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Flavonoide: Schokolade macht Schnecken schlauer

<i>Lymnaea stagnalis</i> (wach)

Spitzschlammschnecken (Lymnaea stagnalis) fallen einem wohl normalerweise nicht als erstes Versuchstier ein, wenn es darum geht, die Wirkung von Schokolade auf die Gedächtnisleistung zu überprüfen – weder gelten die Mollusken als besonders schlau noch als große Genießer von Kakaoprodukten in Tafelform. Trotzdem nutzten die Biologen Lee Fruson und Ken Lukowiak von der University of Calgary diese Weichtiere, um zu testen, ob und wie bestimmte Inhaltsstoffe der Schokolade auf die geistige Leistungsfähigkeit wirken – zumindest auf die von relativ einfachen Organismen.

Denn auch Spitzschlammschnecken lassen sich trainieren: Normalerweise atmen sie durch ihre Haut, wenn dies jedoch in sauerstofflosen Gewässern nicht möglich ist, fahren sie eine Röhre mit Atemloch aus – das so genannte Pneumostom, mit dem sie über dem Wasser nach Luft schnappen. Klopft man jedoch sachte auf diese Röhre, verschließen die Mollusken das Pneumostom mit einer Klappe. Fruson und Lukowiak haben sich das zu Nutze gemacht und die Schnecken darauf abgerichtet, ihr Atemloch auch im sauerstofflosen Wasser nicht zu öffnen: Jedes Mal, wenn die Tiere Luft holen wollten, tippten die beiden Forscher diese sanft an, bis die Probanden das verinnerlicht hatten.

Der Lerneffekt halte jedoch nicht dauerhaft an, so Fruson. Eine halbe Stunde Training in entoxigeniertem Wasser sorgt demnach dafür, dass sich die Schnecken ihre Übung eine mittlere Zeitspanne von etwa drei Stunden merken können – ins Langzeitgedächtnis wandert sie dagegen nicht: Einen Tag später war das Erlernte unter normalen Bedingungen bereits wieder vergessen, und die beiden Biologen mussten von vorne beginnen. Das änderte sich jedoch merklich, als sie den Spitzschlammschnecken ein typisches Flavonoid aus Bitterschokolade ins Wasser mischten, denn die Gabe von Epicatechin verbesserte das Gedächtnis der Tiere beträchtlich. Unter Einfluss dieses polyphenolischen Pflanzenmetaboliten wussten die Testteilnehmer noch nach einem Tag, dass sie auf ein Zeichen hin ihr Atemloch geschlossen halten sollten.

Übten die Malakologen zudem etwas intensiver mit ihren Zöglingen unter Flavonoideinfluss, indem sie mit ihnen zwei Trainingseinheiten absolvierten, so riefen die Mollusken sogar ganze drei Tage später weiterhin die gewünschte Reaktion aus ihrem Denkapparat ab. Und diese Erinnerung ließ sich unter Epicatechineinfluss auch nicht mehr löschen: Die beiden Biologen scheiterten beim Versuch, sie durch ein neu erlerntes Verhalten zu ersetzen, bei dem die Schnecken das Atemloch öffnen durften – die zuerst erzeugte Erinnerung hatte sich zu tief eingebrannt. Der Gedächtnisturbo aus der Schokolade wirke dabei direkt auf die Neurone ein, so die Forscher: Die Tiere benötigen dazu kein Sinnesorgan, um die Erinnerungen zu festigen – im Gegensatz etwa zu der Furcht vor Feinden, die von über die Nase aufgenommenen Geruchsstoffen ausgelöst und eingeprägt werde. Im nächsten Schritt wollen Fruson und Lukowiak daher direkt einen Blick auf die beteiligten Nervenzellen im Hirn der Schnecken werfen.

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