach dem Studium wieder vergessen haben, ein riesiger Kugelkondensator (mit 105 Coulomb), die zwischen Erdboden und Atmosphäre ein Feld von 100 Volt/Meter aufspannt. Ein schlecht isolierter Kondensator! Der Leckstrom durch die galaktische kosmische Strahlung, die ständig die Erde mit Ionen durchlöchert, würde die Atmosphäre innerhalb einer Viertelstunde entladen, würden nicht permanent tropische Gewitter am Äquator den Kondensator ständig nachladen. Diese injizieren laufend positive Ladungen in die Ionosphäre, stark moduliert durch solare Magnetfelder und den Sonnenwind. Diese wiederum variieren mit dem 11-Jahres-Zyklus der Sonnenflecken. Und auch diese Zyklen haben ihre Höhen und Tiefen, wie zuletzt im Spöhrer- und Maunder-Minimum ...

Ach ja, warum stehen Wolken manchmal fest in der Höhe? Sie sind eben keine Gebilde, sondern Gebiete, sagt Thomas Leisner vergnügt, die nichts zusammenhält. Bei höherer Feuchtigkeit und fallender Temperatur kondensieren die Tröpfchen eben und woanders nicht. Und ihr scharfer Rand? Das Wachstum der Tröpfchen am Wolkenrand verläuft fast sprungartig, beinah wie in einem Phasenübergang. Aus noch unsichtbaren Keimen wachsen die Tropfen so ruckartig in ihrer Größe, das sie genauso plötzlich sichtbar werden – als eine Art weißer Zuckerwatte, die schon Kinderaugen entzückt.

Reinhard Breuer

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