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Hirschhausens Hirnschmalz: Und dann?

Eckart von Hirschhausen

Der Bergmann sagt: "Vor der Hacke ist es duster." Ein Satz von unterirdischer Weisheit, der meint: Man weiß nie, was kommt. Aber Menschen sind neugierig, sie wollen wissen, wie es weitergeht. Sogar, wenn sie den Löffel abgeben.

Bei einem akuten Herzstillstand ergreifen Ärzte Wiederbelebungsmaßnahmen. So springen manche Patienten dem Tod gerade noch so von der Schippe – und können später davon berichten. Schon lange ist klar, dass ohne Durchblutung des Gehirns das Bewusstsein im herkömmlichen Sinn schwindet. Unklar ist allerdings, ob andere Seinszustände existieren, die ohne Sauerstoff auskommen. Besonders faszinieren Geschichten von Patienten, die während einer OP oder einer Wiederbelebung glaubten, über ihrem eigenen Körper zu schweben und die Szene von außen zu beobachten. Ein besonderer Bewusstseinsstatus beim Übertritt in eine andere Welt? Oder geht bei Nahtoderlebnissen die Fantasie mit uns durch? Das sollte nun eine Studie an insgesamt 15 Krankenhäusern klären.

Doch wie untersucht man, ob der Geist des Verschiedenen – genauer gesagt, der noch nicht ganz zum Verscheiden entschiedene Geist – wirklich außerhalb des Körpers war? Der Patient müsste anschließend etwas beschreiben, was er vom Bett aus nicht sehen konnte! Also stellten die Forscher der flüchtigen Seele eine Falle: Sie legten Bilder auf Regale weit oben in den Notfallräumen, so dass sie ausschließlich aus der Vogelperspektive zu erkennen waren.

Nach dem Tod möchten Sie ...?

  1. A) ... im Jenseits weiterleben.
  2. B) ... in meiner Wohnung weiterleben.
  3. C) ... keinen ­Kontakt mehr.
  4. D) ... in einem anderen Film mitspielen.

Natürlich hatte die Studie noch ernsthaftere Aspekte. Etwa die Frage, ob Ärzte bei Rettungsaktionen so reden und handeln dürfen, als bekäme der Patient nichts mit. Was aber ging den Geisterjägern in die Falle? Nichts! Denn unerwartet viele Herzstillstände ereigneten sich in Zimmern, wo keine Bilder ausgelegt waren. So auch die beiden Fälle, in denen die Patienten tatsächlich anschließend berichteten, sie hätten an der Decke geschwebt. Wie das Ableben so spielt! Die Seele hätte also nicht nur über dem Körper flattern, sondern sich auch noch in der Klinik durchfragen müssen, wo sie denn eigentlich hin soll. Wie jeder weiß, der schon mal im Krankenhaus lag, bereits lebendig eine fast unlösbare Aufgabe!

Hat der Tod Humor? Nahm er den Forschern ihre Trickserei übel und suchte daher andere Räume auf? Wollte er uns Menschen zeigen, wer am längeren Hebel sitzt? Es ist wie bei den Heinzelmännchen: Sobald man ihnen mit Erbsen eine Falle stellt, bleiben sie für immer fort.

Bekanntlich macht Not erfinderisch, und in höchsten Nöten nimmt es das Gehirn mit der Wahrheit wohl noch weniger genau als sonst. So ist schwer zu unterscheiden, was erlebt und was nachträglich hinzugedichtet wurde. Wenn beim Hacken im Berg das Licht flackert, muss der Luftzug nicht von jenseits der Wand kommen.

Falls am Ende des Lebens wirklich der ganze Film noch einmal vor dem inneren Auge abläuft, dann möchte ich bis zum Ende des Abspanns wach sein. Im Kino bleibe ich immer sitzen und lese interessiert, wer "Assistant Chief Lighting Technician" war oder "Gaffer". Lauter Leute, deren Beitrag zum großen Ganzen zuvor verborgen blieb. Ich hoffe nur, bei meinem Abspann nicht das Gefühl zu bekommen, dass ich im falschen Film war. Vor allem aber wüsste ich sehr gerne, wer Regie geführt hat!

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