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Am Boden geblieben

Arnold Hanslmeier ist Professor für Astrophysik an der Universität Graz und somit vom Fach. Reicht das, um ein allgemeinverständliches "Lehrbuch" der Astronomie zu schreiben? Hebt sich das Ergebnis aus der Masse vergleichbarer Werke ab?

Zunächst macht der Band einen guten Eindruck. Die Verarbeitung ist solide und die grafische Gestaltung übersichtlich. Doch schon nach kurzem Hinsehen fällt auf, dass die 175 Abbildungen eine sehr unterschiedliche Qualität haben. Viele stammen aus dem Internet, erscheinen pixelig oder zeigen JPEG-Artefakte. Gelegentlich sind englische Bildbeschriftungen nicht übersetzt. Einige Abbildungen verfügen über Quellenangaben, andere nicht, wieder andere besitzen kryptische Bildnachweise, die wie versehentlich nicht gelöschte Arbeitskürzel wirken.

Auch die Kapitelanordnung wirft Fragen auf. Zunächst geht es um die fundamentalen physikalischen Wechselwirkungen und das Standardmodell der Teilchenphysik. Es folgen Erörterungen zum Urknall. Anschließend landet der Leser unversehens beim Thema Planeten – ein abrupter Übergang, der sich nicht erschließt. Die weitere Gliederung ist hingegen relativ geradlinig: Zwergplaneten, Himmelsmechanik, Sonne, Sterne und Galaxien und schließlich das Thema außerirdisches Leben. Das Buch schließt mit einer knappen Literaturliste und einem leider unvollständigen Sachverzeichnis.

Laut dem Autor entstand das Werk aus einer Vorlesung "Einführung in die Astrophysik für Studierende aller Fakultäten" und wendet sich an ein breites Publikum einschließlich interessierten Laien. Die Texte sind zwar verständlich geschrieben und didaktisch gut präsentiert – mit Kurzzusammenfassungen, Hervorhebungen an wichtigen Stellen und vertiefenden Passagen mit physikalischen Formeln. Auch werden die wichtigsten Themen und Begriffe der modernen Astronomie und Astrophysik behandelt. Diverse Mängel beeinträchtigen die Lesefreude jedoch erheblich. Es gibt zahlreiche inhaltliche Ungenauigkeiten bis hin zu groben Fehlern. Größenangaben sind häufig inkonsistent, unpräzise, mit falschen oder sogar ganz ohne Einheiten angegeben. Oft fehlen Erklärungen und verfällt der Text in einen ungenauen und sperrigen Sprachstil. Überdies passt manche Grafik nicht recht zum Text.

Um ein Beispiel zu nennen: Hanslmeier hat offenbar – wie viele andere Autoren auch – ein Verständnisproblem bezüglich der kosmischen Rotverschiebung z. In der relativistischen Kosmologie ist die Rotverschiebung kein kinematischer Dopplereffekt, wie sein Buch suggeriert, sondern Folge der Expansion des Raums. Die Sache wird auch nicht dadurch besser, dass der Autor explizit die relativistische Dopplerformel ins Spiel bringt, um das Problem mit der Lichtgeschwindigkeit zu vermeiden. Die Raumexpansion kann bekanntlich sogar mit Überlichtgeschwindigkeit erfolgen.

Ärgerlich sind auch die Schnitzer in Sachen Astronomiegeschichte. So heißt es, William Herschel (1738-1822) habe sich 1765 mit dem Aufbau der Milchstraße befasst (richtig ist 1785) und dabei angenommen, alle Sterne seien gleich weit von uns entfernt. In Wirklichkeit ging er aber nicht von übereinstimmenden Entfernungen, sondern von gleicher Leuchtkraft aus, sonst wäre es ja nie zu einer räumlichen Darstellung gekommen. Weiter liest man, Herschel habe einen Katalog von 1000 Nebeln veröffentlicht (richtig sind 2500 Nebel und Sternhaufen), der später von seiner Schwester Caroline erweitert worden sei – auch das falsch. Zudem stimmt nicht, dass an Herschels größtem Teleskop "seitlich beobachtet" wurde, eine Formulierung, die den Bautyp des Newton-Teleskops impliziert: Beobachtet wurde von vorn (front-view).

Insgesamt mangelt es dem Werk entschieden an Sorgfalt, wie man schon an manch auffälligem Buchstabendreher sehen kann. Die zahlreichen Fehler bergen die Gefahr, dass es beim Leser zu nachhaltigen Missverständnissen kommt – auch wenn er die "Faszination Astronomie" möglicherweise spürt. In der jetzigen Form kann das Buch gegenüber den Konkurrenten kaum punkten.

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