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Gewalt: Jenseits von Eden

Kriege durchziehen die Geschichte der Menschheit. Sind sie Teil unseres evolutionären Erbes? Ethnologen ergründen die Wurzeln der Gewalt bei Naturvölkern, die als besitzlose Jäger und Sammler leben.
Auf der Pirsch

Zwischen Doris und Beryl Nagamara herrscht Zoff. Die zwei Frauen keifen sich gegenseitig an – was ihre Ehemänner Jack und Alec Djabaldjari aber ziemlich kalt lässt. Schließlich sind die beiden alte Freunde; warum sollten sie sich in den Streit ihrer Frauen einmischen. Doch dann wird es ernst: Beryl schnappt sich einen Knüppel und verpasst Doris einen heftigen Schlag auf den Kopf. Doris' Freundin Chloe Na­gamara eilt ihr zu Hilfe, und zusammen schlagen sie Beryl nieder. Von Beryls Geschrei aufgescheucht greift schließlich auch Chloes Ehemann Clarry Djabaldjari ein und verjagt seine streitlustige Frau mit einem Bumerang.

Diese Szene beobachtete Anfang der 1950er Jahre der Anthropologe Mervyn Meggitt (1924-2004) in einem Lager der Walbiri, einem Aborigines-Stamm in Zentralaustralien. Sie widerspricht dem häufig kolportierten Bild der friedfertigen "Urgesellschaften", die angeblich in paradiesischer Harmonie zusammenlebten. Gewalt und Krieg, so eine verbreitete Hypothese, sollen demnach erst dann ins Leben der Menschen getreten sein, nachdem Eigentum und feste Territorien entstanden seien.

Sind also auch Jäger und Sammler gewalttätig, und führen sie ebenfalls kriegerische Auseinandersetzung? Die Frage rührt an einen zentralen Punkt unserer menschlichen Natur. Schließlich verbrachte die Menschheit mehr als 95 Prozent ihrer bisherigen Geschichte als Wildbeuter in mobilen Kleingruppen mit etwa 25 Individuen, die von der Jagd sowie dem Sammeln von Wildpflanzen lebten – so wie heute noch die Aborigines in den Wüstengebieten Australiens, die San-Buschleute in der Kalahari, die BaMbuti im kongolesischen Regenwald, die Inuit in Zentral­alaska oder die Yaghan auf Feuerland.

Ethnographische Beobachtungen zeugen von durchaus häufigen Kämpfen unter Wildbeutern ...

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