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Grüne Gentechnik: Deprimierende Entwicklung

Die grüne Gentechnik hat hier zu Lande einen schweren Stand. Nun verlagert ein großer Konzern seine Forschung ins Ausland. Das sei eine bedenkliche Entwicklung, kommentiert Lothar Willmitzer, geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam.
Lothar Willmitzer

Mit Besorgnis verfolgen wir Forscher seit längerer Zeit die Entwicklung im Bereich der Pflanzenbiotechnologie. Auf Grund der andauernden politischen Diskussion, die in der so genannten grünen Gentechnik nur Risiken und keine Chancen sieht, ist es leider nicht unerwartet und wohl letztlich aus Firmensicht nur konsequent von BASF, diese Sparte an Standorte zu verlagern, die der Technologie und den daraus resultierenden Produkten positiv gegenüberstehen.

Es ist deprimierend mit anzusehen, wie eine Technologie ins Ausland abwandert, die maßgeblich in Deutschland entwickelt wurde: Die ersten transgenen Pflanzen weltweit erstellten Forscher 1983 am Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung gemeinsam mit Kollegen von der Universität Gent in Belgien. Die sich daraus ergebende wirtschaftliche Nutzung wird jedoch unter weit gehendem Ausschluss Deutschlands geschehen.

Lothar Willmitzer | Der Autor ist geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam.

Anders als Entwicklungen in der Medizin müssen Pflanzen an den Standort angepasst sein, an dem sie wachsen. Pflanzen, die für den nord- und südamerikanischen Markt oder Asien entwickelt werden, lassen sich nicht einfach nach Europa transferieren. Damit ist die europäische Landwirtschaft von jeglicher neuen Entwicklung auf diesem Gebiet abgehängt. Dessen ungeachtet landen deren Produkte am Ende trotzdem auf unseren Tischen, ohne dass Europa Anteil an der entstehenden Bioökonomie haben wird. Darüber hinaus verschweigt man dem Verbraucher auf Grund eines unehrlichen Kennzeichnungsverfahrens, dass der überwiegende Teil der bereits heute in den Supermärkten verfügbaren Lebensmittel direkt oder indirekt mit Hilfe gentechnischer Verfahren hergestellt wird.

Die Situation erinnert an die 1980er Jahre, als sich die Genehmigung zum Bau einer Anlage zur gentechnischen Herstellung von Insulin der Firma Höchst so lange hinzog, bis das Insulin im Ausland produziert wurde. Joschka Fischer war damals als Umweltminister des Landes Hessen maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass heute ausgerechnet Teile der Grünen unter anderem mit ökologischen Argumenten einen verstärkten Einsatz der Gentechik in der roten und weißen Biotechnologie unterstützen. Den Verweis auf eine erhöhte Umweltfreundlichkeit biotechnologischer Verfahren brachten dagegen schon in den 1980er Jahren die Befürworter dieser gentechnischen Verfahren vor, sie wurden aber von den Kritikern unter Hinweis auf angebliche Gefahren für Leib und Leben abgeschmettert.

Die Diskussion um die grüne Biotechnologie erscheint daher als ein Déjà-vu-Erlebnis. Die vielfältigen Umweltvorteile dieser Technologie werden negiert und eine theoretische, durch keinerlei Experimente abgesicherte Gefährdung von Mensch und Umwelt als Totschlagargument verwendet. Das politische "Nein" zur Anwendung mündet nun in dem Rückzug der Pflanzenbiotechnologiesparte eines großen Konzerns aus Deutschland. Damit verbunden ist die Abwanderung anwendungsrelevanter Forschung und in Folge davon auch von jungen Wissenschaftlern, die in Deutschland ausgebildet wurden und für die Praxis forschen möchten.

Das politische "Ja" zur Forschung erweist sich schon längst als Mogelpackung: Durch ein Klima der Nulltoleranz gegenüber der grünen Gentechnik ist nicht nur der kommerzielle Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen betroffen, sondern Freisetzungsversuche zu Forschungszwecken sind so gut wie nicht mehr durchführbar. Und auch der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen im Gewächshaus ist bereits jetzt schon zum Teil nur noch mit Einschränkungen möglich. Forschung ohne Anwendung führt jedoch in eine Sackgasse, unter der die Konkurrenzfähigkeit und die Qualität deutscher Forschung vehement leiden werden.

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