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Informationsmanagement: Auf der Jagd nach gefährdeten Daten

Wissenschaftliche Informationen verstauben in Archiven oder sind auf Datenträgern gespeichert, die einer veralteten Technik angehören. Eine Bestandsaufnahme soll verhindern, dass dieser Schatz verloren geht.
Alte Disketten
Überall auf der Welt drohen wichtige wissenschaftliche Daten in Museen und Forschungsinstituten verloren zu gehen. Sei es, weil sie auf zerbrechlichen oder veralteten Datenträgern gespeichert sind, oder weil man ihnen ihren Wert nicht ansieht und die nötige Sorgfalt fehlen lässt. Seit dem 29. Oktober unternimmt ein Forscherteam eine weltweite Bestandsaufnahme gefährdeter Daten. Die Ergebnisse sollen 2012 online veröffentlicht werden. Die Erkenntnisse, die bei dem Projekt CODATA gewonnen werden, sollen zudem helfen, zukünftige Rettungsprogramme besser zu planen.

Außerdem könnte es Forscher auf Ressourcen aufmerksam machen, von denen sie bisher nichts wussten. Studien zur globalen Klimaveränderung benötigen beispielsweise Angaben über Temperaturverläufe und Niederschlagsmengen, die lange vor der Einführung der digitalen Speicherung aufgezeichnet wurden. Einige Wissenschaftler wühlen sich deshalb durch alte Schiffslogbücher. In Entwicklungsländern befinden sich einige der wertvollsten Daten überhaupt – von Landnutzung bis hin zu Krankheitsstatistiken. Doch wie nirgends sonst sind diese Informationen bedroht, beispielsweise durch Kriege oder schlicht durch falsche Lagerungsbedingungen.

Alte Disketten | Wissenschaftliche Informationen verstauben in Archiven oder sind auf Datenträgern gespeichert, die einer veralteten Technik angehören. Eine Bestandsaufnahme soll verhindern, dass dieser Schatz verloren geht.
Gefährdet sind jedoch nicht nur alte Bücher und Fotografien, sondern auch digital gespeicherte Daten, die zwischen 1950 und 1980 aufgezeichnet wurden. Veraltete Datenträgern wie Magnetbänder und Disketten verschleißen im Laufe der Zeit, so dass es immer schwieriger wird, auf ihren Inhalt überhaupt zuzugreifen.

Die Arbeitsgruppe will Forscher per Telefon oder Email fragen, welche Aufzeichnungen ihre "Schatzkammern" bergen. Das Team hofft, auf diese einfache Weise die Daten katalogisieren zu können.

"Die CODATA-Initiative ist wichtig", meint Sam Pepler, Kurator am British Atmospheric Data Centre in Chilton. "Ein großer Teil unseres wissenschaftlichen Erbes liegt in analoger Form vor. Langfristige, präzise Datenaufzeichnungen sind nicht erst eine Erfindung unserer Zeit – Menschen haben seit Hunderten von Jahren Daten gesammelt, damit wir sie heute nutzen können."

Die Bestandsaufnahme geht auf eine Idee von Elizabeth Griffin zurück, einer Astronomin am Herzberg Institute of Astrophysics in Victoria (Kanada), und William Anderson, Informationsspezialist an der University of Texas in Austin, der auch Mitherausgeber des "Data Science Journal" ist. Beide wirken mit zehn weiteren Wissenschaftlern in der Arbeitsgruppe mit.

"Bisher sind sich viele Forscher nur vage bewusst, dass nicht-digitale Datenquellen für ihre Fachrichtung existieren," unterstreicht Griffin. Sie weiß, wovon sie spricht: Um die historische Entwicklung der Ozonkonzentration in der Erdatmosphäre zu untersuchen, wertete sie alte Glasplatten aus, auf denen astronomische Spektren aufgezeichnet worden waren. "Ich musste mit einem Koffer von Observatorium zu Observatorium ziehen und mich durch alte Platten und Bücher wühlen." Sie schätzt, dass etwa drei Millionen Glasplatten weltweit Informationen über den Nachthimmel enthalten – und in Archiven Staub ansammeln. "Jede Platte ist ein Fenster in die Vergangenheit." Ein Fenster, das nicht auf ewig zur Verfügung steht.

In einigen Fachrichtungen gibt es bereits Projekte, solche alten Datenschätze zu heben. Das "Global Oceanographic Data Archaeology and Rescue Project" etwa hat seit 1993 mehr als 3,5 Millionen Aufzeichnungen von Ozeantemperaturverteilungen gesammelt – einige davon wurden vor mehr als 100 Jahren gemessen. Die meisten Fachrichtungen sind jedoch weniger gut organisiert, und es ist unwahrscheinlich, dass alle Daten, welche die Arbeitsgruppe als gefährdet einstuft, für die Nachwelt gerettet werden können. Heutzutage kämpfen Forschungsinstitute schon darum, einen Überblick über die gegenwärtig anfallenden riesigen Informationsmengen zu behalten – von älteren Daten ganz abgesehen.

"Aber ohne zu wissen, wo sich diese überhaupt befinden, können wir unmöglich entscheiden, welche Daten es wert sind, erhalten zu bleiben," bekräftigt Anderson. "Es wäre wünschenswert, die Verluste zumindest unter Kontrolle zu haben."

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