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Eisplaneten: Die Winde auf Uranus und Neptun haben flache Wurzeln

Neptun, aufgenommen von Voyager 2

Schon seit Langem ist bekannt, dass die Wolkenoberflächen der vier Gasplaneten des Sonnensystems von ausgeprägten Jetstreams dominiert werden. Sie erzeugen das für diese Planeten so typische Muster aus Wolkenbändern und Zonen. Unklar war bisher, wie weit diese Strukturen in das Innere der Gasplaneten hineinreichen. Nun fanden Forscher um Yohai Kaspi am Weizmann Institute of Science in Israel durch Modellrechnungen und Datenauswertungen heraus, dass zumindest bei Uranus und Neptun das Wettergeschehen in flachen Regionen nahe der Oberfläche der beiden Eisriesen stattfindet.

Geschwindigkeitsfelder in flüssigen Planeten | In einem rotierenden, flüssigen Planeten mit annähernd konstanter Dichte bilden sich entlang der Rotationsachse koaxiale Zylinder aus, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit rotieren (linkes Teilbild). Dabei rotiert der Planet von oben betrachtet im Gegenuhrzeigersinn. Dunkelblaue Farbtöne stehen für westliche Strömungen, orangerote für östliche. Der weiße Fleck im Zentrum stellt jeweils den vermuteten festen Planetenkern dar. In einem Planeten, dessen Dichte zum Zentrum hin stark anwächst, konzentrieren sich die Bewegungen dagegen in einer oberflächennahen Schicht (linkes Teilbild). In beiden Fällen würde man an der Oberfläche der Planeten ein Muster aus parallelen Bändern und Zonen beobachten, die senkrecht zur Rotationachse liegen.
Derzeit gibt es zwei Erklärungsvorschläge für das Wettergeschehen auf den Gasplaneten: Eine Theorie, die jetzt mit der Arbeit von Kaspi und Co neue Unterstützung gefunden hat, geht von flach liegenden atmosphärischen Prozessen aus, während die zweite Theorie postuliert, dass sich die atmosphärische Aktivität tief ins Innere des Himmelskörpers erstreckt. Um Aufschluss darüber zu erhalten, welcher von den beiden Erklärungsversuchen näher an der Wirklichkeit ist, untersuchten die Forscher das Schwerefeld von Uranus und Neptun. Dazu griffen sie auf die Bahndaten der US-Raumsonde Voyager 2 zurück, die im Jahr 1986 Uranus und 1989 Neptun in geringem Abstand passierte. Zudem lieferte Voyager 2 durch seine Nahaufnahmen die bis heute genauesten Messdaten über die Windverhältnisse in den oberen Schichten der beiden Planetenatmosphären. Dabei zeigte sich, dass auf Neptun die Winde mit bis zu 450 Meter pro Sekunde (1600 Kilometer pro Stunde) wehen.

Wie aber kann man aus Daten über das Schwerefeld von Uranus und Neptun auf den Aufbau der Atmosphäre schließen? Schon vor rund 100 Jahren hatten sich Physiker wie Geoffrey Ingram Taylor und Joseph Proudman Gedanken darüber gemacht, wie sich das Innere von rotierenden Flüssigkeiten verhält. Diese Gedanken wurden 1976 vom Fluiddynamiker Fritz Busse aufgenommen. Ihm war aufgefallen, dass sich schwache differenzielle Bewegungen in einer schnell rotierenden Flüssigkeit annähernd parallel zur Rotationsachse ausrichten. Dabei müssen die Oberflächen konstanter Dichte annähernd horizontal ausgerichtet sein. In einem kugelförmigen Planeten würden sich so koaxiale Hohlzylinder ausbilden, die parallel zur Rotationsachse des Himmelskörper orientiert sind und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten rotieren. Die Annahme gilt allerdings nur unter der Voraussetzung einer konstanten Dichte der Flüssigkeit.

Die Strahlströme auf Neptun | Die atmosphärische Zirkulation auf Neptun ist durch eine nach Westen gerichtete Strömung am Äquator mit einer Geschwindigkeit von rund 1200 Kilometern pro Stunde und nach Osten gerichteten Strömungen nördlich und südlich davon mit Geschwindigkeiten um 900 Kilometer pro Stunde charakterisiert. Die Windgeschwindigkeiten sinken mit Zunahme der Dichte im flüssigen Inneren des Planeten.
Nimmt man dagegen ein starkes Anwachsen der Dichte der beiden Gasplaneten zum Zentrum hin an, so ergibt sich, dass die Zylinder zusammenbrechen und sich die Bewegungen nahe der Oberflächen der Himmelskörper konzentrieren. Die inneren Strukturen der Mäntel von Uranus und Neptun, die aus einem Gemisch von Wasserstoff, Helium und eisähnlichen Materialien (Hochdruckvarianten von Wasser, Ammoniak und Kohlenwasserstoffen) bestehen, nehmen Einfluss auf die Gestalt des planetaren Schwerefelds. Sie äußerten sich als kleine Beschleunigungen und Verzögerungen in der Bahnbewegung von Voyager 2, als sich die Sonde den beiden Himmelskörpern zunächst dicht annäherte und danach wieder von ihnen entfernte.

Die Auswertung durch Kaspi und seine Koautoren zeigt nun, dass sich das Schwerefeld beider Planeten am besten mit einem Bewegungsmuster vereinbaren lässt, das auf die obersten 1000 Kilometer beschränkt ist. Bei Radien von je rund 25 000 Kilometern findet das Wettergeschehen somit in einer recht dünnen Schicht an der Oberfläche statt. Inwieweit diese Erkenntnisse auch für die beiden Gasriesen Jupiter und Saturn gelten, wird sich nur durch neue detaillierte Messungen ihrer Schwerefelder durch Raumsonden ermitteln lassen. Für Jupiter soll dies die US-Raumsonde Juno durchführen, die im Jahr 2017 in eine enge Bahn um den Riesenplaneten eintreten wird. Bei Saturn ist geplant, die schon seit 2004 im Umlauf befindliche Sonde Cassini im Jahr 2017 in sehr engen Umläufen den Ringplaneten umkreisen zu lassen, bis sie schließlich in dessen Atmosphäre eintritt und verglüht.

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