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Buchkritik zu »Just for fun«

Am 17. September 1991 wurde die Version 0.01 des freien, Unix-artigen Computer-Betriebssystems Linux im Internet zur Distribution freigegeben. Zehn Jahre später findet das weiterentwickelte Betriebssystem immer mehr Nutzer, sodass es eine ernst zu nehmende Konkurrenz für "Windows" von Microsoft darstellt. Der Erschaffer von Linux war damals ein unbekannter finnischer Informatikstudent; heute ist Linus Torvalds so etwas wie ein Popstar der Computergemeinde. Sein kürzlich erschienenes Buch "Just for fun", dessen Kapitel abwechselnd von ihm selbst und dem Journalisten David Diamond stammen, ist eine angenehm zu lesende Mischung aus Autobiografie, Geschäftsbericht und Computerfachbuch. Somit spricht es nicht ausschließlich Experten, sondern eher die Allgemeinheit an.Seit seiner frühen Jugend übten Computer auf Torvalds eine geradezu magische Faszination aus – das geht schnell aus den ehrfürchtigen Schilderungen über die erste Bekanntschaft mit einem Computer hervor. Die machte der kleine Linus auf dem Schoß seines Großvaters mit einem VIC-20-Computer, der noch mit Lochkarten programmiert wurde. Diese Lochkarten wurden zu seiner Lieblingsbeschäftigung.Etwas ebenso Schlichtes wie Umwerfendes hatte es ihm angetan: Der Computer führt genau das aus, was man ihm befiehlt; außer den technischen Grenzen kennt er nur diejenigen der Programmierkunst. So kaufte sich Linus im Alter von 16 Jahren für 2000 Dollar einen Sinclair QL und verwirklichte zahlreiche Programmierprojekte damit. Mängel am Betriebssystem, dem zentralen Programm eines Computers, weckten sein Interesse. Linus entdeckte das einschlägige Buch des Informatikprofessors Andrew Tanenbaum als "seine Bibel"; an der Universität hörte er Vorlesungen über die Programmiersprache C sowie die Betriebssysteme Unix und Minix. Angetrieben von den Unzulänglichkeiten und hohen Kosten verschiedener Betriebssysteme und dem Interesse an den Fähigkeiten des damals neuen 386er Prozessors, beschloss er, ein eigenes, freies Betriebssystem zu schreiben."Frei" bedeutet nicht nur kostenlos, sondern auch, dass die Quellen, also der eigentliche Betriebssystemcode, frei einzusehen sind. Änderungen und Verbesserungen an diesem Code dürfen jedoch nicht gewerblich verkauft werden, sondern sollten öffentlich zugänglich gemacht werden. Darauf basiert die Open-Source-Philosophie für Software. Neben den technischen Aspekten widmet das Buch auch diesem ehrenhaften Konzept viel Raum. Einer großen Entwicklergemeinde für freie Software ist es zu verdanken, dass Linux heute so viele Möglichkeiten bietet und deswegen immer erfolgreicher Marktanteile gewinnt.Seine Ausführungen zum heutigen Urheberrecht und dem umstrittenen Digital Millenium Copyright Act (DMCA), den er kritisch hinterleuchtet, sind ebenfalls sehr einsichtig und logisch. Schließlich kommt auch noch im Bezug auf die Open-Source-Philosophie das Geld ins Spiel. Linus findet einen überzeugenden Mittelweg zwischen dem Fundamentalismus einiger Angehöriger der Open-Source-Gemeinde wie Richard Stallman, der den Verkauf von Software am liebsten als Straftat sähe, und dem reinen Ziel des Geldverdienens wie bei Microsoft. Nicht zuletzt will er sich dafür rechtfertigen, dass er im Dienste des Konzerns Transmeta jetzt mit "abgeschlossener" Software sein Geld verdient.Trotzdem gelingt es, jeglichen Eindruck von Selbstbeweihräucherung und Selbstgerechtigkeit zu vermeiden. Auf unterhaltsame Art und Weise erzählt Torvalds sein Leben: die Existenz als computersüchtiger Jugendlicher ("Geek"), die Begegnung mit seiner späteren Frau Tove, seine Rolle als Familienvater von drei Kindern sowie seine jetzige Arbeit. Im Schlusskapitel zeichnet Torvalds die Grundzüge seiner Lebensphilosophie nach, die ihre beste Zusammenfassung wohl im Buchtitel selbst findet.Das Buch bietet eine äußerst ansprechende Mischung aus Technik und Computern samt der dahinter stehenden Philosophie und Politik einerseits sowie zahlreichen Geschichten und Anekdoten andererseits. Das Ganze ist in einen lockeren und amüsanten Stil verpackt, die Übersetzung nicht zu bemängeln. Insgesamt ergibt sich ein Teil digitaler Zeitgeschichte, der jeden etwas angeht. Dieses Buch ist beileibe nicht für Computerfreaks maßgeschneidert (obwohl der Autor für die Seiten 45 – 128 eine Warnung vor "mittelschwerer Geek-Sprache" ausspricht), sondern für den interessierten Laien. Dieser erfährt auf den 275 Seiten nicht nur vieles über die Welt des Programmierens, sondern auch über den kommunistischen Vater des Autors und seine Bekanntschaft mit vielen Größen des Silicon Valley.Zum Nachschlagen ist ein guter Index vorhanden, aber ein Literaturverzeichnis fehlt – ein Schwachpunkt, denn für den einen oder anderen könnte die Lektüre "nur zum Spaß" Anlass genug sein, sich in die Materie zu vertiefen.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 02/2002

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