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Klimaschutz: Wahl der Waffen

Kohlendioxid versenken, Sonnenstrahlung spiegeln, Atmosphäre impfen, Meere düngen - im Kampf gegen die Aufheizung der Erde werden viele Möglichkeiten diskutiert. Denn Energiesparen allein wird uns wegen der Trägheit der Menschheit nicht retten. Doch welche Methoden helfen wirklich und ohne Risiko?
Wo die Algen wachsen
1000 Jahre: So lange blieben uns die klimatischen Folgen der heute ausgestoßenen Treibhausgase noch erhalten, selbst wenn wir ab heute kein zusätzliches Kohlendioxid oder Methan mehr in die Atmosphäre blasen würden. Auch dann müsste die Menschheit noch mit höheren Durchschnittstemperaturen, gestiegenen Meeresspiegeln und veränderten Niederschlagsmustern leben, deren Wandel sie durch ihr Handeln im 20. und 21. Jahrhundert angestoßen hat. Das zumindest sagt eine Berechnung des Klimaforscherquartetts um Susan Solomon von der US-Wetterbehörde NOAA voraus, die von einem – hypothetischen – Stopp weiterer Emissionen nach Erreichen eines Spitzenwerts ausgeht [1]. Ein Teil des CO2 in der Atmosphäre würde demnach auch wieder bald abgebaut werden. Auf der anderen Seite gasten die Ozeane aber einen Teil des zuvor aufgenommenen Kohlendioxids auch wieder aus, weshalb die Konzentration in der Luft überdurchschnittlich hoch bliebe, so die Forscher.

Temperaturanomalien 2008 | Auch im vergangenen Jahr herrschten in weiten Teile der Erde überdurchschnittliche Temperaturen im langjährigen Vergleich. Kühler war es dagegen vor allem im Pazifik, wo La Niña kaltes Wasser über große Regionen brachte.
Wie der Planet im Jahr 3000 aussähe, darüber gibt die Studie keine Auskunft: Niemand weiß, wie schnell sich Mensch und Natur an die heute schon ablaufenden klimatischen Veränderungen anpassen können. Viele Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass der Wandel zu rasch abläuft, als dass große Teile von Flora und Fauna ihm folgen oder die Menschheit gegensteuern könnten. Es muss also gehandelt werden, um die Aufheizung der Erde zumindest so weit zu verlangsamen, dass Katastrophenszenarien ausbleiben. Nur wie?

Als einfachste und naheliegendste Lösung gilt, Energie zu sparen und auf alternative Quellen wie Sonne, Wind oder Erdwärme umzusteigen. Angesichts der Kosten und Widerstände der Öffentlichkeit sowie der allgemein trägen Reaktion der Menschheit könnte dies allerdings zu lange dauern. Fachleute und Politiker diskutieren deshalb auch immer wieder das so genannte Geoengineering, also technische Maßnahmen, um die Erwärmung einzudämmen. Eine Reihe davon haben nun Tim Lenton und Nem Vaughan von der University of East Anglia im britischen Norwich auf ihre Machbarkeit abgeklopft [2].

Meeresmanipulation: machbar, aber nur mit langem Atem

Ein Projekt unter deutscher Beteiligung beispielsweise hat gerade erst die Nachrichten beherrscht: die Düngung der Meere. Sie soll künstliche Algenblüten auslösen, die Kohlenstoff aus der Luft aufnehmen, zumindest einen Teil davon nach ihrem Absterben in die Tiefsee verfrachten und dem System für längere Zeit entziehen. Konsequent angewendet, ließe sich die Senkenkapazität der Ozeane damit erhöhen – ein natürlicher Prozess, der mancherorts seit Jahrmillionen stattfindet. Eine grundlegende Voraussetzung ist jedoch ein entsprechendes Algenwachstum, an dem es aber großflächig mangelt.

Aerosole und Erwärmung | Temperaturanstieg berechnet für den Zeitraum von 1850 bis 2100 (die gelbe Linie entspricht den früheren Schätzungen)
Über weite ozeanische Gebiete hinweg schweben zwar genügend gelöste Nährstoffe durch das Wasser, die den mikroskopisch kleinen Pflanzen eine Lebensbasis bieten könnten. Doch mangelt es ihnen meist an einem essenziellen Element: Eisen. Ohne dieses Metall ist ihre Vitalität gehemmt – und ihre fotosynthetische Leistungsfähigkeit bleibt hinter dem theoretisch möglichen zurück. Es läge also nahe, dem Meer Eisen künstlich zuzuführen, das Algenwachstum dadurch zu stützen und so den Planeten vor Überhitzung zu schützen, meinen viele Forscher.

Mehrere Versuche in dieser Richtung wurden bereits unternommen. Das jüngste Experiment des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven etwa soll im Südatlantik großflächig Eisendünger ausbringen, um die biochemische Reaktion des Meeres zu testen. Es geriet jedoch in die Mühlen von Umweltverbänden, Bundesumwelt- und Bundesforschungsministerium. Erst nach langem Hin und Her erhielten sie die Genehmigung, ihren Versuch durchzuführen – unter weiterhin lautem Protest von Naturschützern, die eine auch von Deutschland ausgehandelte Konvention der Vereinten Nationen gegen diese Art der Ozeanmanipulation verletzt sehen.

Auf wissenschaftlicher Ebene haben bisherige Experimente gezeigt, dass Eisengaben durchaus das Algenwachstum anheizen, was auch eine neue Studie von Raymond Pollard vom National Oceanography Centre in Southampton und seinen Kollegen belegt [3]. Unklar blieb bislang jedoch, wie viel CO2 dadurch tatsächlich der Atmosphäre dauerhaft entzogen wird und wie viel nach dem Tod des Planktons wieder freikommt. Die Meeresbiologen verglichen deshalb die biologische Aktivität zweier Gebiete in der Nähe der südatlantischen Crozet-Inseln.

Diese Eilande bestehen aus eisenreichem vulkanischem Gestein, das über die Erosion den Ozean fruchtbarer macht – wegen der vorherrschenden Meeresströmungen jedoch nur Flächen nördlich von Crozet. Nur hier blühten die Algen wochenlang auf und exportierten in der Folge zwei- bis dreimal so viel Kohlendioxid in die Tiefsee wie im südlichen, düngerfreien Vergleichsgebiet. Ein erster Hinweis, dass diese Methode netto tatsächlich Entlastung versprechen könnte – obwohl die versenkten Kohlenstoffmengen hinter den bislang vermuteten zurückblieben.

Polarstern | Das Forschungsschiff Polarstern auf offener See
Auch Lenton und Vaughan erkennen die Potenz der Eisengabe an. Werden dem Meer gleichzeitig auch noch Phosphate, Stickstoff und Kalziumkarbonat zugeführt und der Energieverbrauch gesenkt, könnte der atmosphärische CO2-Gehalt bis Ende des Jahrhunderts sogar wieder auf vorindustrielle Werte sinken. Doch die Folgen für die ozeanische Umwelt wären wohl gravierend: Sauerstoffmangel in der Tiefsee, Überdüngung und Giftalgenblüten in Küstennähe, übersäuertes Wasser und veränderte Lebensgemeinschaften – von den logistischen Schwierigkeiten, die nötigen Mengen an Nährstoffen ins Meer zu bringen, einmal abgesehen.

An Land oft nur lokale Wirkung

Klimabeeinflussung ganz anderer Art schwebt den Geotechnikern an Land vor. Sie setzen hier vor allem auf eine Erhöhung der Albedo – der Menge der ins All reflektierten Sonnenstrahlung. Je heller eine Fläche ist und je höher ihre Albedo ausfällt, desto weniger Energie wird in Wärme umgewandelt und heizt die Erde auf. So soll der Anbau bestimmter Getreidesorten den Treibhauseffekt abmildern: Um bis zu ein Grad Celsius könnte dadurch die durchschnittliche Lufttemperatur im Sommer in den USA und in weiten Teilen Europas sinken, hofft etwa Andy Ridgwell von der University of Bristol. Getreidefelder kühlen bereits jetzt die Erde, weil sie mehr Sonnenlicht reflektieren als etwa Wiesen. Wählt man Sorten mit hoher Albedo in den nächsten 100 Jahren geschickt aus, ließe sich der Heizeffekt von 195 Milliarden Tonnen Kohlendioxid kompensieren, meint der Forscher – immerhin der Ausstoß von vier bis fünf Jahren.

Noch stärker wäre die Wirkung, erhöhte man die Albedo der planetaren Wüsten, was manche Geoingenieure tatsächlich diskutieren. Um drei Watt pro Quadratmeter könnte die Rückstrahlungsleistung der Trockengebiete erhöht werden, bedeckte man sie großflächig mit hellen und spiegelnden Materialien – mehr als genug, um nicht nur diese Regionen, sondern die gesamte Erde einigermaßen abzukühlen. Neben Kosten- und Produktionsfragen müsste aber auch noch ein trivialer, aber sehr bedenkenswerter Punkt behandelt werden, so Lenton und Vaughan: Wer putzt diese Flächen, da Staub und anderer Dreck sie auf Dauer zu sehr verschmutzen würden?

Eine Gegenmaßnahme scheint dagegen nicht nur praktikabel, da sie relativ kostengünstig wäre. Sie brächte auch noch weitere Vorteile für Mensch und Natur: die Aufforstung oder Wiederbewaldung von Ödland, das einst schon mit Bäumen bestanden war. Nachwachsende Wälder würden zumindest einen Teil des freigesetzten Kohlendioxids für die Zeit ihres Lebens einlagern; daneben böten sie Holz als Rohstoff, Lebensraum für viele Arten und den Schutz vor Bodenerosion und von Wasserquellen. Dies sollte aber möglichst mit "Bio"-Holzkohleproduktion kombiniert werden, so die beiden Wissenschaftler. Das unvollständig umgesetzte Holz mit extrem hohem Kohlenstoffgehalt arbeitet man dann in den Boden ein, wo es für lange Zeit eingelagert wäre. Zusammengenommen brächte diesen Methoden einen stärkeren Kühleffekt als die Ozeandüngung.

Schwefelschirm: hohes Potenzial, großes Risiko

Das größte Potenzial billigen Lenton und Vaughan einer anderen Erdmanipulation zu, die dort stattfindet, wo sich auch der Klimawandel anbahnt: in der Atmosphäre. Etwa ein Drittel der täglichen eingestrahlten Sonnenenergie reflektieren oder absorbieren die Wolken, Aerosole, Gase und Moleküle der Luft. Erhöht man den Anteil der dort oben sofort wieder ins All geschickten Strahlung, könnte man die Erde gut abkühlen – eine Idee, die viele Anhänger hat.

Planktonproduktion | Hohe Chlorophyllkonzentrationen – und damit entsprechend hohe Phytoplanktonmengen – finden sich vor allem in nährstoffreichen kühlen Gewässern (grüne Töne). Weite Teile des offenen Meeres in den Tropen sind dagegen ausgesprochen algenarm (blau).
Sie orientieren sich dabei vor allem am Einfluss starker Vulkanausbrüche, die riesige Mengen von Asche und Schwefelsäuretröpfchen in den Himmel katapultieren. Beide wirken als Sonnenschirm, und so sanken nach großen Eruptionen wie der des Krakatau, des Tambora oder des Pinatubo weltweit die Temperaturen, weil weniger Energie bis zum Erdboden durchdrang. Diesen Effekt wollen die Techniker künstlich wiederholen, indem sie die Atmosphäre mit Schwefelpulver impfen. Die entstehenden Aerosole sollen dann die vulkanische Wirkung nachahmen.

Bis 2050 könnte diese Methode so weit gediehen sein, dass sie die Erdtemperaturen in einem Rahmen regelt, wie er zu Beginn der Industrialisierung herrschte. Unter allen potenziellen Anwendungen birgt sie jedoch auch die meisten Risiken, warnen Lenton und Vaughan: Kontinuierlich müsste der Schwefel nachgefüttert werden, da ihn Wind und Wetter wieder austragen, und ohne Nachschub verliert sich der Kühleffekt rasch. Im Gegenzug könnte es sogar – bei fortgesetzter Freisetzung von Treibhausgasen – zu einem extremen und raschen Anstieg der Temperaturen kommen, sollte die Luft wieder schwefelrein sein.

Schwefelschirm wie Aufforstung und Ozeandüngung stellen immerhin einigermaßen effektive Mechanismen dar, die Erderwärmung zu bremsen – im Gegensatz zur künstlichen Einlagerung von Kohlendioxid in der Tiefsee oder der biologisch ausgelösten Wolkenbildung über den Ozeanen. Ihr Einfluss wurde in der Vergangenheit überschätzt, fassen die beiden Wissenschaftler zusammen. Die "Rettung" der Menschheit wie der Erde bietet das Geoengineering allerdings ohnehin nicht, so Lenton: Ohne Energieeinsparung nützt auf Dauer alles nichts.

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  • Quellen
[1] Solomon, S. et al.: Irreversible climate change because of carbon dioxide emissions. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 10.1073/pnas.0812721106, 2009.
[2] Lenton, T., Vaughan, N.: The radiative forcing potential of different climate geoengineering options. In: Atmospheric Chemistry and Physics Discussion 9, S. 2559–2608, 2009.
[3] Pollard, R. et al.: Southern Ocean deep-water carbon export enhanced by natural iron fertilization. In: Nature 457, S. 577–581, 2009.

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