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Klimageschichte: Der Vulkan, der den Winter brachte

Caldera am Rinjani

Das Jahr 1258 erlebte keinen Sommer. Eine überaus feuchte und kühle Witterung sorgte in Asien und Europa für Missernten und Überflutungen. Mittelalterliche Chronisten beschrieben das Leid der Menschen, und die Auswertung von Baumringdaten zeigte einen deutlichen Dämpfer für das weltweite Pflanzenwachstum an. Eisbohrkerne legen einen gigantischen Vulkanausbruch als Auslöser für diese Wetterkalamitäten nahe: Hochgerechnet aus den in Gasblasen gefangenen Sulfatkonzentrationen schleuderte die Eruption wohl so viele schwefelhaltige Partikel in die Atmosphäre wie keine andere in den letzten 7000 Jahren. Wo dieser Ausbruch jedoch stattgefunden haben sollte, blieb lange unklar; nun deutet eine Studie von Franck Lavigne von der Université Paris an, dass der Samalas-Vulkan auf der indonesischen Insel Lombok damals in die Luft flog – in einer der stärksten Explosionen der jüngeren Menschheitsgeschichte.

Caldera am Rinjani | Der Ausbruch des Samalas – der zum Rinjani-Komplex gehört – hinterließ nicht nur eine 50 Quadratkilometer große Caldera, in der mit dem Segara Anak ein neuer Vulkangipfel heranwächst, sondern sorgte wohl auch 1258 für ein Jahr ohne Sommer.

Bislang vermuteten Vulkanologen den Ursprung der Sulfatfrachten in Neuseeland oder Mittel- und Südamerika, doch verlief die Spurensuche vor Ort ergebnislos. Ganz anders sieht es dagegen beim neuesten Kandidaten aus, den Lavigne und seine Kollegen präsentieren. Auf die Spur des Samalas kamen sie unter anderem durch historische Aufzeichnungen – die so genannten Babad Lombok, auf Palmblätter in altem Javanesisch geschriebene Chroniken der Insel Lombok. Darin ist die Rede von einer katastrophalen Eruption des Vulkans, der zum Rinjani-Komplex gehört, einem heute noch aktiven Vulkan des südostasiatischen Inselbogens. Im fraglichen Zeitraum entstand damals eine riesige Caldera, die mehr als 50 Quadratkilometer groß und 800 Meter tief ist, was auf eine enorme Freisetzung an Magma, Asche und Gasen schließen lässt. Ascheregen und pyroklastische Ströme verwüsteten die Insel und töteten wohl mehrere tausend Menschen, wie die historischen Aufzeichnungen weiter ausführen.

Geochemische Analysen des Auswurfmaterials und Radiokarbondatierungen von verschütteter Holzkohle bestätigen, dass diese Eruption im fraglichen Zeitraum stattgefunden hatte. Im Gletschereis Grönlands und der Antarktis eingeschlossene, winzige Glassplitter – aus vulkanischen Schmelzen – stimmen zudem chemisch mit jenen im Umfeld des Samalas überein und stammen ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert.

Insgesamt schleuderte der Vulkan rund 40 Kubikkilometer Gestein in die Atmosphäre, wobei Asche und Schwefelpartikel bis in über 40 Kilometer Höhe gerissen wurden. Luftströmungen verteilten sie dann rund um den Planeten. Sollte sich dies bestätigen, so würde der Samalas-Ausbruch denjenigen des Tambora aus dem Jahr 1815 – ebenfalls in Indonesien – noch in den Schatten stellen: Diese Eruption gilt als bislang stärkste der letzten rund 23 000 Jahre und sorgte 1816 für das so genannte "Jahr ohne Sommer" in Europa und Nordamerika. Lavignes Ergebnisse könnten auch Archäologen interessieren, denn laut Babad Lombok zerstörte die Eruption Pamatan, die Hauptstadt des Königreichs Lombok, die von mächtigen Ascheschichten bedeckt sein könnte – laut den Forschern eine Art "Pompeji des Fernen Ostens".

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