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Kommentare - - Seite 1

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  • Meinung einer 23. Jährigen...

    01.02.2013, Die Klara
    Leider nötig

    Eigentlich schreib ich solche Kommentare nicht. Allerdings weichen einige Meinungen so stark von meiner eigenen Meinung ab, dass ich es fast nicht fassen kann und einfach mal versuche, meine Sicht auf die Dinge zu schildern.

    Erst mal ein paar Worte über mich, damit sie meine Verwunderung vielleicht besser einordnen können. Ich bin weiblich, 23 Jahre alt, Studentin und bin so erzogen worden, dass die Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen/ Frauen und Männern für mich selbstverständlich ist. Dafür hatten ja schon andere gekämpft, heutzutage, im 21. Jahrhundert mit Homo-Ehe, Vaterschutzurlaub sollte dass ja eigentlich nicht mehr zu Debatte stehen.

    Bis vor 7 Tagen hatte ich dieses Gefühl. Klar gäbe es noch Defizite, z.B. bei den Einkommensverhältnissen, klassischen Rollenvorstellungen (einhergehend mit fehlenden Kita-Plätzen, Debatte um die "Herdprämie" etc.), aber im Großen und Ganzen ist doch alles okay, und das wird sich mit der Zeit schon legen. Gleichberechtigung ist natürlich nicht deckungsgleich mit es gibt keinen Sexismus, aber egal, dass ist ein andere Thema. Zumindest die "Feministinnen" sollten doch eigentlich ganz zufrieden sein.

    In Deutschland gehört Sexismus anscheinend aber noch zum Alltag.

    Viele Frauen müssen das beschriebene Verhalten Brüderles (oder verschärft das Verhalten der Piraten, Stichwort Prostituiert) in ihrem Arbeitsalltag und täglichem Leben wiedergefunden haben, so oder/und in abgewandelter Form.

    Dies sollte zumindest durch die vielen Erfahrungsberichte von Frauen und Männer im Internet deutlich geworden sein, die zeigen, dass Sexismus offensichtlich im Berufsleben und auch privat real existiert und die Menschen stört.

    Aka Frauen /Männer wollen sexistisch angehauchten Äußerungen 2013 nicht mehr hören. Egal von wem. Aber vor allem nicht von einem Politiker, welcher der Koalitionspartei angehört und somit für mich spricht.

    Um so mehr bin ich über die Meinungen in den hier vorliegenden Kommentaren überrascht.

    FÜR MICH EIN UNDING!

    WIESO?

    Es ist mir egal, dass das Gespräch abends stattgefunden hat und Herr Brüderle anscheinend schon was getrunken hatte. Ebenso ist es mir egal, wann die Journalistin ihren Artikel veröffentlicht.

    Das Erschreckende ist die Verhaltensweise Brüderles. Man behalte bitte im Kopf, dass die Jounalistin Brüderle nicht einfach an der Bar "anmacht". Sie schreibt schon seit Längerem an einem Artikel über ihn, und die beiden kennen sich. Es handelt sich um eine Arbeitsbeziehung.

    Und wenn der Dirndl-Spruch so oder so ähnlich gefallen ist ... Egal wie "charmant" er es formuliert hat: Er kommentiert ihre Brüste. Inhaltlich für mich nichts anderes, als wenn er sagen würde, entschuldigen Sie bitte die Ausdrucksweise, "man, du hast ja tolle Titten." Das geht meiner Meinung nach heutzutage einfach gar nicht mehr. Egal wie es verbal verpackt wird.

    Niemand, ob Brüderle, Clooney, Kollege oder Bekannter hat das Recht die Größe meiner Brüste zu kommentieren. Nein, natürlich sehe ich das nicht als Kompliment!

    Das ist einfach ein Unding. Vor allem wenn ich gerade bei der Arbeit bin, und das war die Journalistin nun mal. Brüste sind natürlich noch "eine Stufe höher", als "Sie sehen aber flott aus, tolles Kleid". Dennoch Kommentare über mein Aussehen haben "bei der Arbeit" nichts zu suchen. Andere mögliche Beispiele: "Der Rock ist heute aber kurz." "Haben Sie sich etwa für mich so schick gemacht?" etc. Komplimente schön und gut, aber dann bitte über mein Arbeit, meine Leistungen. So doof es klingen mag, aber einfach als wenn er mit einem männlichen Reporter sprechen würde. Bei dem würde die "charmanten" Aussagen nämlich nicht machen. Und genau das ist hier der Punkt!

    Allerdings hat die Situation für mich natürlich auch nicht den Eindruck erweckt, die Journalistin würde "Hilfe, ich fühle mich belästigt" schreien. Sie gibt Brüderle nach seinen Sprüchen zu verstehen, dass sie gerne beim Thema (FDP, Politik, Brüderle) bleiben möchte. Damit hat sich für mich die Sache erledigt. Sie schreibt ja auch, dass sie sich nicht belästigt gefühlt hat.

    Dennoch hat sie es in ihren Artikel aufgenommen, dann sein Verhalten (Kommentieren der Brüste, anderer Körperteile, "Tanzkarte") ist unprofessionell, und all das, was Frau Gelitz Artikel so pointiert in ihrem Artikel geschrieben hat.

    So weit, so gut. Ich musste beim Lesen der Kommentare und auch bei der Debatte/Diskussion der letzten Tage immer wieder feststellen, dass anscheinend ein relativ großer Teil der deutschen Bevölkerung komplett anderer Meinung ist.

    Ja, sich sogar fragt, ob eine Sexismus-Debatte in Deutschland überhaupt nötig sei? Alles nur Ablenkung, was soll denn das Thema überhaupt, dieser Anlass passt doch nicht ... Und nein, es geht nicht im Brüderle, die FDP, den Stern und empfindliche, schutzbedürftige Frauen, die sich nicht wehren können.

    Außerdem scheint, und das finde ich eigentlich viel schlimmer, einige Menschen dies nicht weiter zu stören.

    Es wird wieder das Verhalten der Frauen/Männer, die sich zu Wort gemeldet haben, angeprangert. "Die hätte sich ja wehren können!" "Was stellen die sich alle so an?" "Wofür war die Frauenbewegung denn gut; wenn die nicht den Mund auf machen, wenn ihnen was nicht passt!" etc. Ich glaube, Sie wissen, was ich meine. Anstatt ein Problembewusstsein zu schaffen und auch das Verhalten, in diesem Fall das von Brüderle und/oder das der Gesellschaft, reflektieren. Denn die erzählten Geschichten sind bei weitem nicht immer so "harmlos" wie im Fall Brüderle.

    Strukturelle Veränderungen und die Schaffung eines Problembewusstseins scheinen einige Menschen schlicht für nicht nötig zu halten.

    Ich hoffe sehr stark, hierbei handelt es sich um die Minderheit, und die Debatte wird weiter rege fortgeführt. Auch oder gerade wenn sich das Medieninteresse wieder gelegt haben sollte.

    Zumindest weiß ich jetzt, dass ich mich ziemlich geirrt habe und in der letzten Woche zumindest für einen Teil des Sexismusproblems in Deutschland sensibilisiert wurde.
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