Fossilien: Unerwarteter Fund
Wer Kolibris in freier Wildbahn bewundern will, muss sich in die Neue Welt begeben, denn hier, im alten Europa, kommen die fliegenden Juwele schlicht nicht vor. Überhaupt liegen die Wurzeln der hochspezialisierten Nektarsauger jenseits des Atlantiks, dachte man - bis eine Tongrube südlich des badischen Wiesloch verblüffende Knochenreste preisgab.
Wie aber kommt ein solches Kolibri-Skelett nach Europa? Schließlich liegt nach gängiger Meinung der Ursprung der fortschrittlicheren Trochilidae, so der wissenschaftliche Name der Vogelfamilie, in Südamerika, von wo aus sie irgendwann auch den Nordkontinent eroberten. Den Sprung nach Eurasien aber habe die Gruppe nie gemacht, wie der – allerdings insgesamt magere – Fossilienstand belege. Doch da hat sich die Wissenschaftlergemeinde wohl geirrt.
Außerdem zeigten die Fossilien sehr lange Schnäbel, ein weiterer Hinweis auf ihre moderne Verwandtschaft, die sich ebenfalls überwiegend von dem süßen Pflanzenfutter ernährt, während die ursprünglicheren Varianten sich Insekten und anderes Kleingetier einverleiben. Sie sind damit gleichzeitig der älteste Nachweis für diese Ernährungsweise bei Vögeln – und zeigen, wie früh die dazugehörige Koevolution zwischen Tieren und Pflanzen schon eingesetzt haben könnte.
Gemäß Eurotrochilus inexpectatus, so der vollständige Name des zarten Überraschungsfundes, waren auch die abgeleiteten fliegenden Juwele also keineswegs auf die Neue Welt beschränkt. Hinweise auf ursprünglichere Familienangehörigen gab es schon aus der Grube Messel bei Darmstadt, in der ein 49 Millionen Jahre alter Kolibri-Angehöriger gefunden wurde, der aber noch Insekten fraß. Zwei weitere Arten stammen aus dem Kaukasus, doch auch ihnen fehlen die fortschrittlichen Merkmale.
Und der kleine Kerl könnte ein weiteres Rätsel lösen. Denn in der Eurasien und Afrika gibt es einige Pflanzenarten, deren Blüten bestens für langschnäblige Nektarfresser geeignet wären – doch fehlten bisher die entsprechenden Besucher. Warum aber entwickelten sich dann diese Formen? Sollte es nun tatsächlich schon im Tertiär darauf spezialisierte Kolibris in diesen Gefilden gegeben haben, würde das die Anpassung erklären. Damit stellt sich dann nur noch die Frage, warum die Flugkünstler wieder ausgestorben sind und ihr Platz von Bienen und manchen Singvögeln eingenommen wurde.
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