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Entomologie: Wüstenameisen kennen Rüttel- und Magnetwegweiser

Wüstenameise im Abendlicht

Wüstenameisen sind zur Navigation in der weiteren Nestumgebung viele Mittel recht: Sie orientieren sich nicht nur am Duft ihrer Artgenossen, dem Sonnenstand und polarisiertem Licht, sondern speichern zur Sicherheit auch Vibrations- und Magnetfeldeigenschaften von nützlichen Wegmarken, berichten Forscher vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena. Offenbar ist das Ortungssystem der Tiere redundant und hochflexibel, damit sie sich nach weiten Erkundungsausflügen nicht verirren.

In ihrer weitläufigen Wüstenheimat finden die Tiere zum winzigen Nesteingang normalerweise mit Hilfe von Sonnenkompass, Windrichtung und einem inneren Wegstreckenintegrator zurück, der die gegangenen Schritte der zurückgelegten Strecke auszählt. Weil das aber gerade nach weiten Wanderungen und vielen Richtungswechseln zunehmend ungenau wird, können sich die Tiere auch an gut sichtbaren Landmarken orientieren, die zum Beispiel den Nesteingang auf die Entfernung kennzeichnen. Und dies könnte, meinen die Forscher um Cornelia Bühlmann nun, womöglich sogar die bevorzugte Navigationsmethode von Ameisen sein, die eine Wahl haben.

Bühlmann und ihre Kollegen schließen das aus den Beobachtungen von Cataglyphis noda in künstlichen Laufbahnen, die sie im natürlichen Habitat der Tiere in der Türkei an Nesteingängen montierten. In diesen Laufgängen erreichten die Ameisenscouts nach einem Meter Geradeauslaufen eine Futterquelle – woraufhin die Forscher die Tiere in einen identisch aussehenden Gang nebenan verbrachten und den Rückweg der Tiere beobachteten: Die Insekten liefen heimwärts und erwarteten dann nach einem Meter Wegstrecke den Nestzugang – umsonst, was ein gut erkennbares automatisiertes Suchprogramm einleitet.

Wüstenameisen in der Laufarena | Wüstenameisen erkennen Magnetreize und Vibrationen und können sie als Wegmarken verwenden, um ihren Nesteingang aufzufinden. Angeboren ist die Orientierung an solchen Reizwegmarken allerdings nicht: Die Insekten lernen es erst nach einer kurzen Trainingsphase.

Anderen Tiere wurden demselben Test unterzogen, zuvor aber trainiert: Der Nesteingang war mit einer deutlichen Markierung versehen, diese Markierung wurde nun auch in der zweiten Bahn in zwei Meter Abstand von der Futterquelle platziert. Die Ameisen hatten nun die Wahl, den vermeintlichen Nesteingang nach einem Meter Zurücklaufen zu erwarten (wie ihr innerer Wegstreckenintegrator ihnen vorgab) oder aber erst nach zwei Metern, wo die Wegmarke den Eingang anzeigte. Tatsächlich überwog bei den trainierten Ameisen stets die erlernte Marke: Sie begannen erst nach zwei Metern ernsthaft mit der Suche nach dem verschwundenen Nesteingang.

Mit diesem Experiment konnten die Forscher nun verschiedene Reize testen, die in freier Wildbahn vielleicht von Ameisen wahrgenommen und benutzt werden, um sich zu orientieren. So lernten die Tiere neben optischen Wegweisern auch Vibrationsreize, Duftsignale und Magnetreize zu erkennen und als lokale Bezugspunkte mit dem Nesteingang zu assoziieren. Die Sinnesleistungen der Tiere sind damit erstaunlich vielfältig.

Unklar bleibt indes, ob wirklich alle wahrnehmbaren Reizqualitäten in der Natur eine Rolle bei der Fernnavigation spielen. So ist etwa schwer vorstellbar, dass die präzise Kenntnis der lokalen Magnetfeld- oder Vibrationsbesonderheiten im Nest aus der Entfernung dazu dienen können, es aufzufinden. Offenbar ist der sensorische Verarbeitungsapparat der Tiere aber sehr flexibel und kann Signale, die er in anderem Kontext nutzt – etwa die von Sozialpartnern übermittelten Vibrationsreize –, umwidmen und in einem anderen Kontext einzusetzen lernen, zum Beispiel bei der Navigation.

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