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Epigenetik: Viel versprechender neuer Behandlungsansatz bei Alzheimer

Heidelberg. Weil die Menschen heute immer länger leben, entwickelt sich die Altersdemenz zu einem ernsten gesellschaftlichen Problem. In Deutschland leiden derzeit fast eine Millionen Menschen an ihrer häufigsten Form: der Alzheimer-Erkrankung. Dabei sterben Nervenzellen im Gehirn ab, was zu massiven Gedächtnisproblemen führt und die Betroffenen zu Pflegefällen macht.
HAT/HDAC

Bisher gibt es keine Methode, die Krankheit zu heilen oder auch nur ihr Fortschreiten zu verhindern. Das liegt auch daran, dass die Ursache weiterhin unklar ist. Zwar gilt ein Eiweißstoff, der sich massenhaft in den Gehirnen von Alzheimerpatienten ablagert, als Auslöser. Aber alle Substanzen, die sich dagegen richten, haben sich in klinischen Studien bisher als unwirksam erwiesen.

In dieser Situation lassen neue Erkenntnisse über die Hintergründe der Demenz aufhorchen, die der Neurologe André Fischer von der Universität Göttingen im Juliheft von "Spektrum der Wissenschaft" darlegt. Sie stammen aus dem jungen Fachgebiet der Epigenetik, das untersucht, wie sich Umwelteinflüsse auf die Regulation unserer Gene auswirken. Dabei zeigte sich, dass bei Alzheimerpatienten Gene unterdrückt sind, die zum Lernen benötigt werden. Was noch aufregender ist: In Tiermodellen der Krankheit konnten Forscher, indem sie die Hemmung dieser Gene medikamentös aufhoben, beachtliche Erfolge erzielen. Die kognitiven Leistungen der betroffenen Nager besserten sich. Außerdem wurde nicht nur der Untergang von Nervenzellen im Gehirn gestoppt, es bildeten sich sogar neue.

Dank eines glücklichen Umstands könnte sich die Methode sehr viel schneller als üblich auch beim Menschen erproben lassen. Das für die Behandlung einer bestimmten Tumorart zugelassene Medikament Vorinostat hat sich nämlich als Substanz erwiesen, die quasi als Nebenwirkung auch die unterdrückten Lerngene wieder aktiviert. Es könnte nun direkt auf seine Wirksamkeit gegen Alzheimer getestet werden; die sonst vorgeschriebenen langwierigen Prüfungen auf Sicherheit und Verträglichkeit bräuchte es nicht mehr zu durchlaufen.

Die neuen Erkenntnisse sind aber noch in anderer Hinsicht viel versprechend. Wenn sich die ersten Symptome der Alzheimerkrankheit zeigen, ist das Gehirn in der Regel schon bleibend geschädigt. Deshalb müsste das Leiden viel früher diagnostiziert werden, um es im Ansatz zu bekämpfen. Dies scheint dank der jüngsten Befunde nun möglich. Wie sich gezeigt hat, sind die für das Lernen wichtigen Gene auch in Blutzellen unterdrückt. Das ließe sich dort aber auf einfache Weise feststellen: mit einem simplen Bluttest.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, Juli 2013
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