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Nephologie: Wolkig

Wir Männer haben es ja schon immer gewusst: Mehr als auf die inneren Werte kommt es auf die Größe an. Zumindest ist es am Himmel so.
Cumuluswolken über Organ Pipe Cactus (Arizona)
Auch wenn es kaum jemand glauben mag: Die Wetterfee im Radio hat gerade allen Ernstes behauptet, dass der diesjährige Mai um etwa zwei Grad wärmer gewesen sein soll als im langjährigen Durchschnitt. Dennoch prasseln schon seit Tagen dicke Regentropfen ans Fenster, und statt Shorts sind dicke Socken angesagt. Während viele Menschen in Deutschland vor Kälte schlottern, dürfte sich ein Mann vor Freude die Hände reiben. Meinrat Andreae vom Max-Planck-Institut für Chemie sitzt auf dem Kleinen Feldberg im Taunus und untersucht von dort aus mit seinen Kolleginnen und Kollegen von der Mainzer Johannes Gutenberg Universität und einer Wissenschaftlerin aus dem amerikanischen California Institute of Technology die Bildung von Wolken.

Taunus-Observatorium | Feldmesskampagne zur Atmosphärenforschung auf dem Taunus-Observatorium der Frankfurter J.W. Goethe-Universität. An den aktuellen Messungen sind sowohl das Max-Planck-Institut für Chemie sowie die Johannes Gutenberg-Universität in Mainz beteiligt.
Dabei interessiert er sich weniger für den beschaulichen Zug der am Himmel vorbeiziehenden Wattebäuschen – zumal es sich seit Tagen um eine eher geschlossene Wolkendecke handelt. Die Arbeitsgruppe im Taunus treibt wissenschaftliche Neugier voran. Denn so genau sind die Prozesse, die zur Bildung von Cumulus, Stratus oder Cirrus und eventuell zum Regen, Hagel oder Schnee führen, eben noch nicht bekannt. Sicher ist nur: Aerosole, winzige Verschmutzungen in der Luft, wirken bei diesen Vorgängen entscheidend mit. Sie bilden so genannte Kondensationskeime, an denen sich der in der Luft hängende Wasserdampf niederschlägt und kleine Tröpfchen oder sogar Eiskristalle bilden.

Wolken über Lorch (Württemberg) | Mittelhohe Wolken: Altocumulus stratiformis perlucidus (schichtförmige und durch Zwischenräume durchscheinende grobe Schäfchenwolke), Lorch (Württemberg), 9.10.1993, 16:20 MEZ, Blick S.
Das Wissen um die Wolkenbildung ist nun nicht allein für den Gärtner wichtig oder für die vielen Menschen, die erfahren wollen, ob sie morgens auf dem Weg zur Arbeit einen Regenschirm mitnehmen müssen. Die Wolkenbildung beeinflusst ebenso entscheidend den natürlichen wie den von Menschenhand verstärkten Treibhauseffekt – die allmähliche und mittlerweile unstrittige Erwärmung des Globus. Das Ausmaß der Entstehung der Wolken bildet dabei einen der größten Unsicherheitsfaktoren in den Vorhersagen zum Klimawandel; zumal die Wechselwirkung mit dem Temperaturanstieg der Erde hoch vertrackt sind: Erwärmen sich beispielsweise die Meere, so steigt mehr Wasserdampf auf. Die sich bildenden Wolken schatten vermehrt die Erde ab. Welchen Einfluss das unmittelbar zur Folge hat, kann jeder im sommerlichen Badeurlaub nachempfinden, wenn es um die Frage geht: pralle Sonne oder doch unterm schützenden Schirm.

Treibhauseffekt | Schematische Darstellung der Wirkung im Infraroten absorbierender Spurenstoffe auf den Strahlungshaushalt des Systems Erde/Atmosphäre.
Aber damit nicht genug. Eine großflächige Bewölkung wirkt gleichzeitig wie eine Glocke, unter der sich die Wärme stauen kann. Daher sprechen die Experten ja auch vom Treibhauseffekt. Das genaue Verständnis der Prozesse der Wolkenbildung ist daher ein äußerst wichtiger Parameter, um möglichst stichhaltige Prognosen über die zunehmende Erwärmung der Erde machen zu können.

Bislang glaubten die meisten Nephologen – so nennen sich die Wolkenkundler –, dass chemische Vorgänge entscheidend für die Wachstumsdynamik der atmosphärischen Wasserdampfschwaden seien. Nun konnte die Arbeitsgruppe um Andreae aber zeigen, dass die Größe der Partikel weitaus bedeutender ist. Nach ihren Beobachtungen erklärt die Aerosolchemie weniger als 20 Prozent der Wachstumsdynamik der feuchten Luftmassen. Neben ihrer Anzahl sind dagegen vor allem die Abmessungen der Schmutzteilchen dafür verantwortlich, ob und wie schnell Wolken entstehen.

Diesen Zusammenhang konnten die Wissenschaftler sowohl an Wolken feststellen, die sich über dem Kleinen Feldberg festsetzten als auch in Laborexperimenten, bei denen sie mit den Aerosolen aus der Luft kleine Wölkchen in ihren Forscherstuben hervorzauberten.

Damit dürfte vielen Atmosphärenforschern ein großer Stein vom Herzen fallen. Schließlich lässt sich die Größe der Schwebstoffe im Gegensatz zu deren chemischer Zusammensetzung relativ einfach durch optische Messungen vom Boden aus sowie mit Hilfe von Satelliten bestimmen. Diese erfassen selbst Teilchen, die kleiner sind als fünf Hundertstel Mikrometer. Die Mainzer Experten sind sich daher sicher, dass sich mit dieser Erkenntnis künftig noch genauere Klimamodelle erstellen lassen.

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