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Kindesentwicklung: Die entscheidenden zwei Jahre

In Pflegefamilien holten rumänische Heimkinder ihre Entwicklungsrückstände teilweise gut auf – am besten, wenn sie spätestens im zweiten Lebensjahr in eine Pflegefamilie kamen. Das gilt auch für ihre Gehirnreifung.
Gehirnreifung bei Kindern

Um die Produktivität der Wirtschaft Rumäniens zu beflügeln, verfügte Staatspräsident Nicolae Ceausescu 1966, das "Humankapital" müsse gesteigert werden. Bis zur Jahrtausendwende sollte die Einwohnerzahl von damals unter 20 auf 30 Millionen wachsen. Verhütung und Abtreibung waren bei hoher Strafe verboten. Familien mit weniger als fünf Kindern mussten eine "Keuschheitssteuer" zahlen. Am Arbeitsplatz kontrollierten Ärztinnen – von der Bevölkerung "Menstruationspolizei" genannt – die Frauen im gebärfähigen Alter.

Infolge dieser Maßnahmen stieg die Geburtenrate sprunghaft an. Aber viele Familien waren so arm, dass sie manche ihrer Säuglinge den großen staatlichen Waisenhäusern überließen. Als 1989 Ceausescu gestürzt wurde, lebten mehr als 170 000 Kinder unter erbärmlichen Verhältnissen in solchen Einrichtungen.

Während der nächsten zehn Jahre versuchten sich die Nachfolgeregierungen zwar zaghaft an einer Schadensbegrenzung, doch ließ sich das so genannte Waisenproblem lange nicht beheben. Das Land blieb verarmt, und noch 2005 wurden kaum weniger Kinder ausgesetzt oder in Heime gegeben als in den Jahren davor. Zudem glaubten selbst zehn Jahre nach Ceausescus Sturz manche Regierungsbeamte, dass diese verlassenen, angeblich ohnehin von vornherein "geschädigten" Kinder in einer staatlichen Institution besser aufgehoben wären als in einer Familie. Diese Ansicht entsprach der sowjetischen Auffassung zum besten Umgang mit Behinderten.

Anderswo argwöhnten Wissenschaftler hingegen schon lange, dass die Unterbringung in einem herkömmlichen Waisenhaus kleinen Kindern nicht guttut. In westlichen Ländern hatte es dazu zwischen 1940 und 1970 eine Reihe zumeist kleinerer Studien gegeben. In der Regel waren sie allerdings nur deskriptiv und erfolgten ohne saubere Kontrollgruppen. Man verglich damals Jungen und Mädchen, die im Heim lebten, mit solchen in Pflege- oder Adoptionsfamilien. Und es zeigte sich klar, dass sich die Anstaltskinder deutlich schlechter entwickelten als Kinder in Familien mit einem oder zwei Elternteilen – auch bei nicht leiblichen Eltern. ...

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  • Quellen und Literaturtipp

Almas, A. N. et al.: Effects of Early Intervention and the Moderating Effects of Brain Activity on Institutionalized Children’s Social Skills at Age 8. In: Proceedings of the National Academy of Sciences USA 109, S. 17228 - 17231, 2012

Bos, K. et al.: Psychiatric Outcomes in Young Children with a History of Institutionalization. In: Harvard Review of Psychiatry 19, S. 15 - 24, 2011

Nelson III, C. A. et al.: Cognitive Recovery in Socially Deprived Young Children: The Bucharest Early Intervention Project. In: Science 318, S. 1937 - 1940, 2007

Nelson, C. A. et al.: Die sensiblen Jahre. In: Gehirn und Geist 1-2/2010, S. 38 – 42
Psychologischer Hintergrundbericht der Autoren über ihre Studie mit den rumänischen Heimkindern

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