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Materialwissenschaft: Superstarke Minimuskeln aus Nylon

Stärker als ein Gummimotor: Verdrillte Nylonfaser

Ingenieure haben einen leistungsfähigen Minimotor aus handelsüblichem Garn gebastelt, der durch Wärme in Betrieb geht. Die verdrillten Kunststofffasern – sie arbeiten im Prinzip wie die aufgedrehten elastischen Bänder eines Gummimotors, die sich schnell abwickeln oder ausdehnen – lassen sich in winzig kleine oder überraschend große Gerätschaften weben. Dort könnten sie dann gezielt starke Kräfte für allerlei Aufgaben ausüben, berichten die Forscher um Ray Baughman von der University of Texas in Dallas.

Nylonmotoren entstehen durch Verdrillen | Verschiedene Minimuskeln aus Nylon und ihre Vorläufer. Bild (A) zeigt eine nicht Nylonpolymerfaser mit 300 Mikrometern Durchmesser; in Bild (B) ist diese verdrillt, in (C) zweilagig zu einer einfachen Motorfaser zusammengedreht. Solche Fasern können (wie die 32 Fasern in (D)) auch ein Gewebe bilden. Überdreht man die verdrillten Fäden, so formen sich superspiralisierte Strukturen, die an ältere Telefonhörerkabel erinnern. Welche Strukturen entstehen, kann gesteuert werden – etwa durch Zyklen von Erhitzung und Abkühlung um einen Kernstab, der dann später entfernt wird.

Die Nanomaterialtüftler hatten bereits vor zwei Jahren pfiffige Nanomotoren aus verdrillten Kohlenstoffnanoröhrchen vorgestellt, die auf Knopfdruck als kleine Motoren mechanische Arbeit leisten. Jetzt perfektionierten sie ihr System mit einem deutlich weniger exotischen und viel billigeren Baustoff: Polyamid, einer Klasse von Polymeren, zu der auch Nylon gehört. Aus diesen Kunststoffen, die man wegen ihrer Festigkeit schätzt, bestehen zum Beispiel Angelschnüre.

Stärker als ein Jet, billig wie eine Angelschnur?

Die Forscher erkannten, dass verdrillte Nylonfäden unterschiedlichster Größe besonders gut mechanische Energie speichern und wieder freisetzen. Dazu müssen die elastischen Polymerfäden bis zur Knäuelbildung verdrillt werden. Losgelassen – etwa durch einen Wärmereiz – können sie dann zum Beispiel 100-mal größere Lasten heben als eine vergleichbar dicke menschliche Muskelfaser. Zudem ziehen sich die Fasern etwa um die Hälfte ihrer Länge zusammen, so dass sie Lasten über weitere Strecken bewegen können. Mit 5,3 Kilowatt mechanischer Leistung pro Kilogramm erreicht das Polyamidgarn Werte wie ein moderner Düsenantrieb, lesen die Forscher aus ihren experimentellen Daten heraus.

© University of Texas at Dallas
Minimotor leichtgemacht: Von der Nylonangelschnur zum starken Nanomuskel
Eine handelsübliche Angelschnur aus Nylon wird zum leistungsstarken Zugmotor: Man muss sie nur verdrillen, bis sie beginnt, Superspiralen zu werfen.

Was genau mit dem neuen Minimotor angestellt werden kann, ist allerdings noch nicht so ganz klar. Immerhin ließen sich sowohl sehr kleine Geräte antreiben wie auch überraschend große, meinen Baughman und Co – und dies allein durch den Einbau der Polymergarne in die Strukturen selbst. Denkbar sind etwa Filtermaterialien oder auch Kleidungsstücke, die etwa ihre Porengrößen und damit die Dampfdurchlässigkeit automatisch je nach Umgebungstemperatur verändern. Mit Polymerkabeln könnten dagegen enorme Lasten effizient bewegt werden.

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  • Quellen
[1] Science 343, S. 868–872, 2014.
[2] Science 338, S. 928, 2012.

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