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Grippevirus H7N9: Pandemie vorerst unwahrscheinlich

In China sind mehrere Menschen an einem neuen Vogelgrippevirus gestorben. Experten sind besorgt, sehen aber keine direkte Gefahr eines globalen Seuchenzuges.
Grippe

In China ist jüngst ein weiterer Patient an dem neu aufgetauchten Vogelgrippevirus H7N9 gestorben, das inzwischen sechste Opfer. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind damit seit Beginn des Jahres 14 Fälle bekannt, zwei weitere Verdachtsfälle werden derzeit überprüft. Damit ist wahrscheinlich, dass es sich bei dem neuen Erreger nicht um einzelne zufällige Übertragungsereignisse handelt, sondern dass dort ein Virus mit einem gewissen Pandemiepotenzial kursiert.

Influenzaviren des Subtyps H7 gehören zu jenen Vogelgrippeerregern, die nach Ansicht von Forschern prinzipiell auch beim Menschen Pandemien auslösen können. Deswegen sind Seuchenexperten in Alarmbereitschaft, sobald einer dieser Erreger neu im Menschen auftaucht. Ob es sich tatsächlich um den Beginn eines größeren Ausbruchs handelt, könne man an diesem Punkt allerdings noch nicht einschätzen, erklären Grippeforscher übereinstimmend. Das Virus könnte auch, wie frühere H7-Varianten, nur eine kleine Zahl Menschen infizieren und dann wieder verschwinden, oder, wie die originale Vogelgrippe H5N1 in den letzten Jahren, in Vögeln kursieren und immer mal wieder auf Menschen überspringen, ohne aber weitere Kreise zu ziehen.

Influenzavirusmodell | 3-D-Modell eines Influenzavirus: Die Virushülle enthält die Oberflächenmoleküle Hämagglutinin (blau), Neuraminidase (rot) und Matrixproteine (lila). Im Virusinneren befindet sich das einzelsträngige RNA-Genom. Die zufällige Veränderung der Oberflächenmoleküle ist für die jährlich veränderten Virustypen verantwortlich. Diese Veränderungen kommen durch die natürliche Vervielfältigung des Virus zu Stande und erschweren so seine medizinische Bekämpfung.

Die Genomdaten der Erreger, die die ersten drei Todesfälle verursachten, ließen Grippeforscher jedenfalls aufhorchen. Zwar stammen noch alle acht Gene des Virus von Vogelviren – der Erreger hat sich nicht mit Säugetierviren vermischt –, doch bei allen drei Virusvarianten fanden die Forscher Anzeichen dafür, dass sich der Erreger an Säugetiere als Wirt anpasst.

Alle drei analysierten Virussequenzen waren sich außerdem recht ähnlich, und das deutet darauf hin, dass es sich nicht etwa um zufällig neu entstandene Erreger handelt, sondern dass H7N9 in der für Menschen infektiösen Form bereits gut an den bisher unbekannten Wirt angepasst ist. Hinzu kommt die große geografische Verbreitung des Virus. Die neun Fälle stammen teilweise aus weit voneinander entfernten Regionen. Wahrscheinlich hat sich also der Erreger inzwischen auf breiter Front etabliert.

Von Mensch zu Mensch übertragbar?

Die chinesischen Behörden haben das Virus mittlerweile in Tauben auf dem Geflügelmarkt von Schanghai aufgespürt. Die Tiere werden von dem Virus nach ersten Erkenntnissen selbst nicht krank, so dass wahrscheinlich erscheint, dass das Virus von diesen Tieren oder anderem Geflügel auf den Menschen übertragen wird. Dank der Anpassung an Säugetiere – analog zu menschlichen Influenzaviren besiedelt das Virus die Zellen der oberen Atemwege – besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass ein Säugetier wie das Schwein der Wirt ist. Man kann an diesem Punkt nicht ausschließen, dass H7N9 bereits direkt von Mensch zu Mensch springt – ein Szenario, das als sehr unwahrscheinlich gilt, Experten jedoch erhebliche Kopfschmerzen bereitet.

Allerdings deutet alles darauf hin, dass eine solche Übertragung langsam und selten wäre. Chinesische Seuchenforscher beobachten derzeit mehrere hundert Personen, die mit den letzten Opfern in Kontakt standen. Bisher, heißt es, habe lediglich eine von ihnen Grippesymptome entwickelt – möglicherweise ein Zufall. H7N9 scheint für Menschen bisher nicht ansteckend zu sein. Hinzu kommt, dass die chinesischen Behörden seit der Erfahrung mit Sars im Jahr 2003 dazugelernt haben und einen Ausbruch dieses Mal wohl viel früher unter Kontrolle bringen könnten. Eine direkt bevorstehende Pandemie sei insgesamt recht unwahrscheinlich, wird denn auch der WHO-Grippeforscher Richard Webby im "Guardian" zitiert: Es sei noch zu früh, den Alarm auszulösen.

Trotzdem beobachten Forscher und Gesundheitsbehörden H7N9 derzeit genau, um im Ernstfall die Ausbreitung des Erregers schnell einzudämmen. Die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) kündigten gestern allerdings an, einen Impfstoff zu entwickeln – sicher ist sicher.

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