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News: Wolkenlos

Im großen Klimapuzzle spielen Aerosole eine wichtige, aber größtenteils noch unverstandene Rolle. Ergebnisse aus der Amazonasregionen tragen nun wieder ein paar kleine Teile zum Gesamtbild bei - und erbringen keine schönen Schönwetteraussichten.
Rauch, so weit das Auge reicht. Jahr für Jahr brennen in Amazonien hunderttausende Feuer, um Platz zu schaffen für Viehweiden und Felder. Nur manche übrig gelassenen Baumriesen lassen noch erahnen, welch reiche Pflanzenwelt hier einst einmal stand, doppelt traurig anzusehen, wenn metertiefe Erosionsgräben bescheinigen, was eigentlich zu erwarten war: Nach wenigen Jahren ist der Boden am Ende, und der scharfe Zahn der Brandrodung dringt in neues Gelände vor.

Doch zeigt das Feuer nicht nur am Boden verheerende Wirkung, es wirbelt auch die klimatischen Verhältnisse der betroffenen Regionen kräftig durcheinander. Denn mit dem Rauch wird die Luft angereichert mit Aerosolen, winzigen Teilchen aus organischem und mineralischem Material, die hervorragend als Kondensationskeime in der Wolkenbildung wirken. Allerdings bedeutet das nicht etwa mehr Wolken, im Gegenteil: Da nun mehr Möglichkeiten für Wassertröpfchen bestehen sich zusammenzufinden, bleiben die resultierenden Tropfen klein – und fallen nicht als Regen zu Boden.

Um nun einmal die zahlreichen bestehenden Modelle zum Einfluss von Aerosolen auf die Wolkenbildung mit realen Daten zu untermauern, schickten Meinrad Andreae vom Max-Planck-Institut für Chemie und Daniel Rosenfeld von der Hebrew University speziell ausgestattete Messflugzeuge in bis zu knapp fünf Kilometer Höhe und verglichen die Messergebnisse mit den theoretischen Vorhersagen [1].

Die Wissenschaftler stellten fest, dass die untere Basis der Wolken zwar überall niedrig lag, die Höhe aber, in der die Tropfen groß genug sind, um als Regen zu fallen, mit zunehmender Aerosolbelastung immer weiter in die Höhe stieg. Über dem Meer liegt diese Grenze bei etwa 1,5 Kilometern, über stark verqualmten Gebieten und aktuellen Bränden konnten die Flugzeuge diese Grenze nicht einmal feststellen. Berechnungen zufolge erreicht sie dort Höhen von fünf bis sieben Kilometern.

In größerer Höhe jedoch frieren die Tropfen, und es bildet sich Eis, das als grober Hagel oder Graupel niedergeht. Gleichzeitig verschärft sich unter rauchigen Bedingungen die aufstrebende Luftbewegung oder Konvektion und macht die Wetterschichten sehr viel turbulenter, was wiederum zu Stürmen und Gewittern führt. In der Summe bedeutet dies über Brandflächen weniger, aber sehr viel heftigere Niederschläge.

Gleichzeitig bedeutet der nachlassende Niederschlag in den unteren Schichten und die stärkere Konvektion, dass Wasserdampf und Aerosole bis in große Höhen – womöglich gar bis in die Stratosphäre – transportiert werden, wo sie wiederum entscheidend in den Entstehungsprozess der dortigen Eiswolken eingreifen. Die gesamte Energiebilanz der atmosphärischen Zirkulation könnte dadurch durcheinander geraten, warnen die Forscher – und damit letztendlich auch grundlegende Kreisläufe, welche das Klima weit außerhalb der Tropen bestimmen.

Ilan Koren vom Goddard Space Flight Center der NASA und seine Kollegen stellten beim Auswerten von Satellitenbildern fest, dass nicht nur die Tröpfchengröße beeinflusst wird, sondern die Wolkenbildung bei starkem Rauch insgesamt um beinahe 40 Prozent zurückgeht: Über verqualmten Gebieten entstanden schlicht überhaupt keine Regen bringenden tief hängenden Cumulus-Wolkenfetzen mehr [2]. Normalerweise entsteht dieser Typ morgens über der Ostküste und treibt dann ins Amazonasbecken, wo sie dann nachmittags alles bedecken – abgesehen von Brandgebieten.

Wie kommt es dazu? Zunächst einmal sorgen die Aerosole für eine stabilere Schichtung der unteren Atmosphäre, weil sie das einstrahlende Sonnenlicht teilweise absorbieren und damit die Luftschicht erwärmen, während durch die abgefangenen Strahlung der bodennahe Bereich abkühlt. Damit verbunden sinkt auch die Evapotranspiration – die Wasserdampfabgabe – der Waldkronen, es wird also zusätzlich auch noch trockener. Gleichzeitig können die sich erwärmenden oberen Schichten aber mehr Wasserdampf aufnehmen, wodurch der Sättigungsgrad sinkt und die Wolkenbildung nachlässt – weiterhin unterstützt von der vermehrten Anzahl an Kondensationskeimen, die zu vielen, aber eben kleineren Tropfen führen. Trockener Schluss: Mit den Wolken bleibt auch der Regen aus.

Zwei Studien, die gemäß Hans Graf von der University of Cambridge das komplizierte Klimapuzzle wieder einmal um ein paar kleine, aber wichtige Teile ergänzt. Vor allem machen sie eines klar: Während Forscher nun langsam versuchen, das zunehmende Wissen um Aerosole und Wolkenbildung in ihre Modelle einzuspeisen, dürften sie in manchen Fällen an der mangelnden Auflösung scheitern. Denn die hier beschriebenen Prozesse mit womöglich globalen Auswirkungen spielen sich im Bereich von Metern und geringen Temperaturunterschieden ab, aktuelle Modelle aber lösen im Kilometerbereich auf und berücksichtigen Differenzen von mindestens sechs bis sieben Kelvin.

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