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Glaziologie: Kilimandscharo kein Kronzeuge für den Klimawandel

Wie die meisten Gletscher weltweit schrumpfen auch die Eisfelder auf dem Kilimandscharo. Der prominente Tropenvulkan wird deshalb gern als Kronzeuge für den vom Menschen verursachten Klimawandel bemüht – so auch in dem Film „Eine unbequeme Wahrheit“ von Al Gore. Doch als Beweis für die Erderwärmung taugt er gerade nicht. Das belegen der österreichische Glaziologe Georg Kaser und sein US-Kollege Philip W. Mote im Januarheft von Spektrum der Wissenschaft.
Seit der Erstbesteigung des Kilimandscharo im Jahre 1889 ist seine Eiskappe um neunzig Prozent geschrumpft – von 20 auf 2,5 Quadratkilometer. Ihr Rückgang folgt jedoch nicht dem Verlauf der Erderwärmung. So verschwand das meiste Eis schon Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts: Bereits 1912 war seine Fläche auf 12,1 und 1953 auf 6,7 Quadratkilometer zurückgegangen. Die globalen Mitteltemperaturen stagnierten dagegen nach einem leichten Anstieg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab 1950 und kletterten erst ab 1980 wirklich rasant.

Die Erderwärmung kann auch deshalb nicht für den Schwund des Eises auf dem Kilimandscharo verantwortlich sein, weil an seinem Gipfel in den gut sieben Jahren, seit es dort kontinuierliche Messungen gibt, das ganze Jahr über Dauerfrost herrschte. Nach vorliegenden meteorologischen Daten ist die Temperatur der äquatornahen Atmosphäre in 5500 Metern Höhe seit 1950 um maximal 0,1 Grad gestiegen „Das ist statistisch nicht von Null unterscheidbar“, schreibt Kaser.

Im Unterschied zu Gletschern in höheren Breiten schmilzt das Eis auf dem Kilimandscharo denn auch nicht. Es schwindet vielmehr durch Sublimation, also den direkten Übergang vom gefrorenen in den Dampfzustand. Ursache dafür ist nicht die Erwärmung durch die Umgebungsluft, sondern die Absorption von Sonnenlicht. Ähnliches kann man auch bei uns beobachten, wenn während einer Schönwetterphase mit Dauerfrost im Winter zugefrorene Pfützen schrumpfen und schließlich ganz verschwinden.

Ein augenfälliges Indiz dafür, dass die Gletscherzungen auf dem Kilimandscharo durch Sublimation statt durch Tauen zurückgehen, liefern ihre steilen Ränder, die imposante, bis zu dreißig Meter hohe Wände bilden. Sie würden sich sofort abflachen, wenn das Eis durch warme Luft zum Schmelzen gebracht würde.

Was den Schwund der weißen Haube des Kilimandscharo verursacht ist also eine verstärkte Sublimation in Verbindung mit verringerten Schneefällen – das aber schon seit mindestens hundert Jahren. Tatsächlich zeigen Untersuchungen der Wasserspiegelstände des nahe gelegenen Victoriasees und andere Feuchtigkeitsindikatoren, dass die Niederschläge in Ostafrika nach einigen ziemlich regenreichen Jahrzehnten gegen Ende des 19. Jahrhunderts stark nachließen. Dieser Umschwung war jedoch ein natürliches Phänomen und hatte nichts mit dem anthropogenen Treibhauseffekt zu tun. Allenfalls wird die seit damals herrschende relative Trockenheit inzwischen durch die Erderwärmung indirekt verstärkt; denn nach den Ergebnissen von Klimamodellen sollten steigende Oberflächentemperaturen im Indischen Ozean für geringere Niederschläge im äquatorialen Ostafrika sorgen.

Das Eis auf dem Kilimandscharo wird also aller Voraussicht nach weiter schrumpfen. Trotz Erderwärmung könnte sich der Trend allerdings auch umkehren, wenn die Niederschlagshäufigkeit auf dem Tropenvulkan für längere Zeit steigen würde. Tatsächlich gab es dort Ende 2006/Anfang 2007 ungewöhnlich starke Schneefälle. Vielleicht waren sie der Auftakt zur glücklichen Rettung der malerischen Eiskappe des „leuchtenden Berges“, den Hemingway einst berühmt machte.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, 1/2008
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