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Farbensehen: Bunte Bilder

Mit unseren Zapfen, den farbempfindlichen Sinneszellen des Auges, sehen wir die Welt bunt. So steht es zumindest im Lehrbuch. Aber die Zahl dieser Farbempfänger variiert von Auge zu Auge - bei gleichem Farbeindruck.
Retina
Blau, grün und rot – mehr braucht es nicht, um die Welt bunt zu sehen. Die Dreifarbentheorie, die der englische Arzt Thomas Young bereits 1801 aufstellte und die später James Maxwell und Hermann von Helmholtz weiterentwickelten, hat mittlerweile in jedes Biologie-Lehrbuch Eingang gefunden.

Physiologisch konnte die Dreifarbenlehre einwandfrei belegt werden: Neben den besonders lichtempfindlichen Stäbchen sitzen in der Netzhaut des Auges drei verschiedene Zapfentypen mit unterschiedlicher Farbempfindlichkeit. Ihre Sehpigmente absorbieren bei einer Wellenlänge des Lichts von 420 (blau), 535 (grün) beziehungsweise 565 Nanometern (rot). Alle anderen Farbeindrücke setzen sich demnach aus diesen drei Farben zusammen.

"Farbe ist durch unsere Erfahrung in der Welt definiert"
(David Williams)
Ist die Welt der bunten Bilder damit schon vollständig erklärt? Dummerweise stammen die Erkenntnisse der Physiologen von toten Augen oder isolierten Sinneszellen. Das lebendige Sehorgan verweigerte bisher den Forschern tiefere Einblicke. Um ihm dennoch beim Sehen zuzusehen, schauten die Sehforscher um David Williams von der Universität Rochester zunächst in die Sterne und suchten Rat bei Astronomen. Denn diese sind es gewohnt, aus schwachen Lichtquellen möglichst viel Information herauszuziehen: Die so genannte adaptive Optik moderner Großteleskope korrigiert atmosphärische Störungen bei der Sternenbeobachtung.

Dieselbe Technik wendeten Heidi Hofer und ihre Kollegen beim menschlichen Auge an. Mit Hilfe ausgeklügelter Lasertechnik konnten die Forscher damit direkt beobachten, welche Sinneszellen bei welchem Licht sich regen. Dazu forderten sie ihre Versuchspersonen auf, die Farbe einer Lichtquelle über einen Regler so einzustellen, dass sie sie als reines Gelb empfanden.

Alle acht Probanden wählten fast identische Wellenlängen; sie teilten also dieselbe Empfindung für Gelb. Demnach sollte bei ihnen auch die gleiche Verteilung der Zapfentypen zu finden sein.

Doch dem war nicht so – im Gegenteil: Die Zahl der angesprochenen Zapfen in der Retina variierte beträchtlich. Manche hatten etwa gleich viele Rot- und Grünrezeptoren, bei anderen gab es fast nur rotempfindliche Zapfen, und ein Versuchsteilnehmer setzte hauptsächlich auf Grün, um Gelb zu sehen. Das Verhältnis zwischen Rot- und Grünsinneszellen unterschied sich – bei gleicher Farbempfindung – um mehr als das 40fache.

Es kommt also gar nicht so sehr auf die Ausstattung des Auges an, schließen die Forscher. Erst das Gehirn, das die Signale aus dem Auge interpretiert, macht unsere Welt bunt. "Farbe ist durch unsere Erfahrung in der Welt definiert", betont Williams. "Und da wir alle in derselben Welt leben, gelangen wir zur selben Definition von Farben."

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