Direkt zum Inhalt

Geophysik: Meeresspiegelanstieg durch Schwerkraftänderung

Antarktischer Eisberg
Sollte sich das Westantarktische Eisschild in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten tatsächlich wie vielfach prognostiziert auflösen, könnte der Meeresspiegel regional noch weitaus stärker steigen, als bislang befürchtet. Verursacht werde dies aber nicht nur durch die Eisschmelze, sondern auch durch veränderte Schwerkraftfelder in der Antarktis, eine verlagerte Erdrotationsachse und den isostatischen Aufstieg des Eiskontinents, merken Forscher um Jerry Mitrovica von der University of Toronto an.

Antarktis ohne Eis | So sähe die Antarktis aus, würde schlagartig alles Eis verschwinden: Nur wenige Regionen lägen oberhalb des Meeresspiegels, der große Rest darunter. Der steigende Pegel der Ozeane hätte daran aber nur eine Teilschuld. Die große Masse der Gletscher drückt den Kontinent in die Tiefe, erst wenn er von dieser Last befreit wird, steigt er durch einen Prozess namens Isostasie auf.
Die teilweise bis zu 2000 Meter mächtigen Gletscherpakete in der Westantarktis besitzen eine große Masse, die eine entsprechende Anziehungskraft auf andere Objekte ausübt – in diesem Fall das Wasser des angrenzenden Ozeans: Bis zu 2000 Kilometer weit reicht dieser Einfluss. Dadurch türmt sich vor dem Südkontinent ein relativer Wasserberg auf, der im Falle eines kompletten Abtauens "einstürzt" und sich zu anderen Massen verlagert.

Zugleich drückt das Gewicht des Eises den Kontinent nach unten, weshalb Teile des Festlandes eigentlich unter Wasser liegen. Der Last einmal entledigt, steigt es auf, was ebenfalls Wasser verdrängt. Ein derartiger Prozess lässt sich beispielsweise an der Ostseeküste beobachten: Seit der letzten Eiszeit hebt sich Skandinavien, während Teile des Festlandes absinken. Schließlich könnte sich noch die Rotationsachse der Erde – sie verläuft vom Nord- zum Südpol – um horizontal 500 Meter von ihrer gegenwärtigen Position verlagern, was die Verteilung der ozeanischen Wassermassen ebenfalls beeinflusst.

Überflutung | Bei einem Meeresspiegelanstieg um vier Meter würden große Teile Floridas oder Kubas überflutet werden. Die Bahamas drohen sogar fast völlig von der Landkarte zu verschwinden (rote Flächen).
Die Folgen fielen regional aber sehr unterschiedlich aus, so Mitrovica, da das Wasser sich aus dem südlichen Atlantik und Pazifik in Richtung Nordamerika, Europa und den südlichen Indischen Ozean verlagern würde. Hier könnte der Meeresspiegelanstieg um bis zu 25 Prozent höher ausfallen, als bisherige Modellierungen voraussagen. Dies müsse bei Küstenschutzmaßnahmen berücksichtigt werden, fordern die Forscher.

Neue Daten deuten an, dass sich die Westantarktis tatsächlich erwärmt und an Eismasse verliert. Es würde jedoch mehrere hundert Jahre dauern, bis sich die riesigen Gletscher der Region aufgelöst hätten, schränken die Geowissenschaftler ein. Sollte dies aber eintreten, stiegen die Pegel weltweit um fünf bis sechs Meter an – viele tief liegende Küstenregionen wie in Florida, dem Mekong-Delta oder in den Niederlanden würden dann ohne Deiche überflutet. (dl)

Schreiben Sie uns!

1 Beitrag anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen
Mitrovica, J. et al.: The Sea-Level Fingerprint of West Antarctic Collapse. In: Science: 323, S. 753, 2009.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.